Konzertlocations: Kuriositäten, Favoriten, Anekdoten

Ich finde es übrigens erstaunlich, dass so wenig darüber gesprochen wird, wie sehr das Deutschlandticket das Konzertgeschehen zusammenrücken lässt. Früher kam immer noch die gar nicht so billige Anreise auf das Konzertticket obendrauf. Inzwischen zahle ich nur noch für das Ticket, wodurch sich die Palette der möglichen Konzertbesuche ein ganzes Stück erweitert – also man zu Konzerten geht, bei denen man früher sagte „ist mir leider zusammen mit der Anreise dann doch zu teuer“.
Da ist was dran. Der Ruhrpott war ja vorher schon regelrecht verwöhnt - zumindest was die flächenmäßige Abdeckung angeht; Qualität der Verbindungen ist wieder ein anderes Thema... Mit der verbreitetsten Dauerkarte "Ticket 2000" konnte man wochentags ab 19 Uhr und Samstag/Sonntag/Feiertag ganztags den kompletten Verkehrsverbund Rhein-Ruhr bereisen, Nord/Süd von Recklinghausen bis Wuppertal, West/Ost von Düsseldorf bis Dortmund.
Inzwischen muss man wochentags nicht mehr beim Blick auf die Uhr abwägen, ob man für Fahrten über den Alltags-Geltungsbereich hinaus ein Zusatzticket holt, eine Bahn später nimmt oder auf kontrollfreie Fahrt hofft (z.B. beim Junkyard Dortmund, wo Wochentags-Shows mit mehreren Bands gerne schon mal um 7 los gehen, durchaus ein Thema). Und an Zielen, die auch ohne Übernachtung erreichbar sind, hat sich der Radius jetzt um Köln und Umgebung sowie Münster erweitert. Die waren natürlich schon vorher erreichbar, und so richtig arm gemacht hat einen das Zusatzticket auch nicht, aber "Scheiß drauf; is' eh schon bezahlt" ist natürlich ein Preis, der die Hemmschwelle für spontane Ausflüge drastisch senkt. Ich denke eher nicht, dass ich ohne diese Möglichkeit z.B. die Niehler Freiheit in Köln (als alternativer Konzertschuppen genutzte Halle im Gewerbegebiet mit 1A Mad-Max-Atmosphäre) oder das JKC Troisdorf (selbstverwaltetes Jugendzentrum in Vereins-Trägerschaft mit AZ-Charme, und ich durfte auch mit Ü50 noch rein, um Sumerian Tombs zu sehen) kennen gelernt hätte.
Passend zum Thread-Thema noch ein paar Links zu beiden Läden:

Niehler Freiheit:
https://niehlerfreiheit.de/

JKC Troisdorf:

Ist jetzt etwas Offtopic, aber ganz kurz: Ich fahre seit vielen Jahren ziemlich viel Öffis und höre schon genauso lange Politiker sülzen, dass die öffentlichen Verkehrsmittel attraktiver werden müssen, ohne dass das bisher je passiert wäre. Das Deutschlandticket ist jetzt zum ersten Mal eine wirklich attraktive Maßnahme und schon heißt es, dass es teurer werden soll oder gar ganz auf der Kippe steht. Man möchte schreien ...
Amen, Bruder!
 
In Bonn war ich bisher nur vor langer, langer Zeit zweimal beim Rheinkultur Festival gewesen. Letzten Samstag bewegte mich dann der Auftritt von Phantom Winter mal wieder zu der etwas längeren Anreise. Das Bla ist wohl genau das Gegenstück zu einem riesigen Open Air Festival: kleine Kneipe.

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Nach einem kurzen Treppenaufgang im Hauseck steht man in einem kleinen Vorraum und kommt dann … in einen fast ebenso kleinen Kneipenraum. So sehr ich kleine Locations in der Regel schätze, dachte ich hier schon erst mal „oha“.

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Viel Platz für Publikum gab es wirklich nicht, wohl eher weniger als 100 Leute. Der Schnitt des Raums ähnelte stark der abknickenden Vorfahrtsstraße. Straße trifft es auch ganz gut, denn bei dem eh schon wenigen Platz drängten sich natürlich die ganze Zeit Leute durch – von der Theke zum Klo und dann wieder zurück.
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Unten der Eingang, links davon die Theke, linkes Ende der Straße die Klos, rechts oben die Bühne.

Na ja. Los ging es mit den Kölner Death-Metallern Mauler. Dachte beim vorherigen Reinhören „jo, ist nicht schlecht“, aber wie so oft kam das live dann schon ziemlich energiegeladen rüber. Schön höhlenmenschige Vocals von einem Hünen, dem man durchaus zutraute, das Gebrüll notfalls auch ohne Mikro unters Volk zu bekommen. Außerdem überraschend agil, denn er begab sich mehrfach ins Publikum und performte einen Song sogar auf der Theke stehend. Ich war zunächst zufrieden.

Dann Phantom Winter. Dass sich vor der Bühne immer wieder Leute vorbeidrückten, denen die Blase drückte, hätte ich ja noch hingenommen. Aber mein Hauptproblem, das sich durch das komplette PW-Set zog: Wo waren die Vocals? Die beiden Sänger wrangen sichtbar ihre Lungen ins Mikro, aber zu hören war die meiste Zeit über fast nichts davon. Schade eigentlich. Ich bin kein Tontechniker (weit davon entfernt) und weiß nicht, ob das an anderer Stelle stehend besser war. Mir ist das bei Konzerten auch fast immer zu doof, mich probehalber woanders hinzustellen (vor allem wenn es voll ist), kann mir aber nur schwer vorstellen, dass es weiter hinten entscheidend besser war. Und hinten stehen ist für mich sowieso meistens keine Option, wenn ich Lust auf eine Band habe.
Sehr schade, die letzten Male hatten PW live immer einen super Sound, aber wie das halt so ist, wenn man von einer Band mehrfach hintereinander umgehauen wird, schleicht sich dann eben doch mal ein schwächerer Abend ein (wobei es nicht an PW lag, sondern an den Umständen). Ging mir letztes Jahr schon mit Godspeed You! Black Emperor so: Mit riesigen Erwartungen von den vorher gesehenen Shows hingegangen und dann (auf ziemlich hohem Niveau) enttäuscht gewesen.

Oder ich erkläre es mit Aberglaube: War das 13. Mal, dass ich Phantom Winter live gesehen habe, vielleicht lag es daran. Ein 14. Mal wird es bestimmt geben, das wird dann wieder gewohnt grandios werden.
 
Bei dem Beitrag fällt mir ein:

Ich habe vor Ewigkeiten (also 2008) mal "Warning" in der "Alten Schlachterei" in Glückstadt gesehen. Ist ja nicht gerade eine Konzertmetropole wo Untergrundbands Massen anziehen und inzwischen gibt es den Laden auch nicht mehr. War aber auch eher eine eher kleine Kneipe. Habe nichts zu dem Auftritt gefunden, aber diese Bilder von einer anderen Band ("Baalmoral", unkenn), die da mal gespielt hat:

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Damit man ein Gefühl für die Größe bekommt. Bei Warning standen auch noch 1-2 Reihen Publikum zwischen Band und Theke. Der Rest stand aus Fotografen Richtung links neben der Theke bzw. hat durch die Tür rechts von der Band zugeschaut oder durch eine weitere rechts im Rücken des Fotografen. Band hat aber alles gegeben und auch recht lange gespielt mein ich, obwohl Patrick Walker wohl krank war und nur bei ständiges Zufuhr von lauwarmen Wasser aus einer Mikrowelle hinter Bar überhaupt weitersingen konnte. Vorband waren "Serpentcult" noch zu "Trident nor Fire" Zeiten. War auf jeden Fall super udn intensiv.

So sieht es wohl heute (?) aus. Das rechte Schaufenster war quasi die Bühnenrückwand:

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Habe keine Bilder dazu, aber die Bessunger Knabenschule ist als Location auch speziell, vor allem wenn das Konzert dort im Keller stattfindet. Fassungsvermögen vielleicht 60 bis 70 Leute. Habe dort Fallen Tyrant und Hyems gesehen, bei überraschend gutem Sound und Bierpreisen wie vorm Krieg. Lustig nur, dass Hyems als Quintett nicht auf die Bühne passten, was sie aber nicht daran hinderte hoellenmaessig zu liefern
 
Habe keine Bilder dazu, aber die Bessunger Knabenschule ist als Location auch speziell, vor allem wenn das Konzert dort im Keller stattfindet. Fassungsvermögen vielleicht 60 bis 70 Leute. Habe dort Fallen Tyrant und Hyems gesehen, bei überraschend gutem Sound und Bierpreisen wie vorm Krieg. Lustig nur, dass Hyems als Quintett nicht auf die Bühne passten, was sie aber nicht daran hinderte hoellenmaessig zu liefern
Die Bessunger Knabenschule in Darmstadt war schon ganz von meinem Konzertradar verschwunden, aber ich habe daran sehr gute Erinnerungen, denn da fand in den 10er-Jahren ein paar Jahre lang immer das tolle Mini-Festival "Halloween of Doom" statt. Eigentlich eher Mini-Mini-Festival, aber immer mit sehr erlesenen Undergroundbands. Da habe ich z. B. Crowskin, Treedeon, Pyramido kennen und schätzen gelernt. Planks haben dort auch gespielt, aber die kannte ich schon vorher.
Meistens fand es in der Halle statt, ist schon länger her, aber das Bild müsste richtig sein:
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Und einmal fand es eben in dem von dir erwähnten kleinen Kellerraum statt.
Bin mir nicht sicher, aber das könnte der richtige Keller sein:
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Toller Auftritt damals von den Schweden Pyramido. Ich weiß gar nicht mehr, ob dort überhaupt eine Bühne war, wenn dann nur minimal erhöht. Das war dort so klein und familiär, ich erinnere mich noch, dass ich in der ersten Reihe stehend aufpassen musste, um beim Headbangen nicht mit dem Kopf des direkt gegenüber stehenden Pyramido-Sängers zusammenzustoßen ... :D

In Darmstadt mag ich noch die von mir schon auf der ersten Threadseite erwähnte Oetinger Villa, das ist auch eine sehr besondere Konzertlocation. Auch dort gab es einige Jahre lang ein tolles Mini-Festival: "Angeschimmelt Yout Crew Fest". Hatte aber eher eine HC/Punk-Schlagseite vom Programm her. Auch immer mit sehr schön gebastelten Eintrittskarten.

Das sind meistens die schönsten Mini-Festivals, die eindeutig nicht des Profits wegen veranstaltet werden, sondern von Leuten, die einfach selbst Fans sind. Leider bestehen solche Mini-Festivals dann meistens nur ein paar Jahre, weil die Veranstalter wahrscheinlich irgendwann nicht mehr die Zeit und/oder Energie dafür aufbringen können.

"Wir Sind Die Toten" in Mannheim ist ein weiteres Beispiel. Super Sache, aber keine Ahnung, ob da nochmal was kommt.
 
Richtiges Kellerbild, richtige Worte. In die Villa gehe ich auch gerne, wenn auch selten. Letzte Mal duerfte Ultha gewesen sein oder so, für 8 Euro, wenn ich mich recht entsinne
 
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