So unbestritten es ist, dass ein Fan, der sich für viel Geld eine limitierte Auflage kauft, für diesen finanziellen Einsatz auch ein besonders schönes, besonders wertiges und besonders aufwendiges Produkt bekommen soll, und so unbestritten es ist, dass jede Band und jedes Label der Welt das fundamentale Recht haben, ihre Produktpalette so zu gestalten, wie sie das gerne möchten, so stellen sich mir in diesem Zusammenhang doch drei Fragen, die sich um die Frage des musikalischen Mehrwertes und darum drehen, dass es als unfair gesehen wird, dass die Käufer des teuren Produkts nicht nur eine Deluxe-Aufmachung bekommen, sondern auch mehr musikalischen Inhalt, in einer Weise als bekäme der Käufer des Hardcover-Books gegenüber dem Paperback-Käufer nicht nur ein schöneres und schwereres Buch, sondern auch als einziger alle Kapitel:
1.
Ist es dem Label und seinen Bands nachvollziehbar, dass es für viele Fans einer Band sehr typisch ist, dass diese sehr gerne zumindest alle eigenständigen Songs (also abgesehen von Liveversionen, Remixes, Alternativversionen, Demoversionen) ihrer Lieblingsband kennen, hören und nach Möglichkeit auch auf einem regulären Tonträger besitzen möchten?
2.
Falls ja: Ist es dann im Sinne des Labels und der Bands, dass der größere Teil der Fans dieser Band entweder durch die Limitierung des Releases oder durch seinen hohen Preis, daran gehindert werden, das gesamte musikalische Schaffen ihrer Lieblingsbands in dieser Weise kennen zu lernen, wenn ein teures, limitiertes Produkt exklusive Bonustracks hat?
3.
Ist man nicht der Meinung, dass es sowohl den Interessen der Band (Zufriedenheit des größten Teils der Zielgruppe statt nur des reichsten Teils der Zielgruppe) als auch den Interessen der Fans besser entspräche, wenn man zusätzliche Features einer teuren, limitierten Auflage nicht in Form unveröffentlichter Bonustracks, sondern eben ausschließlich im Bereich der Aufmachung und der Gimmicks bereitstellen würde? Der Proletarier und der Hungerleider unter den Fans könnte trotzdem die ganze musikalische Palette kennenlernen, und der elitäre Genussmensch und dekadente Edelfan könnte sich an einem Weihrauchfass mit Bandlogo, samtigen Einbänden und eigens kreierten philatelistischen Faksimiles und Postkarten im Retrolook erfreuen.
Addendum:
Dies ist kein Prophecy-Spezifikum, sondern ein Problem, das alle Labels und Bands betrifft, die Bonustrack-Editionen anbieten; aber wenn die Edition mit den Bonustracks nicht nur einen oder zwei Euro mehr kostet, sondern 10 oder 20 plus x, dann stellt sich die Frage umso deutlicher.
Zum Thema Bonustracks jetzt ein längerer Text. Ich hoffe, er bringt unsere Sicht einigermaßen verständlich rüber.
Bonustracks
Als Fan und Musik-Käufer sind mir folgende Dinge wichtig:
· Die ersten Auflagen eines Tonträgers sollten die höchstwertigen sein. Bereits vorab geplante Nachauflagen mit Bonustracks, z.B. „Tour-Editionen“ sind Geldschneiderei und nie unser Ding gewesen.
· Ich möchte Preise stabil halten und finde es nicht gut, wenn Titel kurz nach ihrer Veröffentlichung rabattiert angeboten oder verramscht werden. Wenn Preise zu stark gesenkt werden, fühle ich mich nicht wohl, weil man den treuen Erstkäufer dadurch hinters Licht führt.
·
Bonustracks bei limitierten und höherwertigen Produkten: Ich halte grundsätzlich nichts davon, ein Album in „beschnittener“ oder „aufgeblähter“ Form herauszubringen. Es soll exakt so gehört werden, wie der Künstler es geplant und konzipiert hat. Deshalb soll die Veröffentlichungsform seine Vision möglichst genau widerspiegeln.
Wirtschaftlicher Zusammenhang:
Der Künstler ist am Umsatz der Aufnahmen beteiligt, Textdichter/Komponisten ebenfalls über eine Verwertungsgesellschaft wie die GEMA. Ihr (Künstler/Autor) Anteil beträgt i.d.R. 25% bis 40%.
Auch Kosten für Promotion, Marketing, Herstellung, Personal, etc. müssen in der Gesamtrechnung berücksichtigt werden.
Oft gibt es einen Vorschuss auf die prozentuale Beteiligung, der ausbezahlt wird, sobald der Künstler ihn z.B. für Aufnahmen benötigt, und ist nicht rückzahlbar, egal wie das Album verkauft.
Fragt der Künstler: „Welchen Vorschuss können wir für unser geplantes Album bekommen?“, erwidern wir: „Was genau könntet ihr anliefern, mit welchem Material können wir Formate planen?“
Dann erstellen wir eine Umsatzkalkulation für verschiedene Konfigurationen. Welchen Umsatz kann man mit CD und LP erzielen, welche Formate bieten sich für den Künstler zusätzlich an, welchen Umsatz könnte man damit erzielen? Das läuft sehr transparent ab.
· Letztendlich steht das Label also immer im Dialog mit dem Künstler. Der darf völlig frei entscheiden, wie viele Stücke er aufnimmt und ob neben dem Album es noch Bonustracks gibt.
· Bonustracks sind demnach kein Teil eines Albums. Meistens handelt es sich um Aufnahmen, die der Künstler bewusst nicht auf dem Album haben möchte. Gäbe es die limitierten Formate nicht, würden sie gar nicht veröffentlicht, und umgekehrt würden limitierte Formate nicht nachgefragt, wenn sie keine Bonustracks enthielten. Darum bekommen etwa auch Journalisten sie nicht vorab. Alle Prophecy CDs and LPs sind komplette Alben und keine „amputierten“ Versionen des „richtigen“ Gesamtwerks.
· Deshalb kommt es auch vor, dass wir Bonus-CDs mit nur einem zusätzlichen Song machen. Der zweite Grund dafür sind niedrigere Herstellungskosten, die uns erlauben, das Produkt günstiger anzubieten, wenn beispielsweise eine hohe Auflage Album-CDs und eine niedrigere mit dem Bonustrack zusammen wesentlich billiger sind als zwei niedrige Auflagen.
· Sehr wichtig ist unser Webshop, wo wir Produkte direkt an Fans verkaufen können, direkten Kontakt haben und Feedback erhalten. Davon abgesehen ist der Vertrieb über Dritte teuer, denn Anbieter wie Amazon verlangen sehr hohe Rabatte. Über den Webshop setzen wir fast ausschließlich die limitierten Formate ab. Standardformate verkaufen sich so gut wie gar nicht im Webshop, selbst wenn es keine limitierten Formate gibt. Bei den limitierten Formaten trägt also eine kleine Gruppe von Fans überproportional zur Finanzierung bei.
· Die Folgen des Verzichts auf limitierte Auflagen wären ein geringerer Umsatz und somit auch eine geringere Beteiligung des Künstlers. Er erhält dann einen niedrigeren Vorschuss, der sich womöglich auf die Qualität seiner Aufnahmen niederschlägt. Wir als Label würden weniger Umsatz im Webshop machen und könnten uns finanziell vielleicht nicht mehr selbst tragen.
· Meine Erfahrung zeigt auch, daß die Bonustracks nur für eine sehr kleine Zahl von Fans wirklich wichtig sind. Wir stellen die zusätzlichen Stücke z.T. auf Streaming- und Downloadplattformen zur Verfügung. Die Umsätze sind hier unter 5% von denen eines Album-Tracks.
Wie soll sich ein Label unserer Größenordnung also finanzieren, ohne dass sich Kunden mit Standardeditionen unzufrieden fühlen? Sind sie das überhaupt oder beschränkt es sich auf eine Minderheit: Indem man auf Gimmicks statt Bonustracks setzt, um limitierte Editionen besser verkaufen zu können? Ich mag Käsehobel, Schnapsgläser, Gasmasken oder Lanyards nicht, sie widersprechen meinen Vorstellungen von einem Gesamtkunstwerk.
Was würdet ihr vorschlagen? Wie könnte man es besser machen?
Generell:
Prophecy Productions soll kein elitärer Club sein und ich strebe bei Prophecy keine „Zweiklassenpolitik“ an, im Gegenteil:
Beim Prophecy Fest z.B. habe ich Wert daraufgelegt, VIPs und Künstler nicht vom Publikum abzuschotten. Es gibt kein VIP Zelt und der Backstage-Bereich ist so klein, daß sich dort niemand gerne lange aufhält.
Alle – Fans, Künstler, VIPs, Label - sollen zusammen ein Fest feiern.