♠ Every Month is MOTÖRMONTH! ♠

Ach ja, der große Bruder. Irgendwann 1983 habe ich dann auch die Ace of Spades gekauft (dazwischen noch die französische Beer Drinkers and Hell Raisers LP) und natürlich ist der große Bruder besser, schöner und beliebter.
Ich ketz jetzt mal ne Runde rum!
Wenn es darum geht welche Scheibe ich mir (am Stück) lieber gebe, nun es gibt Zeiten da ziehe ich IRON FIST vor.
Sicher, auf Ace... ist "der Superhit" der Band vertreten, trotzdem...

:top:@Prodigal Son :top:
 
Zuletzt bearbeitet:
Iron Fist

„Der kleine Bruder“

Auch Superstars, die mega-erfolgreich sind, superreich, blendend aussehen und von allen bewundert werden, haben oft Brüder. Wenn es große Brüder sind, erzählen sie jedem gerne, wie der Bruder sie inspiriert und unterstützt hat. Wenn es kleine Brüder sind, dann werden diese auch mal zu einem Fototermin mitgenommen, aber dann von allen links liegen gelassen und geraten in Vergessenheit.

Es gibt aber Menschen, die den kleinen Bruder zuerst kennen gelernt haben, mit ihm viel Zeit verbracht haben und die, trotz seiner Macken und Fehler, mit ihm eine tiefe, lebensverbindende Freundschaft geschlossen haben.

Irgendwann im Jahr 1982, ich war gerade 11 geworden und hatte bereits AC/DC, Foreigner und Judas Priest zu Ohren bekommen, ist mir im örtlichen Elektrofachmarkt (Einzelhändler mit 2-3 Plattenregalen mit aktuellen Bestsellern) unter dem ganzen NDW-Kram ein Cover mit einer Eisenfaust ins Auge gesprungen. Ich hatte den Namen Motörhead schon vernommen (sicherlich in der Bravo), also gleich mal an der Servicetheke reingehört und war sofort fasziniert, weil das so viel fieser war, als alles was ich zuvor gehört hatte (von Priest kannte ich nur die eher softe Point of Entry). Also Taschengeld zusammen gekratzt und ab nach Hause mit dem brutalen Brocken. Im Innencover dann drei Typen mit Schwertern und furchteinflößenden Eberkopfmasken - da konnte Lemmy noch so sehr behaupten, dass er Rock'n'Roll macht, das war mehr Metal, als ein 11-jähriger 1982 jemals zu Gesicht bekommen hatte.

Hier der Beweis:


Rock'n'Roll für einen 11-jährigen im Jahr 1982


Kein Rock'n'Roll für einen 11-jährigen im Jahr 1982

Wie gesagt, zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass diese Platte einen großen Bruder hat, den alle Welt für den Allergeilsten hielt.

Und so ging es los mit dem Titelsong, der extrem losgeballert hat und mir musikalisch die Türen für alles, was in den Jahren danach an Speed- und Thrash-Metal kam, geöffnet hat. In der Rückbetrachtung und im Vergleich zum Titelsong des großen Bruders ist Iron Fist (der Song) nicht nur musikalisch (wie bereits Overkill oder Ace of Spades), sondern nun auch textlich Proto-Thrash-Metal: "Dark Night nothing to see, invisible hand in front of me. Scared to death, there's someone near, scared to move, but you can't stay here". So was hätte Elvis niemals gesungen. Einen Text übers Zocken schon eher. Tom Angelripper sei mein Zeuge.

"…and I'll tell ya something else"

Aber das war dem 11-jährigen Prodigal Son natürlich noch nicht klar, weil Englisch erst mal gelernt werden musste. Und was hilft da mehr als ein Textbeileger? Was Lemmy mit all dem meinte, habe ich natürlich nicht verstanden, selbst mit Nachschlagen der Vokabeln blieb mir vieles verborgen….außer der Text von (Don't Need) Religion. 1983 stand die Firmung an, aber trotz erzkatholischen Umfeldes wollte sich der Glaube nicht so recht einfinden bei mir. Dieser Songtext war der erste, der mir so richtig aus der Seele gesprochen hat und auch 35 Jahre später hat sich an der Einstellung nichts geändert (gefirmt wurde ich trotzdem, es gab Geschenke - eine Entscheidung auf die ich nicht gerade stolz bin). Alleine dadurch wird Iron Fist niemals der kleine Bruder sein, sondern ein Freund, der mich verstand und mir Rat und Hilfestellung gab. Und auch im Nachhinein finde ich die zerbrechlicheren, menschelnden Texte von Heart of Stone, Loser, Go To Hell oder eben (Don't Need) Religion näher an mir dran als die Dicke-Hose-Lyrics des großen Bruders in Ace of Spades, Love Me Like A Reptile oder Live To Win.

Einige Songs wie Sex and Outrage, America oder Bang To Rights haben, vor allem im Kontext später gehörter Motörsongs (und auch des großen Bruders), im Lauf der Zeit doch ein wenig verloren, aber mit dem Titelsong, I'm The Doctor, Heart of Stone, (Don't Need) Religion und Loser (die letzte Minute!) sind immer noch viele meiner Favoriten auf dem Album. Außerdem die größte versteckte Motörperle aller Zeiten. Welche das ist? Natürlich Go To Hell - sollte ich das jemals in der Öffentlichkeit hören, kann sich der DJ meiner lebenslangen Huldigung und für den Abend Freigetränken sicher sein.

Ach ja, der große Bruder. Irgendwann 1983 habe ich dann auch die Ace of Spades gekauft (dazwischen noch die französische Beer Drinkers and Hell Raisers LP) und natürlich ist der große Bruder besser, schöner und beliebter. Aber für mich war Ace of Spades halt nur der große Bruder meines besten Freundes, der sich selbst als Loser bezeichnet, ein paar Drogen zu viel nimmt und mit den Frauen nur Streß hat, aber mir einen wichtigen Rat fürs Leben mitgegeben hat. Und der noch ältere Bruder des "Superstars" ist sowieso der coolste der ganzen Familie, aber Overkill habe ich erst viel später kennen gelernt.

Leider hat auch "Papa" Lemmy seinen kleinen Bastard Iron Fist nicht sonderlich geliebt. Der Titelsong war zwar der erste von mir live gehörte Motörsong (sehr spät, erst 2008), aber außer jenem hat Lemmy keinen der Songs nach 1985 jemals wieder live gespielt (zumindest laut setlist.fm) und auch Iron Fist habe ich auf den folgenden Konzerten nie wieder gehört.

Objektiv und aus heutiger Sicht betrachtet ist natürlich der Sound im Vergleich zu den Vorgängern schwächer, das Songwriting hat unter dem Streit zwischen Lemmy/Philthy und Fast Eddie etwas gelitten und auch die konsumierten Drogen merkt man dem Album stärker als den Vorgängern an, aber es bleibt nun mal das letzte Album der klassischen Besetzung und zumindest macht Fast Eddie nochmal deutlich, dass er ein entscheidender Baustein für den Sound Motörheads war. So sympathisch und mannschaftsdienlich Phil später gespielt hat, sind in der Eddie-Phase die Songs, auch wegen der Gitarrenarbeit, eigenständiger und unterscheidbarer.

Mit den oben genannten 6 Songs für meine ewige Motörhead Playlist bleibt deutlich mehr übrig als bei allen späteren Alben, sowie das angenehme Gefühl, mich hin und wieder mit einem uralten Freund für knapp 38 Minuten auf ein Bier zu treffen und in Erinnerungen zu schwelgen.

Sehr cool:top: Der nächste spannenden Erlebnisbericht:) Richtig geil ist ja mal das Foto der 3 "Krieger" - das kannte ich noch gar nicht!

Iron Fist ist bei mir ein häufig etwas unterbewertetes Album, ich höre es nur 1x die Woche:D Faves: Titelsong, Heart Of Stone und Speedfreak.
Mit dem "kleinen Bruder" triffst Du es komplett auf den Kopf.
 
Sehr schöner Beitrag! Danke @Prodigal Son!!!

"...da konnte Lemmy noch so sehr behaupten, dass er Rock'n'Roll macht, das war mehr Metal, als ein 11-jähriger 1982 jemals zu Gesicht bekommen hatte." - grooooßartig!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! :top::top::top:

Bzgl Iron Fist und "dazugehörigem (Mini)Patch": wenn man damals die Ecke der Innenhülle abgeschnitten hatte und an die Plattenfirma(!?) geschickt hatte, dann bekam man per Post 2 Miniaufnäher zugeschickt (siehe Foto) - diese Tatsache hatte ich schlicht und ergreifend vergessen - bis wir vor 1-2 Jahren während eines Festivalwochenendes in einem Restaurant zu Mittag aßen und aus der gegenüberliegenden Ecke des Restaurants auf einmal ein (mir komplett unbekannter) bekutteter Metalfan freudestrahlend auf mich zu kam, mich umarmte und wir kurz in Motörhead-Erinnerungen schwelgten (wobei er mich eben auch an diese "Coupon"-Einsendegeschichte erinnerte...)...

image.php

dsc02358-zoomfcene.jpg
 
Schönes Review, Prodigal Son! Ich hatte ja bereits angedeutet, dass Iron Fist bei mir neben Bomber in den letzten Jahren am meisten gewachsen ist. Ich liebe das "punkige" Element der Scheibe, das hier noch stärker hervortritt als bei anderen Veröffentlichungen. Die meisten Songs sind schnell, rauh und aggressiv, was sie auch zu einer perfekten Auto-Platte macht. Die bluesigen Elemente, die ja auf Another Perfect Day wieder fester Bestandtteil des Band-Sounds werden, fehlen hier fast vollständig. Selbst (zunächst) unauffällige Stücke wie "Sex and Outrage", "Go to Hell", "Loser", "Speedfreak" und das geniale "(Don't Let) Them Grind Ya Down" möchte ich mittlerweile in keinem Best Of mehr vermissen. Der Titeltrack bleibt dabei eines der mächtigsten Stücke der Diskografie, ach was, des ganzen Genres! Definitiv in meiner MOTÖRHEAD-Top 10.
 
So nun bin ich auch endlich bei der aktuellen Platte im Motörmonth angekommen.

No sleep: Die habe ich damals von meinem Bruder auf Tape bekommen (B-Seite: Nö sleep at all), im nachhinein haben diese rauhen Darbietungen der alten Songs dafür gesorgt meinen Frieden mit dem Frühwerk der Band zu machen. Dem pubertierendem Mondkerz, war dass bis dahin alles zu soft.

Iron Fist: Schon schwächer als der Vorgänger, aber in seiner Gänze allen Platten vor der AoS deutlich überlegen. Den Titelsong habe ich als erstes in der Interpretation von Sodom gehört und ist bis heute eine der wenigen Coverversionen die ich mag. Die Platte wird allgemein zu wenig gehuldigt, enthält sie doch mit Iron Fist, I'm the Doctor, Sex & Outrage, (Don't need) Religion und dem alles überragenden America Unmengen an Hits.

Danke @comanche und @Prodigal Son für die tollen Besprechungen.
 
Gerade bei yt drüber gestolpert:


Ich wusste bis eben gar nicht dass es einen Videoclip zu Iron Fist gab.
 
Gerade bei yt drüber gestolpert:


Ich wusste bis eben gar nicht dass es einen Videoclip zu Iron Fist gab.
Einfach nur kultig - geil:):verehr: Die Zahnraffel von Lemmy... das damals noch echt gefährliche (aussehende) Publikum, die Spielfreude dieses Trios. Drei unersetzliche Originale... was vermisse ich sie:hmmja:
Kurz in den Eingangspost gelünkert: dann ist morgen auch noch APD dran - das erste Album ohne Fast Eddie... ich vorfreue mich trotzdem darauf, von Dir @Fallen Idol 666 zu lesen:jubel:
 
Zurück
Oben Unten