Andrzej Sapkowski: "Der Hexer"-Reihe

Kerkermeister

Deaf Dealer
Habe keinen entsprechenden Thread hier im Forum gefunden, hatte aber gerade mal Lust über die Buchreihe vom Hexer Geralt aus der Feder des polnischen Autors Andrzej Sapkowski zu schreiben.

Anlass: ich habe heute den Roman "Zeit des Sturms" beendet, der knapp anderthalb Dekaden nach dem Finale der eigentlichen Geralt-Pentalogie aus den 90er-Jahren erschienen ist. Gelesen haben die die ersten 4 der 5 Bände der Hauptserie, sowie nunmehr zwei der drei Bücher, die außerhalb dieser stattfinden.

Grundsätzlich gibt es vieles, das ich an Sapkowski schätze: die Welt ist, soweit das für Fantasy möglich ist, realistisch-ruppig gehalten. Nichts ist geschönt, es gibt keine Blümchen-und-Einhorn-Fantasy. Zwerge heißen einfach Jörg Schweinemüller oder Ingo Knüppler, und man kann sich häufig direkt in die Welt versetzen.

Des Weiteren ist da der Humor, mit dem ich vor dem Lesen nicht gerechnet hatte. Die ganze Serie ist durchzogen von cleverem, dunklen Humor. Auch diverse Anspielungen auf Märchen und andere Fantasy-Serien sind zu finden. So halten Schneewittchen und die sieben Zwerge genau so ein Stelldichein wie die Schöne und das Biest oder eine magische Zwergentür, die sich, frisch aus der Produktion, mit dem Standardpasswort "Freund" öffnet.

Einiges nervt mich allerdings auch maßlos: Während manche Story-Stränge durchaus extrem fesselnd und spannend sind, leistet sich der Autor häufig auch Hänger und langweilige Passagen, oder nervt mit unnötigem Ballast in Form wieder eines neuen POV-Charakters, der die politische Situation aus noch einem weiteren Blickwinkel ausdiskutieren muss. Grundsätzlich halte ich die Komponenten der cleveren politischen Intrigen und Ränkeschmiede für eine große Stärke der Bücher, doch an einigen Stellen hatte ich das Gefühl, der Autor würde seinen Lesern etwas zu wenig zutrauen und ewig auf einem Geschehnis herumzureiten, ohne dass man wirklich vom Fleck kommt.

Was mich aber am meisten an den Büchern stört, vor allem im dritten und vierten Teil der Hauptserie, ist die eindeutige sexuell-exploitative Gewaltdarstellung an Kindern. Im Detail beschreibt der Autor den sexuellen Missbrauch, die körperliche Misshandlung oder den Drogenmissbrauch eines Kindes, die mich angewindert das Buch hat zur Seite legen lassen. Hier hätte man andeuten können, und jeder Leser hätte dennoch verstanden, was gerade vor sich geht. Ich hatte das unangenehme Gefühl, dass es dem Autor regelrecht Spaß gemacht hat, dieser Szenen zu verfassen.

Was ist eure Meinung zu den Büchern?
 
Ich bin immer noch am lesen ,lese zur Zeit den Schwalbenturm,und finde die Buchserie ausgesprochen gut.Deine Kritik kann ich nachvollziehen,bin aber der Meinung das es in vielen anderen Fantasy- Bücher ähnlich zugeht,das ist zumindest meine Erfahrung z.bsp Game of Thrones.Wenn Mann die Bücher vom ihm liest,sollte man nicht außer acht lassen das es Fantasy ist und nicht in Kinderhände gehört.
Das ist meine Meinung dazu.
 
Hmm... ich hab die Bücher vor über 20 Jahren gelesen und kann mich an besonders brutale Gewaltdarstellung nicht wirklich erinnern. Da habe das Lied von Eis und Feuer deutlich schlimmer in Erinnerung. Normalerweise bin ich da schon sehr empfindlich, speziell wenn es um Kinder geht, da ist bei mir eine Grenze überschritten.... Deswegen wundert es mich ein wenig, aber wie gesagt, es ist schon sehr lange her. Neulich hatte ich ein Riesenproblem mit der sonst ganz tollen Hörspiel Umsetzung von Ursula LeGuin Erdsee-Zyklus weil da gleich am Anfang von der zweiten Staffel eine für meine Empfinden sehr krasse Sequenz kommt. :hmmja:

 
So, ich habe den letzten Band, "Die Dame vom See", nun auch durch - in der famosen Hörbuchvariante mit Oliver Siebeck.

"Der Schwalbenturm" ist für mich, nicht nur wegen der abartigen Gewaltdarstellungen, der Tiefpunkt der Reihe, aber der letzte Band der Ciri-Saga ist ein absolutes Sahnestück. Das Pacing ist wieder viel schneller, es gibt weniger Füller-Kapitel (obwohl es davon immer noch genug gibt), und die Geschichte wird zu einem befriedigenden, wenn auch
extrem kitschigen
Ende gebracht.

Der Sprachwitz, der Detailreichtum, die großartigen Dialoge, die interessanten Charaktere, die gelungenen Perspektivwechsel...all das lässt mich diese Bücher lieben. Nervig bleiben Füllerpassagen in den auch nicht mal dicken Büchern. Es passiert häufig nicht viel, das die Story vorantreibt, aber umso mehr kann man sich in die spannende Welt fallen lassen, die Sapkowski hier aufgebaut hat.

Der ganz eigene Humor, der häufig subtiler ist, als man es aus Genre-Büchern gewohnt ist, ist Geschmackssache. Für mich ist er die Kirsche auf der Torte.

Listenwahn? Listenwahn:

Der letzte Wunsch 10/10
Zeit des Sturms 6.5/10

Das Erbe der Elfen 8/10
Die Zeit der Verachtung 7/10
Feuertaufe 9/10
Der Schwalbenturm 5/10
Die Dame vom See 10/10

EDIT: Ups, eine Menge meiner Anmerkungen hatte ich schon im Eingangspost geschrieben...aber auch nach dem Genuss des letzten Bandes gelten sie! ;)
 
Hmm... ich hab die Bücher vor über 20 Jahren gelesen und kann mich an besonders brutale Gewaltdarstellung nicht wirklich erinnern. Da habe das Lied von Eis und Feuer deutlich schlimmer in Erinnerung. Normalerweise bin ich da schon sehr empfindlich, speziell wenn es um Kinder geht, da ist bei mir eine Grenze überschritten.... Deswegen wundert es mich ein wenig, aber wie gesagt, es ist schon sehr lange her. Neulich hatte ich ein Riesenproblem mit der sonst ganz tollen Hörspiel Umsetzung von Ursula LeGuin Erdsee-Zyklus weil da gleich am Anfang von der zweiten Staffel eine für meine Empfinden sehr krasse Sequenz kommt. :hmmja:


Ich sehe das wie du!

Danke aber für den Hinweis auf die Erdsee-Hörspielreihe. Ich hatte vor einigen Jahren mal das Hörbuch des ersten Bandes gehört, das mir wirklich sehr, sehr gut gefallen hat. Hatte auch in das Hörspiel mal reingehört, es dann aber nach zwei Folgen wieder vergessen. Kommt auf meine Hörliste! :)
 
Oh, ich hab nur gesehen, dass es 7 Bücher sind. "Zeit des Sturms" kenne ich gar nicht, google sagt es ist viel später geschrieben worden. Voll an mir vorbeigegangen.
 
So, ich habe den letzten Band, "Die Dame vom See", nun auch durch - in der famosen Hörbuchvariante mit Oliver Siebeck.

"Der Schwalbenturm" ist für mich, nicht nur wegen der abartigen Gewaltdarstellungen, der Tiefpunkt der Reihe, aber der letzte Band der Ciri-Saga ist ein absolutes Sahnestück. Das Pacing ist wieder viel schneller, es gibt weniger Füller-Kapitel (obwohl es davon immer noch genug gibt), und die Geschichte wird zu einem befriedigenden, wenn auch
extrem kitschigen
Ende gebracht.

Der Sprachwitz, der Detailreichtum, die großartigen Dialoge, die interessanten Charaktere, die gelungenen Perspektivwechsel...all das lässt mich diese Bücher lieben. Nervig bleiben Füllerpassagen in den auch nicht mal dicken Büchern. Es passiert häufig nicht viel, das die Story vorantreibt, aber umso mehr kann man sich in die spannende Welt fallen lassen, die Sapkowski hier aufgebaut hat.

Der ganz eigene Humor, der häufig subtiler ist, als man es aus Genre-Büchern gewohnt ist, ist Geschmackssache. Für mich ist er die Kirsche auf der Torte.

Listenwahn? Listenwahn:

Der letzte Wunsch 10/10
Zeit des Sturms 6.5/10

Das Erbe der Elfen 8/10
Die Zeit der Verachtung 7/10
Feuertaufe 9/10
Der Schwalbenturm 5/10
Die Dame vom See 10/10

EDIT: Ups, eine Menge meiner Anmerkungen hatte ich schon im Eingangspost geschrieben...aber auch nach dem Genuss des letzten Bandes gelten sie! ;)
Bei mir ist es auch schon sicher 10 Jahre her, seit ich die Bücher gelesen habe, aber ich teile deine Meinung zu 100%!

Die Dame vom See habe ich ebenfalls in guter Erinnerung. Die Schlacht, die aus verschiedenen Perspektiven und sogar mit unterschiedlichen Schreibstilen beschrieben wird, ist eine der besten Fantasy Schlachten, die ich jemals gelesen habe.

Allgemein hat mir an der Serie die Sprache und das mittelalterliche Flair sehr gut gefallen. Fantasy spielt sich zwar sehr oft in mittelalterlichen Welten ab, aber meistens haben die Autoren keine Ahnung davon und beschreiben eher eine Art wilden Westen. Diese mittelalterliche Flair haben auch die Spiele sehr gut eingefangen, während das in der unsäglichen Netflix Verfilmung völlig verloren ging.

Was mich aber am meisten an den Büchern stört, vor allem im dritten und vierten Teil der Hauptserie, ist die eindeutige sexuell-exploitative Gewaltdarstellung an Kindern.
Geht mir genau so. Zusätzlich zieht sich durch alle Bücher ein unerträglicher Sexismus, der nicht dem Setting geschuldet ist. So werden Frauen zum Beispiel viel mehr nach ihrem Äußeren beschrieben (achte mal, wie oft Sapkowski Brüste beschreibt). In der ersten Kurzgeschichte von Schwert der Vorsehung nimmt das ekelhafte Ausmaße an (Frauen stehen Männern zur freien sexuellen Verfügung, Vergewaltigungsfantasien etc)

Mir hätte es zudem besser gefallen, wenn in der Welt die klassischen Zwerge und Elfen nicht vorgekommen wären. Die Anspielungen auf Märchen und Sagen waren unglaublich stimmungsvoll und moderne Fantasystereotypen haben aus meiner Sicht da nicht so gepasst. Aber das ist Geschmackssache.
 
Ich habe die Reihe (inclusive der Kurzgeschichten) auch erst letztes Jahr gelesen.
Der eher rustikale, bzw. ruppige Charme der sich durch die Stories zieht, wurde ja bereits thematisiert.
Ebenfalls markant ist das eher Folkloristische, was Sapkowskis Worldbuilding angenehm von eher westlich geprägter Fantasy Literatur abhebt.
Oftmals fehlt mir bei der gängigen High Fantasy das Bodenständige.
Man verirrt sich in seitenlange Erklärungen diverser Magiesysteme etc.
Dann greife ich in der Regel (mal) wieder zu den Klassikern der Sword and Sorcery Literatur.
Mit der Hexer Reihe gibt es für mich eine wohltuende Alternative.

Ein Listenwahn am Ende...immer gerne:


Der letzte Wunsch 9
Zeit des Sturms 8
Das Schwert der Vorsehung 8,5

Das Erbe der Elfen 8
Die Zeit der Verachtung 7,5
Feuertaufe 9
Der Schwalbenturm 8
Die Dame vom See 9,5
 
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