Ich bin in der Konsequenz wohl eher bei dir (auch wenn ich Missgunst und das Gönnen für völlig deplaziete Begriffe halte; beides ist da wohl kaum im Spiel). Mir ging es aber tatsächlich um die reine Begrifflichkeit (deswegen auch der Anhang in Klammern), da ich finde, dass der Beweggrund durchaus ausschlaggebend ist (mich wundert es sogar, dass Du als Jurist so sprichst). Um mal eine alte Freundin zu zitieren: "Ich bin in der Tat heute der Meinung, daß das Böse immer nur extrem ist, aber niemals radikal, es hat keine Tiefe, auch keine Dämonie." Überzeugung hat das schon. Auch wenn die Tat und ihre Folgen nicht akzeptabel sind. Der Vorwurf der banalen Bösartigkeit wird einer solchen Tat einfach nicht gerecht, in der ich auch keinen Spass, Neid oder Freude erkennen kann (auch nicht bei Jenal und so weiter). (Und nein, ich rechtfertige hier nichts.) (Bitte, bitte nicht so viel von die Moral reden. Das ist immer problematisch und so verflucht unbestimmt, denn auch der Geschädigten nimmt für sich eine solche in Anspruch (überhaupt weiß man nicht erst mit Nietzsche, dass der Moralkritiker selbst Moralist ist). Am besten in solche Diskussionen den Kontainer "Moral" umschiffen und konkrete bennen, was die Protagonisten bewegt. Macht so eine Diskussion auch gleich konkreter.)
Tut mir leid, aber mir fallen dafür keine anderen Begriffe ein, die treffender wären. Irgendwie sprechen wir doch unterschiedliche Sprachen, deucht mir.
Ich finde schon, dass das viel mit Missgunst und Gönnen zu tun hat (nicht aber mit Neid), denn ich gehe einfach (weniger als Jurist als vielmehr als Wortsinn-Liberaler) von dem Axiom aus, dass jeder tun und lassen kann, was er will, so lange er dadurch nicht die Rechte anderer verletzt oder danach trachtet, anderen dieses selbige Grundrecht zu nehmen. Diese freie Entfaltung der Persönlichkeit gönne ich tatsächlich von Herzen
jedem Menschen, der die Rechte der anderen respektiert. Die Rechte anderer einschränken zu wollen, deren freie Entfaltung der Persönlichkeit nicht den eigenen
Moralvorstellungen entspricht, ist für mich tatsächlich primär die Missgunst, anderen das nicht geben und gönnen zu wollen, was man für sich selbst in Anspruch nimmt. Für mich ist das der Inbegriff der Missgunst, auch wenn dahinter eine weitere politische Motivation stehen mag, über die man oft nur mutmaßen kann.
Der Begriff der "Moral" ist vorstehend natürlich ein Allgemeinplatz, allerdings ein bewusst gesetzter, denn er sollte ja Platzhalter für alle Kreise sein, die sich dazu berufen fühlen, aufgrund abweichender Vorstellungen von richtigem und falschem Verhalten gegen andere zu agitieren. Mir ging's ja nicht speziell um HSB, sondern auch um Sea Shepherd, um Jenal, um den Typen mit "Rockmusik ist Teufelswerk", um die Black-Metal-Boykotteure der Früh-90er usw...
Was bei den Týr-Gegnern konkret dahinter steckt? Tierschutz? Vorgeschobenen oder nicht vorgeschobenen? Kann man ihnen glauben, kann man ihnen nicht glauben. Ich neige nicht dazu, Leuten überhaupt irgend etwas zu glauben, die mit solchen Mitteln arbeiten. Aber ich bin nicht ihr Richter, der in der Tat die Motivation im Detail erforschen müsste, um ein Urteil zu fällen, sondern ich bin nur ein Beobachter, noch dazu ganz ausdrücklich
kein neutraler, der sieht, dass eine Band aufs Übelste geschmäht und beschädigt wird, die er sehr gerne hat. Es kommt mir hier tatsächlich nicht darauf an, was ich glaube, welche Motive die Týr-Gegner haben, sondern für mich steht halt das Ergebnis, dass jemand verletzt wird, der hierfür keinen Rechtfertigungsgrund geliefert hat. Und selbst wenn ich unterstelle, dass ihnen ihr Tierschutzargument (oder der Jenal der Jugendschutz) ernst ist, ändert das hier nichts an meiner Bewertung des Ergebnisses, denn für eine Rechtfertigung reicht's halt nicht aus.
Daher nehme ich mir das Recht, die jeweiligen Aktionen für hasserfüllt, missgünstig und boshaft zu halten. Über die Täter selbst mag ich nichts sagen, denn ich kenne sie nicht. Gleichwohl werde ich niemanden dazu auffordern die Band zu boykottieren, ihre Konzerte zu stören, sie von der Tour zu schmeißen oder ihre Alben bei Musiksammler zu sperren. Soll jeder machen, was er es richtig findet.
Ich würde weder die Argumentationslinien zum Gegenstand des Walfangs (der entweder ein Walabschlachten, ein Massaker oder eben eine altehrwürdige Tradition eines selbstbestimmten Völkchens sehen) hier nicht in eine repressive Hierarchie einordnen, die schon a priori die Position eines Unterdrückten und eines Unterdrückers, eines Täters und eines Opfers festschreibt; vielmehr sehe ich hier zwei Erzählungen (die aufgeklärte von der Rationalität und Leidensvermeidung und die ebenso aufgeklärte um das Wissen um kulturelle Besonderheit) um die Deutungshoheit eines Phänomens streiten, das tatsächlich wohl stellvertretend für jene grundsätzliche Antinomie zu sehen ist, die die westliche Moderne bzw. Spätmoderne kennzeichnet: Universalismus vs. Partikularismus. Gerade weil dieses Thema in so vielen Manifestationen der sozialen Wirklichkeit so hitzig diskutiert wird, es aber gleichzeitig grundsätzliche philosophische, politische Entscheidungen betrifft, würde es allen Seiten anschicken, verbal abzurüsten um tatsächlich auf eine differenziertere, vielleicht auch allgemeinere Ebene zurückzufinden, um zu begreifen, was hier auf dem Spiel steht und aus welcher Perspektive die suspendierte Argumentation jeweils tatsächlich stammt. Begriffe wie Faschismus aber auch der Vorwurf der blinden politisch korrekten, autoritären Bevormundung sind ebenso Kampfrhetorik wie pejorative Äußerungen über Unaufgeklärtheit oder kulturelle Barbarei; sie sind Ausdruck einer problematischen, die Gesellschaft spaltenden Antagonistik, die wieder an den Tisch des differenzierten wie allgemeineren widerstreitenden Diskurs zurückfinden muss, will sie nicht selbst der Barbarei, die sie den anderen jeweils zeiht, zurückfallen.
Insoweit gibt es keine Widerworte von meiner Seite. Man darf an dieser Stelle durchaus Herrn Joensen dafür loben, dass er in seinem ausführlichen Statement nicht in diese Antagonistik verfällt, derer sich viele seiner Fans befleißigen, sondern sehr sachlich und unaufgeregt über die Problematik aus färingischer Sicht berichtet, um das von ihm gezeichnete Bild des blutrünstigen Walschlächters zu korrigieren. Wie gesagt: Ich gebe dir absolut Recht, dass die Antagonistik nichts bringt, ich hab nur gesagt, dass ich sowohl die Reaktionen als auch die hierzu herangezogene Wortwahl zwar nicht richtig, aber in der kurzfristigen Emotionalität verstehbar finde. Wenn man das dauernd so sagt, okay, dann ist's doof. Man soll schon noch reflektieren. Ich kann da allerdings nicht verhehlen, dass mein erstes Wort der Wahl auch "Ökofaschisten" war, als die Konzertabsagen wegen der Sea-Shepherd-Aktionen publik wurden, da ich - der ich gerne zu einem der Gigs gegangen wäre - mich akut und unverschuldet durch die Aktivisten in meiner Entfaltung meiner Persönlichkeit beeinträchtigt sah und mich direkt mit der Band solidarisierte. Am Ende wurde dann in der offiziellen Formulierung "militante Tierschützer" daraus, was natürlich präziser und sprachkulturell vorzuziehen ist.