Die Frage ist doch nach wie vor, warum machen/hören wir Musik? Was berührt uns, was bringt uns zum Weinen, zum Lachen, wie viel Kopf ist da nötig und wie viel von dem etwas Anderem, das nur schwer in Worte zu fassen ist?
Das ist richtig. Hierzu kann ich Adornos Hörtypologie empfehlen:
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Hörtypologie#Theodor_W._Adorno_(1962) (vorsicht, Adorno war Jazz-Feind)
Je nach Vorbildung und Zeit, die man sich zum hören nimmt, hat man unterschiedliche Eindrücke der Musik. Wenn man viel Musik spielt oder neue bewusst hört, aber keine großen Kenntnisse in Musiktheorie hat, weiß man beim Jammen oder Komponieren aber trotzdem, was jetzt kommen kann/sollte (was bei Adorno nicht unbedingt steht).
Bei herkömmlicher klassischer Musik passiert es mir immer seltener, dass ich auflache und mir denke: "Gelungene Wendung, damit hätte ich nicht gerechnet."
Den Begriff 'gottgefällig' kann ich irgendwo nachvollziehen, doch ohne eine breite Zustimmung. Zeitgenössisch betrachtet ist es natürlich klar, dass im 18. Jhd. die Uhr des Kirchenturms überwiegend einen anderen Standpunkt als heute hatte und man die Musik auch aus dem Zwang der Zentralisierung des Besonderen vor und in der Kirche hoch lobte, doch kann ich hier nicht mitgehen und keiner Theorie zustimmen, nach der die expliziten, guten Werke nur aus einem bestimmten, religiösen Grund so gut geworden sind.
Naja, Komponisten des 18. Jahrhunderts waren meist an irgendwelchen Höfen oder gleich in Kirchen beschäftigt. Ihre Musik war damit nicht nur davon abhängig, ob sie "gottgefällig" war, sondern auch dem Adel gefällig. Mit "gottgefällig" meine ich, dass es eben bestimmte Konventionen gab, nach denen Musik zu wirken habe: nicht die "falschen" Skalen verwenden, Dissonanzen sollen aufgelöst werden, der Generalbass bestimmt welche Noten gespielt werden, etc.; noch dazu kam, dass jeder Komponist zumindest hin und wieder ein neues Stück für die Orgel in der Kirche schreiben sollte, oft mit Text (Bergpredigt vertonen, etc.). Das prägt natürlich. Solange Komponisten nicht ständig frei sind, zu schreiben was immer sie und ihre Freund*innen wollen, ist da immer dieser kleine Fürst oder ein Pfaffe im Nacken.
Gut, du hast Bachs Goldbergvariationen genannt: es gab hin und wieder auch bürgerliche Auftraggeber, aber auch die hatten die Hörgewohnheiten ihrer Epoche. Die für Bürger zugänglichen Opern kamen ja erst gegen Ende des 18. Jhds, also eher nach Bach.
Komponisten, die für das Bürgertum komponierten gabs erst im 19. Jahrhundert. Wer dann noch kirchliches Zeug komponierte, sich also einer Kirche anbiederte machte das aus eigenem Antrieb (das sind mir persönlich die lästigsten, aber ich habs nicht so mit der Kirche).
Klerus und Adel als Auftraggeber wurden mit dem Wechsel zum 19. Jahrhundet vom Markt abgelöst (in manchen Staaten kamen noch (Drohungen der) Berufsverbote hinzu; siehe die Zweite Wiener Schule während des NS oder Schostakovitsch und Prokofjew unter Stalin). In Zeiten, in denen Käufer*innen lust auf was neues haben, fördert das natürlich die Kreativität. In anderen Zeiten ist alles was komponiert wird derselbe brei.
Ich kenne mich mit 12-T. nicht gut aus, aber ich bezweifle sehr, dass ich dort vergleichbare Emotionen finden werde, die ich z.B. bei Nocturnen von Chopin, der siebten Ludwig Sinfonie, der Winterreise (man kann sie nicht oft genug hervorheben) von Schubert und so unglaublich vielen anderen erleben werde. Dennoch lasse ich mich gerne mit konkreten Beispielen vom Gegenteil überzeugen.
Das ist schwer zu vergleichen. Vielleicht den Op. 11 von Schönberg (3 Klavierstücke) aus der atonalen Periode und Op. 42 (Klavierkonzert) aus der zwölftonigen Periode (für beide gibts Aufnahmen von Glenn Gould). Und Gustav Mahlers 9. Symphonie (im Grunde auch atonal).