Anubi - Litauische Kunststudenten machen geiles Zeug

Franz Meersdonk

Deaf Dealer
Ihr kennt das ja alle: Ruhiger Abend, zuause gemütlich abhängen, Kuschelbeleuchtung angemacht, der Rotwein wabert schon im Glas. Und dann kommt die Frage nach dem richtigen Soundtrack. Die ist nicht einfach. Profanatica geht jetzt nicht, da wird der Wein schlecht. Was stimmungsvolles vielleicht? Master's Hammer? Ne, läuft ja ständig. Mal was anderes? Fleurity? Ne, kein Bock auf alte Norweger.

Was bleibt? Klar, Anubi aus Litauen, was sonst. Kennt zwar keine Sau, aber ihr Debut und einziges Album aus dem Jahr 1997 verdient mehr Aufmerksamkeit. Habe das Album selbst erst Anfang der 2000er kennengelernt, war aber sofort enzückt ob dieser exotischen Perle. Die Schnittmenge aus Master's Hammer und Fleurity ist als grobe Verortung schon mal ganz ok. Fleurity sind dabei die stärkere Referenz, da das Album konsequent eine sehr musikalisch-progressive Schiene fährt, das aufgrund der litauischen Lyriks aber auch an osteuropäische Kauzkapellen erinnert. Zudem kommen öfters mal Instrumente wie Harfe und Xylophon zum Einsatz, was mich punktuell wieder an die Arrangements von Master's Hammer denken lässt. Dennoch, das Album ist, in dem was es alles versammelt, völlig eigentständig. Hier und da mal etwas 90er BM Keyboard-Schmacht, der aber aufgrund des hohen kompositorischen Niveaus nicht billig wirkt, dann mal etwas folkige Anleihen, dann wieder Saxophon und Ambient Parts, die mich stellenweise an Bohren und the Club of Gore erinnern. Alles wird zusammengehalten von einem durchgehend tollen Rhythmusspiel von Bass und Schlagzeug, einer sehr eigenwilligen Atmosphäre und dem tollen Spannungsbogen des Albums. Hat sich bei mir über die Jahre jedenfalls nicht abgenutzt und ich bin immer wieder überrascht, was für ein interessantes und vielschichtiges Hörerlebnis die Band damals zustande gebracht hat. Das ganze klingt für mich auch ein wenig nach überambitionierten litauischen Kunststudenten, die einen Riesensack voll Ideen hatten. Da sie das alles ziemlich songdienlich verwursten konnten, wirkt das auf mich aber nur in ganz seltenen Momenten aufgesetzt oder überladen. Unterm Strich ist es vielmehr ein faszinierend und fesselndes Album. Zweite Runde, nächstes Glas.
Kennt das jemand hier? Meinungen? Eindrücke?
Ach ja, Fakten: Album heisst "Kai Pilnaties Akis Užmerks Mirtis" ist auf LP scheissteuer und auf CD auch nicht mehr wirklich erschwinglich, Neuauflage wäre mal angebracht.

 
Das Debut ist grossartig! Dass es davor auch noch was gab, wusste ich gar nicht, danke fuer den Tipp!
 
Klingt sehr spannend, muss mal in Ruhe angehört und verarbeitet werden, aber danke für den Tipp!
 
Zurück
Oben Unten