Hallo
@Ernie,
vielen Dank für dein neues Video zu Deathcore, bzw. Lorna Shore. Ich finde es immer schön, wenn man mich aus meiner Komfortzone rausholt und mich so zu neuen Denkansätzen bringt. Ich möchte mit diesem Post auf ein paar Punkte von dir, die du in diesem Video angesprochen hast, eingehen. Dazu möchte ich mit einer kurzen Geschichte beginnen, wie ich zum Metal gekommen bin und wie ich ihn zu meiner Anfangszeit wahrgenommen habe.
Ursprünglich kam ich zum Metal durch den Austausch von mp3-Dateien auf einer LAN-Party. Dort wurde mir SUM 41, The Offspring usw. zugespielt, womit sich meine Gier nach härteren Klängen, bzw. der Weg dazu geebnet hat. Durch meine erste Freundin lernte ich bspw. Belphegor kennen, aber auch Sachen wie Emil Bulls, Annisokay, Killswitch Engage & Vitja, welche man allesamt dem Metalcore zusprechen könnte. Somit durchstreifte ich in meiner Anfangszeit der härteren Klänge mehr im Metalcore / Deathcore Kosmos. Ich ging auf viele Konzerte, kleidete mich der Szene entsprechend und war auch manchmal in den Pits anzutreffen, wo man von Emotionen geleitet um sich schlägt und holte mir dort auch deshalb ab und an eine blutige Nase.
Diese Zeit hat mich sehr geprägt, da ich eben die gewisse Extremität des Metalcores komplett verinnerlicht habe. Ich fuhr auf sehr viele Konzerte, manchmal auch über zwei Stunden mit dem Zug, um eben diese Bands zu sehen. Grade Vitja in ihrer alten Zeit haben es mir sehr angetan und könnte man dem - wie von dir im Video angesprochenen - Djent zuordnen. Für mich war das Ganze der Ausbruch aus einer schweren Zeit, da ich ja grade aus der Schule kam und jahrelanges Mobbing hinter mir hatte. Jedoch: Dieser "Impact" wie du es bei deiner Erfahrung mit der ersten Emperor hattest blieb, wenn ich jetzt mal zurückdenke, komplett aus. Klar, ich brannte für dieses Genre, die Szene und die Wut, die ich dabei empfand. Aber ein so heftiger Auffänger wie es eben der Black oder Doom Metal für mich ist, war es zu keinem einzigen Zeitpunkt.
Ich frage mich wirklich woran das liegt. Ich hätte auch absolut kein Problem damit gehabt in dieser Szene und mit den Genres Death- und Metalcore bis an mein Lebensende glücklich zu werden. Es gibt sicher Leute bei denen das so sein wird und ich gönne es eben jenen auch. Ich schreibe hier auch nur halbe Buch, weil ich eben beide Seiten kenne und schon erlebt habe. Deshalb möchte ich auf meinen (deinen "In the Nightside Eclipse-Moment) Changing-Point eingehen, der bei mir alles umgekrempelt hat.
Ich lernte einen meiner besten Kumpel auf nem ganz kleinen Konzert in der Nachbarstadt bei uns kennen, wo lokale Bands aus verschiedensten Genres aufgetreten sind. Da waren Sachen dabei wie Instrumental, Indie, HC Punk, aber auch Metalcore, weshalb es mich dort hinzog. Mein Kumpel war dort mit seinem Gitarrenlehrer und aus irgendeinem Grund kamen wir ins Gespräch. (Ich glaub es lag am Sumpfkraut, weiß aber nicht mehr genau.) Er scannte mich und sagte zu mir: Kommst ma vorbei, hörn wa Platten, saufen uns zu, joa. Irgendwann kam ich ihn besuchen, wir öffneten unser Bier und er legte "Gateway to the Antisphere" von Sulphur Aeon auf. Ich saß wie versteinert da.
Solch eine Brachialität habe ich noch nie gehört und alles, wirklich alles faszinierte mich an der Musik. Der Sound, die Riffs... es war was komplett Neues für mich, extrem von vorne bis hinten, eine Atmosphäre, die dich komplett einsaugt. Und genau solch eine Erfahrung hatte ich mit dem Metalcore/Deathcore nie gehabt.
Für mich war der Underground damals komplett unbekannt. Ich hatte keine Ahnung, wieviel Musik es wirklich gibt und was für unterschiedliche Genres. Ich war eben mit den Bands die ich geliebt habe zufrieden und erfreute mich mehr, mal was auf nem Konzert zu entdecken oder, so wie ich es damals noch machte, durch Wikipedia-Einträge der jew. Genres. Es eröffnete sich quasi eine neue Welt für mich, uff wie pathetisch, naja zu Lorna Shore:
Ich habe mir den Song "To The Hellfire" nun zwei Mal angehört. Und auch wenn ich eine gewisse Offenheit zu anderen Genres und eben meine Vorgeschichte habe, muss ich sagen, dass mich dieser Song nicht wirklich packt. Das "symphonisch, brachiale" wie du es beschreibst erkenne ich darin einfach nicht. In der Tat ist für mich eher mein Album des Jahres 2022 "symphonisch brachial", nämlich die neue Ateiggär, aber hab ja im Video gesehen, dass du die auch inner Sammlung hast. (Diese Info grade war komplett
irreleveant relevant.) Wahrscheinlich habe ich einfach nicht (mehr) die Rezeptoren für sowas, keine Ahnung. Aber mich nimmt sowas echt null mit. Du sprichst es ja selbst an: Die Produktion ist komplett klinisch. Aber wenn dem so ist, möchte ich eben durch eine gewisse Komplexität unterhalten werden. O-Ton: Misery Signals, The Faceless oder eben auch Vitja (Echoes). Diese Komplexität habe ich bei Lorna Shore leider zu keinem Zeitpunkt wahrgenommen.
Nun, um endlich auf deine Frage zu kommen: "Sind Lorna Shore die Zukunft des Metals?" Ich sage: Nein, sie sind die Zukunft des Deathcores. Denn was für mich der entscheidende Unterschied Metal vs. Deathcore ist: Metal kann auch mit ner beschissenen Produktion geil sein (Wie von dir angesprochen Blasphemy, Proclamation, Black Witchery). Für mich ist Metal einfach ehrliche Musik. Deathcore klang für mich immer wie ein durchgeplantes, fertiges Produkt. Die Impulsivität fehlt mir dahingehend komplett. Es wirkt fast so für mich, als gäbe es geschriebene Regeln, wie Deathcore zu klingen hat, wie auch von dir erwähnt: Jeder Song muss mindestens vier Breakdowns haben. Wieso?
Deshalb möchte ich nun abschließen mit den großartigen Misery Signals, welche ich damals wie heute auch noch sehr gerne höre, da sie für mich auf eine Art und Weise Emotionen übertragen können, wie es im Metal eben durch die andere Spielart nicht geht. Aber sie haben für mich einfach die Komplexität, das Impulsive, das Ehrliche, alles was Lorna Shore für mich absolut nicht haben:
Misery Signals - Of Malice and the Magnum Heart
Und noch meine anderen erwähnten Alben:
Vitja - Echoes
https://www.youtube.com/watch?v=7ueABAA0HQs&list=PLS0rAf-MEQs-WxVn55dhLtCe9rPmGajV0
The Faceless - Planetary Duality
https://www.youtube.com/watch?v=tg9_hdUB5Kk&list=OLAK5uy_mXPnkEfnRJ8Kd8HcEnI8cgWaFCHNW_070
Das hier liest eh niemand.