Devil Doll - Mr. Doctors musikalische Fieberträume

Patera

Deaf Dealer
Nachdem über Devil Doll gerade im "Iron Fists"-Unterforum diskutiert wurde, eröffne ich hiermit an passenderer Stelle einen Thread für dieses gleichermaßen ungewöhnliche wie brillante Projekt.

Für User, die Devil Doll nicht kennen: Irgendwo habe ich mal gelesen, dass die slowenisch-italienische Band das musikalische Pendant zu einem Schwarz/weiß-Horror-B-Movie sei - und der Vergleich trifft voll ins Schwarze. Die Basis der Musik stellen ruhige Klavierpassagen dar, die immer wieder unterbrochen werden durch rockige oder symphonische (soundtrackartige) Segmente; darüber hinaus gibt es auch Elemente osteuropäischer Folklore. Und über allem thront der exaltierte Sprechgesang Mr. Doctors.

Stimmungsmäßig ist die Musik meist düster, bisweilen auch traurig - was aber nicht ausschließt, dass die ein oder andere beschwingte, gar fröhliche Passage erklingt. Ohnehin wirkt die Musik Devil Dolls nicht wirklich beklemmend oder tiefernst, sondern hat auch etwas komödienhaftes; auf alle Fälle ist sie ein Hörerlebnis, das von Anfang bis Ende fesselt. Mit Metal hat das Ganze fast überhaupt nichts zu tun; trotzdem glaube ich, dass die Hörer sich zu einem guten Teil aus Metal-Fans zusammensetzen (neben Anhängern symphonischen Prog Rocks und Gestalten aus der "schwarzen Szene").

Kürze ist übrigens ein Fremdwort im Devil Doll-Universum: Das kürzeste Stück Mr. Doctor (auf Eliogabalus) dauert immerhin 20 Minuten (wobei die ursprüngliche Version, die aus Budgetgründen nicht aufgenommen werden konnte, anscheinend 45 Minuten lang war).

Die Geschichte Devil Dolls beginnt im Jahr 1987 mit einer Annonce, mit der der mysteriöse Mr. Doctor Mitmusiker sucht. Der Inhalt lautet folgendermaßen: "A man is the less likely to become great the more he is dominated by reason: few can achieve greatness - and none in art - if they are not dominated by illusion." Die mithilfe der Annonce akquirierten Musiker teilen sich zunächst auf eine slowenische und eine italienische Formation auf, wobei beide 1991 zusammengelegt werden.

Bereits Ende 1987 wird das erste Album The Mark of the Beast aufgenommen. Gemäß den im Internet zu findenden Informationen entwirft Mr. Doctor auch das Cover und lässt 1988 schließlich genau ein Exemplar des Albums pressen. Demgegenüber werden fünf zwischen 1988 und 1995 aufgenomene Alben auch der Allgemeinheit zugänglich gemacht. Beim vierten Album The Sacrilege of Fatal Arms handelt es sich um den Soundtrack des gleichnamigen Films (ebenfalls von Mr. Doctor) und genaugenommen "nur" um eine erweiterte Version des Vorgängeralbums Sacrilegium.

Die Aufnahmen zum Nachfolgealbum gestalten sich - passend zum Titel Dies Irae - äußerst kompliziert: Eine erste Version wird bereits 1993 erstellt. Während des Abmischens bricht im Studio ein Brand ungeklärter Ursache aus. Mr. Doctor und der weitere Produzent Jurij Toni können sich zwar aus den brennenden Räumen retten - die Bänder mit den Aufnahmen müssen sie aber zurücklassen. Was vom Album übrigbleibt, ist ein Tape mit der Rohfassung ohne Gesang. Nachdem sich Mr. Doctor einer erneuten Abmischung zunächst verweigert, wird 1995 schließlich eine zweite Version von Dies Irae komplett neu aufgenommen und 1996 veröffentlicht. Die Veröffentlichung stellt zugleich das letzte Lebenszeichen Devil Dolls dar.

2007 wird das Mysterium um Mr. Doctor zumindest in Teilen enthüllt: Ein gewisser Mario Panciera veröffentlicht das Buch 45 Revolutions (A definitive discography of UK punk, mod, powerpop, new wave, NWOBHM, and indie singles 1976–1979, Volume I) - und bei dem Autor handelt es sich offenbar um Mr. Doctor.

Marco Steinmetz von Prophecy Productions hatte sich vor einigen Jahren die Mühe gemacht, eine mehrseitige Chronologie der Geschichte Devil Dolls zu verfassen (auf die ich mich in meinen bisherigen Ausführungen auch teilweise bezogen habe). Ihm zufolge sollen neben Mark of the Beast (1988), von dem die einzige Kopie nach wie vor im Haushalt Mr. Doctors stehen soll, folgende weitere unveröffentlichte Aufnahmen existieren (Stand ca. 1999):
- Mr. Doctor Sings Hanns Eisler, 1989
- Carnival of Souls, 1994
- The Day of Wrath (Soundtrack), 1995
- The Fall of the House of Usher, 1996
- unbetiteltes Album, 1998
- Six Murderous Suites, 1998


Welches Album braucht man nun von Devil Doll? Jedes einzelne. Aber Vorsicht: Suchtgefahr!

The Girl Who Was ... Death (1989)
Eliogabalus (1990)
Sacrilegium (1992)
The Sacrilege of Fatal Arms (1993)
Dies Irae (1996)

Edit: Auf The Sacrilege of Fatal Arms sind diverse historische Aufnahmen eingearbeitet, darunter auch eine kurze Sequenz aus einem Reichsparteitag der NSDAP. Mir liegen aber keinerlei Hinweise vor, dass die Band mit rechtem oder rechtsradikalem Gedankengut sympathisiert.
 
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In Sachen Horror Musik ist Italien ja sowieso ganz gross (Goblin, Death SS, Jacula, Deviate Damaen, Arcana 13, Antonius Rex uswusw)
Aber Devil Doll ist die Champions League.
Die perfekte Untermalung für alte, gruselige und opulente Stummfilmklassiker.
Mit Metal hat es wahrlich nichts zu tun, aber gerade unter Black Metal Fans des 90er Untergrunds war das damals noch was mystisch-geheimnisvolles.
Ich glaub, ein Laibach Musiker hat Devil Doll zumindest teilweise produziert.
 
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Genau das!


Ich vermute, dass du Jurij Toni meinst. Der zeichnete sowohl für Produktionen von Laibach als auch Devil Doll verantwortlich (kein Wunder, stammen doch beide Bands aus Ljubljana). Mitglied von Laibach war er meines Wissens aber nie.
Ja stimmt, den mein ich. Der war wirklich kein Laibach Mitglied, hat aber ein paar der 80er Jahre Alben produziert oder mitproduziert. Das Nova Akropola Album zumindest, glaub ich.
 
Hab die Alben hier auch stehen, aber irgendwie landen die quasi nie im Player, dabei wirklich ziemlich gut.
 
Devil Doll ist mit so ziemlich die großartigste Musik, die jemals ein Mensch ers(p)onnen hat - absolut riesig, diese Mischung aus Rock, Dunkelheit, Abgedrehtheit, Pomp, Exaltiertheit und komplettem Größenwahn...!
Richtig. Und wenn der nicht wahnsinnig sein soll, wer dann? Deshalb will ich den gar nicht treffen, nicht, dass das noch ein ganz normaler Typ ist, der Simpsons guckt und Fan von... Wattenscheid 09 ist oder so...
 
Devil Doll ist mit so ziemlich die großartigste Musik, die jemals ein Mensch ers(p)onnen hat
Dies.
Würde mein letztes Hemd dafür geben, täte Mr Doctor die bisher geschriebenen Alben nochmal raushauen. Was für Großartigkeiten da schlummern dürften, wenn man die bisherigen Sachen über die Jahre und audiotechnischen Entwicklungen extrapoliert...! :verehr:
 
Dies.
Würde mein letztes Hemd dafür geben, täte Mr Doctor die bisher geschriebenen Alben nochmal raushauen. Was für Großartigkeiten da schlummern dürften, wenn man die bisherigen Sachen über die Jahre und audiotechnischen Entwicklungen extrapoliert...! :verehr:
Bitte dann auch auf Vinyl. Da frag ich mich sowieso, warum der die alten Alben nicht endlich (wieder) auf Vinyl rausbringt. Die sind ja unbezahlbar derzeit. Dies Irae Gatefold geht bei Discogs bei über 600 Euro mal los
 
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Laut der englischen Wikipedia-Seite hat Mr. Doctor in einem 2008 durchgeführten Interview angegeben, dass er weiterhin Musik für Devil Doll schreibt und aufnimmt, aber kein Interesse an einer Veröffentlichung derselben hat. Wir müssen also hoffen, dass er mit so einer Art Max Brod befreundet ist, der posthum (und gegen den erklärten Willen des Künstlers) alle Aufnahmen der Öffentlichkeit zugänglich macht. Bis dahin sitzen wir zwar alle in Rollstühlen, trinken aus Schnabeltassen und vegetieren dahin; ich garantiere aber, dass uns die dann erscheinende 37-CD-Box aus unserem Dämmerzustand reißen wird.
 
Hab einige Alben hier stehen, fantastische, stimmungsvolle Musik. Am liebsten gefällt mir immer noch die ""The Girl Who was...Death". Aber der rest ist auch spannend zu hören. Sicher nix für jedermann und jederzeit, aber eben außergewöhnliche Musik für außergewöhnliche Menschen in außergewöhnlichen Zeiten.
 
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