Viel zu wenig Maiden hier... der IRON MAIDEN-Thread

Finde NPFTD besser als ihren Ruf. Sie ist deutlich rauher im Sound , was mir im direkten Vergleich zum Vorgänger viel viel besser gefällt. Hat aber auch deutliche Schwächen. Die größte in meinen Ohren, das unsägliche Bring Your Daughter..... Sorry was ein selten doofes Lied. Dafür mag ich Hooks recht gerne, was viele immer als Downer betrachten.
 
No Prayer For The Dying

Erschienen: 01.10. 1990
Studios: Rolling Stones Mobile Studio auf Steve Harris Hinterhof in Essex
Produzent: Martin "The Bishop" Birch
Assistant Engineers: Mick McKenna & Les Lingham
Mixing: Battery Studios, London
Mixing Engineer: Chris Marshall
Cover: Dereg Riggs - click

Nachdem Iron Maiden 1988 ihre Messlatte hinsichtlich Progressivität, Atmosphäre, Songwritingkunst, Virtuosität und Großartigkeit so hoch gelegt haben, mussten sie gewusst haben, dass jeder Versuch, es nochmal in dieser Richtung zu versuchen, scheitern müsste. Steve Harris hielt es als Kapitän des Flaggschiffs der Metalszene für folgerichtig, sich wieder auf seine Wurzeln zu besinnen, als Maiden noch im londoner Underground die Ochsentour durch verrauchte Spelunken und Pubs bestreiten mussten. Adrian Smith hingegen hielt es hingegen für Falsch, eine 180° Kehrtwende hinzulegen und hätte gerne die progressiven Ansätze von 7th Son weiter gesponnen. Wir wissen, was daraus wurde. Steve setzte Adrian die Pistole (oder den Bass) auf die Brust und befahl ihm, 100% alles zu geben für das neue und räudiger beabsichtige Album, oder den Hut zu nehmen.

Adrian hat nach seinem musikalisch großartigem, aber sehr poppigen und glattgeschliffenen Soloalbum „Silver And Gold“ Blut geleckt und entschloss sich dann, die gewonnenen Freiräume nicht wieder durch Maiden beschneiden zu lassen und verliess dann die Band, die ihn so weit nach vorne gebracht hat und die er im Gegenzug ebenfalls durch seine Ideen unglaublich bereichert hat, wie ausser Bruce kaum ein anderes Bandmitglied. Wer würde nun den Konterpart zu Daves Gitarre stellen?

Bruce Dickinson hat nach dem 7th Son Album ebenfalls ein Soloalbum veröffentlicht, dass entgegen aller Erwartungen keine Ähnlichkeiten zu Iron Maiden hatte. Die Songs auf Tattooed Millionaire waren räudig, simpel gehalten und orientierten sich im Stil grob eher an einfachen, aber rotzigen Hard Rock, als am epischen und monumentalen Metal von Maiden. Gitarrist für dieses Unterfangen war Janick Gers, der kurz zuvor als Session Gitarrist für das erste Soloalbum von Ex-Marillion Sänger Fish – Vigil In The Wilderness of Mirrors“ seine Brötchen verdiente und zu Beginn der 80er auf den Soloalben von Ex- und bald wieder Deep Purple Sängers Ian Gillan spielte, nachdem Bernie Torme ausgestiegen war. Janick ist also weit herumgekommen in der Szene. Es war naheliegend, dass Bruce Dickinson ihn ins Spiel bringen würde und es hat ja auch geklappt, wie wir heute sehen. Bruce konnte sich mit dem von Steve beabsichtigten Kurswechsel wohl sehr gut anfreunden, was bei Betrachtung seines gradlinigen Strassenköter-Albums durchaus Sinn ergibt. Sogar einen Song hatte er bereits parat, den er komponiert und aufgenommen hat für den Soundtrack des Films Nightmare On Elm Street V. In abgewandelter (und wesentlich besserer) Form fand er dann auf dem Album Verwendung, was Steve nun beabsichtigte, zu produzieren.

Ich erinnere mich noch grob, dass es Anfang der 90er ein Magazin gab, das Attack hies. Es war ein Ableger des Metal Hammers und enthielt ausschliesslich Tour- und Konzertberichte. Auf einer Ausgabe sprang Angus Young von AC/DC regelrecht aus dem Cover heraus und zahlreiche andere Namen waren auf dem Titelblatt abgebildet: Judas Priest, Winger, Anthrax, Iron Maiden, ZZ Top, Queensryche, Billy Idol, Sisters Of Mercy, Scorpions und Linving Colour. Ich weiss noch genau, dass ich diese Ausgabe habe. Ziemlich am Ende gab es auch einen sehr spannenden Tourbericht von Iron Maiden von der No Prayer On The Road Tour und Schreiberling Dirk Zumpe (was macht der eigentlich heute?) fand beinahe kein Halten mehr, Iron Maiden im Jahre 1991 als die besten ihrer eigenen Bandgeschichte zu bezeichnen. Janick Gers würde jeden Gedanken an Adrian Smith vergessen lassen, 7th Son sei übertrieben protziges, monumentales und prunkvolles Gepose gewesen und das wesentlich powervollere, härtere No Prayer For The Dying das bessere Album. Damals konnte ich diese Aussagen in Ermangelung einer vollständigen Discographie der Band nicht wirklich einordnen. Aus heutiger Sicht ist seine Behauptung eine maßlose Frechheit. Er bezeichnet Tailgunner als den besten Opener überhaupt und lobte andere Songs wie The Assassin, Public Enema, Hooks In You und Holy Smoke über den Grünen Klee, wie ich sonst Somewhere In Time über den Grünen Klee loben würde. Ich glaube, der Titel seines sechsseitigen Berichtes war „Holy Smoke Over Europe“. Vorband von Maiden waren damals Wolfsbane und Anthrax. Über Wolfsbane verliert Zumpe kein Wort. Aber angesichts seiner maßlosen Lobhudelei für No Prayer war ich natürlich schon neugierig... Jahre später dann fand ich diese Ausgabe von Metal Attack im Keller wieder und habe den Bericht nochmal durchgelesen. Es muss 1997 gewesen sein, als ich die essentiellen Alben aus den 80ern mit Ausnahme von Piece Of Mind bereits kannte und verehrte. Also war für mich klar, dass auch die No Prayer For The Dying angeschafft werden müsse. Wenn es härter und besser als Seventh Son sei, dann kann das Geld doch so schlecht nicht investiert sein... Gekauft habe ich das Album dann an einem kühlen und regnerischen Tag im April bei Karstadt in Bottrop, begleitet von meinem damaligen besten Freund, der sich eine Platte von Queen gekauft hat. Wir haben uns dann gegenseitig die Platten auf Kasette überspielt. Von ihm, respektive seinem aus Familiengründen musikalisch ausgewhimpten Cousin habe ich übrigens auch die Vinyle von Piece Of Mind und Iron Maiden. Danke, Sebastian!

Zu Hause war ich dann sowas von gespannt, wie der beste Opener aller Zeiten, wie Dirk Zumpe ihn nannte, klingen würde. Ich glaube, ich las sogar parallel beim Erstdurchlauf des Albums den Artikel nochmal.

1. Tailgunner... ein simples und monotones Riff leitet diesen Song ein. Unterlegt wird dieses Riff von melodischen Bassläufen, ehe dann eine zweite, sehr rotzig und dennoch saucool klingende zweite Gitarre dazu kommt. Das Riff wird dann etwas melodischer und geht dann zackig in den Song über, wenn Bruce einsetzt. Mir fiel sofort auf, dass der Gesang sehr viel rauer klingt, als noch auf Seventh Son. Ich fand übrigens, dass Bruce der Bart gut steht, wie man im Booklet sehen konnte. Das Lied klang sehr verwegen für mich. Nicht so ausladend, wie die früheren Opener von Maiden. Sehr viel gradliniger, aber trotzdem noch sehr kantig, oder eher schartig. Textlich wird auch hier, wie damals bei Aces High oder Where Eagles Dare die Fliegerei behandelt. Der Refrain zeigt Bruce dann wieder von seiner stratosphärischen und hohen Seite seiner Stimme. Er konnte also noch singen, auch wenn die Strophen es nicht vermuten liessen. Der instrumentale Mittelteil glänzt durch sehr schöne Soli, die sehr viel spontaner und erdiger klungen und klingen, als die sehr hochglanzpolierten und durchkomponierten, klassisch inspirierten Soli der vorhergehenden Alben. Ich mochte das damals. Insgesamt wird in dem Lied nach vier Minuten Alles gesagt, was man musikalisch ausdrücken kann, aber der Ideenreichtum hält sich leicht in Grenzen. Satte 8,5 Punkte gebe ich dennoch, denn das Lied macht Spass, geht nach vorne und zeigt Maiden mal von einer etwas anderen Seite.

2. Holy Smoke.... das war ja der Titel von Dirk Zumpes Tourbericht und somit war ich auch hier hochgespannt, was mich erwarten wurde. Das Lied beginnt auf eine sehr unbekümmerte, fröhliche und beinahe kindliche Weise mit einer infantilen Melodie, die in kaum einen Zusammenhang zum sehr rauen und wütend klingen wollenden Rest des Songs steht. Bruce schimpft sich wie ein wütender Rohrspatz durch die Strophen, ohne dabei wirklich eine Melodie von sich zu geben. Es hatte schon etwas Verwegenes und Rebellisches für mich. Die Soli hier gefallen mir ebenfalls gut, ebenso spontan und spritzig, knackig und zugleich würzig scharf. Janick Gers hat eine ganz andere Komponente in die Band gebracht in Bezug auf die Gitarrenarbeit. Man merkt schon sehr deutlich, dass Adrian nicht mehr dabei ist. Das Lied ist kurz und der Videoclip... naja, es ist die größte Peinlichkeit, die Maiden je vollbracht haben. Ich mag es, aber gegen Tailgunner fällt es schon ab, dieses Strassenköter-Pöbelstück. 7,5 /10

3. No Prayer For The Dying zeigt sich als Titelsong dann nach diesen beiden Wutausbrüchen von seiner ruhigeren, zahmeren und melancholischeren Seite. Ein nachdenkliches und beinahe trauriges Lied, das vom strukturellen Aufbau her ein wenig an eine moderne Variante von Remember Tomorrow erinnert. Ruhige, verträumte Strophen, ähnlicher Rhythmus, ein Riff und schnelleres Tempo während des gesanglosen Refrains, dann nochmal eine traurige Strophe herbstlichen Selbstmitleides, dann wieder das abgehangene Riff, dann nimmt der Song erst in seiner Mitte Fahrt auf in einem wilden Solieren von Gers und Murray. Der Soloteil klingt genauso gossenartig verwegen wie Tailgunner oder das Solo von Holy Smoke. Die Soli klingen generell so spontan, dass sie überhaupt nicht durchdacht wirken, als hätten Gers und Murray damals selbst nicht gewusst, was sie da spielen. Also eher Herz als Kopf. Energie steckt trotzdem drin. Der Titelsong bekommt von mir 8,5 / 10 Punkten.

4. Public Enema Number One (nichtmal den Songtitel konnte Zumpe richtig ausschreiben) ist dann für mich der erste Höhepunkte des Albums. Es ist generell ein ähnlich gradliniges und erdiges Stück, wie Tailgunner, aber während der Strophen ungleich düsterer, unheilvoller und spannender. Der Refrain ist dann in meinen Ohren ein wenig belanglos von seiner Melodie und kann die Dramatik der überragenden Strophen nicht halten. Bruce schafft es aber, die Strophen zugleich melodisch UND rau zu singen, wie ein bissiger Hund. Das Lied ist eine politische Anklage, ähnlich wie auch Holy Smoke. Es drückt in den Strophen genau das aus, was man häufig denkt, wenn man sich über die politische Kaste echauffiert. Ein Fingerzeig in die Richtung Be Quick Or Be Dead vom Nachfolgealbum Fear Of The Dark oder in Richtung „Man On The Edge“, aber für mich besser als die beiden genannten Beispiele. Irgendwie reissen die Strophen alles raus, was der Rest vom Song nicht schafft. Knappe 9/10 Punkten mit leichter Tendenz nach unten.

5. Fates Warning... der erste Song, der ein halbwegs ruhiges, langsames, atmosphärisches und elegisches Intro aufweisst. Es ist eine Dave Murray / Steve Harris Komposition, die einen während des einleitenden von Keyboardklängen untermalten Gitarrensolos sehr stark an Deja Vu erinnert. Die Stimmung ist schon sehr auf Epik getrimmt in diesem Lied, das durchaus auch auf Seventh Son kaum negativ aufgefallen wäre und definitiv aus dem räudigen Strassenimage des Albums herausfällt. Das Lied entwickelt sich dann zwar in eine andere Richtung als Deja Vu, ist aber durch wunderschöne Harmonien und Melodien gesegnet. Für mich ist dieses Lied ein weiterer Höhepunkt. Der Text ist ähnlich apokalyptisch wie Total Eclipse damals, er behandelt Naturkatastrophen als heimsuchendes Schicksal des Menschen. Irgendwie sitzt hier jede Note perfekt, die Soli sind geil, der Refrain, die Strophen, die Bridge... Man kann gut und gerne 9,5 /10 Punkten vergeben. Dave Murray weiss eben, wie man gute Songs schreibt. Wirklich eine versteckte Perle im Fundus der Band, die ich immer wieder gerne höre.

... to be continued...
 
Fortsetzung:

6. The Assassin... ja, rhythmisch wagt man sich bei diesem Lied etwas mehr, als bei den doch sehr gradlinigen Liedern davor. Die Halbzeit des Albums ist erreicht und Steve glaubt, wenigstens ansatzweise einen Song zu komponieren, der ein paar krumme und ungewöhnliche Takte aufweist, sonst wäre das ja auch kein Maidenalbum. Die Zurück zu den Wurzeln Attitüde kennt eben doch Grenzen. Mir gefallen die sehr spannenden Strophen, die Bruce gekonnt rau und zugleich düster flüsternd vorzutragen weiss. Die Strophen sind von sehr gespenstischen Gitarrenfiguren unterlegt, die sich in das Gehirn fräsen und Bruce erlauben, vor Allem in den letzten Strophen etwas atonaler zu singen. Der Refrain allerdings ist dann für mich ziemlich einfallslos im Vergleich zu den guten Ansätzen der Strophen. Damit gewinnt man keinen Blumentopf. Die Gitarrenhooks nach dem stakkatoartig vorgetragenen ASSASSIN-Rufen sind schon sehr geil, das zweite Solo ist ebenfalls fuchsteufelswilde Ekstase an den sechs Saiten. Auch nicht sinnvoll durchkomponiert, aber irgendwie packender als die meisten anderen Soli auf dem Album. Ich bin zwiegespalten, Leute. Das Lied schwankt bei mir zwischen 7,5 und 8,5 /10 Punkten. Ich denke, ich nehme die goldene Mitte. Eine, wenn auch wackelige und knappe: 8/10

7. Running Silent Running Deep.... oh, Mr. Harris, werden wir wieder episch? Den Text zu diesem Lied über U-Bootkämpfe im zweiten Weltkrieg hatte Bruce Dickinson bereits 1986 für das Somewhere In Time Album geschrieben, seine Ideen wurden aber vom Rest der Band, vorwiegend aber von Steve verworfen. Das sehr ruhige Intro aus Bass und Gitarre ist ziemlich beklemmend, düster und gespenstisch. Irgendwie ist das für mich ein Fingerzeig für Dinge, die da zwei Alben weiter mit Blaze noch kommen werden. Auf The X Factor wäre das Album nicht weiter aufgefallen. Nach der atmosphärischen Einleitung stampft und rumpelt der Song ziemlich forsch drauf los und bleibt auch im strammen Midtempo Bereich. Gesanglich ist hier vor allem der sehr klug durchkomponierte und hymnische Refrain als Glanzlicht zu nennen, wohingegen mir der Gesang in den Strophen weniger gefällt. Die verträumten Gitarrenfiguren nach dem Refrain und die karusselartigen, kaskadenartigen Dudelmelodien nach dem zweiten Solo sind ziemlich genial und zeigen, dass Maiden es immer noch nicht verlernt haben. Insgesamt ist auch das hier ein alles andere als schlechtes Lied, aber wenn ich die epischeren Sachen aus den 80ern zum Vergleich heran ziehe, kann Running Silent Running Deep mit keinem der Vorbilder anstinken. Was will No Prayer For The Dying? Ein rotziges, erdiges und geradeaus gespieltes solides Rockalbum sein, das eine urbane Atmosphäre verbreiten soll? Dann sind Songs wie Running Silent oder Fates Warning vollkommen deplaziert. Oder will man die progressiven Ansätze aus den 80ern wenigstens halbwegs beibehalten? Dann passt der Sound wiederrum nicht und die Songs, die progressiv wirken wollen, sind zu kurz. Was denn nun, Mr. Harris? Fisch oder Fleisch? Fast Food oder drei Gänge Weihnachtsmenü? Oder was dazwischen? Für sich betrachtet ist das Lied dennoch 8,5 /10 Punkten wert mit schwacher Tendenz zur 9 /10

8. Hooks In You ist eines der wenigen Überbleibsel von Adrian Smith im Sound der Band, leider allerdings ein Tiefpunkt des Albums. Hervorzuheben sind die wunderschönen Gitarrenharmonien während des Refrains und das auch sehr smith'sche klingende zweite Solo. Der Rest des Songs wirkt irgendwie wie ein Sleazerock-Song von Mötley Crue. Der Refrain selber ist mitleiderregend und wird nur durch die erwähnten Gitarrenmotive etwas hervorgehoben, die Strophen sind schlecht gesungen und das Lied an sich ist einfach unscheinbar. An ganz wenigen Stellen wie dem Ende des Solos blitzt die Genialität von Smith blass hervor. Aber es ist ein Song, der seiner nicht würdig ist. Das Lied mag ein fetziger, schmissiger Rocksong sein, der in die AC/DC Richtung geht, aber das ist mir für Maiden zu wenig. 7 / 10, aber auch nur, weil ich es nicht über das Herz bringe, weniger zu vergeben. Vom Text her ist das übrigens der dritte Teil der Charlotte The Harlot Saga.

9. Bring Your Daughter.... To The Slaughter hat seinem Komponisten ein Jahr zuvor die Goldene Himbeere eingebracht, als schlechtester Soundtrack eines Films. Das Lied ist für Maiden sicherlich das atypischste Lied überhaupt, es fügt sich in den rohen Kontext des Albums hervorragend ein. Das Lied ist ein Überbleibsel aus Bruces Soloalbum Tattooed Millionaire und obwohl Janick Gers hier als Komponist nicht genannt ist, wie auch bei allen anderen Songs des Albums übrigens, hat er dieses Lied zusammen mit Bruce für den Film Nightmare On Elm Street geschrieben und Bruce den musikalischen Anti-Oskar eingebracht. Für dieses Lied muss man in Stimmung sein, am besten sturzbetrunken beim Billiard- oder Dart spielen in einer verrauchten Spelunke nach fünf oder sieben Bieren (seven deadly beers... ) oder beim Spaziergang durch das essener Nordviertel. Es ist der räudigste, unberechenbarste und auch frechste Song von Maiden. Aber kompositorisch ein Reinfall. Mehr als 7 /10 Punkten sind auch hier nicht drin, trotz des sehr verwegenen Solos von Janick.

10. Mother Russia... der längste Song des Albums und ein weiterer Versuch, sich auf dem Album einen letzten Hauch an mystischer Progressivität zu bewahren. Wie auch bei Running Silent Running Deep stehe ich hier vor der Frage: Was soll das? Im urbanen und straighten Albumkontext funktioniert dieses Lied wegen seiner progressiven Nuancen und 7th Son-Erinnerungsfragmenten nicht, aber auf dem Vorgänger 7th Son hätte dieser Song gegen die überragenden Vorbilder nicht bestehen können. Hier versucht man verkrampft, progressive Ideen einzubringen, die im Kontext des Albums einfach nicht funktionieren können. Nicht Fisch, nicht Fleisch, nicht Frühstück bei Starbucks und auch kein 5 Sterne Menüs bei Johan Lafer. Der Gesang wirkt lustlos heruntergeleihert und die kitschigen, weihnachtlich wirkenden Ohohoho Keyboards sollen wohl ein Flair Russland heraufzaubern. Im geschichtlichen Kontext macht das auch Sinn, nachdem kurz vorher der eisener Vorhang gefallen ist. Als Instrumental hätte dieses Lied für mich besser gewirkt, da der belanglose Gesang sowieso nicht sehr viel Raum in diesem Lied einnimmt. Knappe, aber nur seeehr knappe 7/10.

Tja, was bleibt? Jedenfalls straft das Album jede Aussage von Zumpe Lügen. Erst bei mir hochtrabende Erwartungen wecken und dann so versagen...

Nein im Ernst, das Album ist gut und macht streckenweise wirklich Spass. Es ist stellenweise sogar recht erfrischend. Mit dem neuen Gesangsstil von Bruce muss man sich erstmal anfreunden. Dieser rohe Appeal wirkt schon etwas befremdlich. Die Songs sind, wenn sie wirklich das sein wollen oder sind, was mit der Back To The Roots Attitüde des Albums beabsichtigt gewesen ist, gar nicht mal schlecht. Aber wenn dann hier und dort wieder doch das durchschimmert, was Steve eigentlich ausmerzen wollte, fragt man sich: Warum hat er denn Weg von 7th Son nicht weiter beschritten? Eben. Er wollte Back To The Roots, wieder Bodenhaftung gewinnen nach dem durchaus etwas abgehobenen musikalischen Wolke 7 Stratosphärenballons des Vorgängeralbums. Kann ich verstehen. Warum aber setzt er dann stellenweise nach wie vor Keyboards ein? Warum ist der Schlagzeugsound ähnlich lässig, wie auf 7th Son? Warum produziert man das Album mit einem ähnlichen Sound wie 7th Son? Warum nicht mehr Wucht und Schmackes, wie bei Number Of The Beast oder Killers? Warum nicht amateurhafte Stümperei an den Reglern wie beim Debutalbum? Den Produzenten dafür hatte man ja... Aufgenommen wurde das Album mit dem Rolling Stones Mobile Studio in Essex auf dem Hinterhof von Steve Harris Anwesen, wo er zwei Jahre später seine Barnyard-Studios eingerichtet hat, um die totale Kontrolle zu behalten...

Nun, ich vergebe knappe 8,5 /10 mit leichter Tendenz nach unten zur 8 /10. Dennoch ist es das schlechteste Maidenalbum bis dato, denn keines davor war unter neun Punkten. Ich bin gespannt, was Ihr dazu sagt. Über Virtual XI steht es aber trotzdem bei mir. Entweder ich runde Virtual XI von acht Punkten runter auf 7,5, dann kann ich auch No Prayer abrunden, was ich gerne würde. Aber ich lass es lieber so. Ein schlechtes Album ist es trotzdem nicht. Die anderen sind leider nur besser....
 
Zu Powerslave muss ich auch noch meine Altrezension loswerden:

POWERSLAVE

Erschienen am 03. September 1984
Aufgenommen in: Compass Point Studios, Nassau
Produzent: Martin „Pool Bully“ Birch
Zweiter Tontechniker: Frankie Gibson
Cover: Derek Riggs - *huld*

Powerslave ist das erste Maidenalbum, das nach meiner Geburt erschienen ist. Es ist bis dato auch das längste Maidenalbum mit dem längsten Maidensong überhaupt, es ist das erste Maidenalbum, auf dem Eddie nicht lebend oder sterbend abgebildet ist, sondern monumental in Stein gemeißelt als Sphinx oder Tempel von Abu Simbel Verschnitt (architektonisch eher letzteres). Der Schulfreund, der mir damals Piece Of Mind überlassen hat, hatte in seinem Kinderzimmer eine riesige Flagge von 250 x 200 cm an der Wand hängen, die mit genau diesem sehr monumentale Cover bedruckt war, leider nicht ganz farbecht. Von den klassischen Maidenalben aus den 80ern habe ich mir dieses ganz zu letzt gekauft, da ich die vier essentiellen und wichtigen Songs dieses Albums bereits von der Life After Death kannte. Ich glaube, Powerslave habe ich mir nur wenige Wochen nach der Brave New World zugelegt. Die Hälfte des Albums war mir bereits bekannt, als ich es für ein Appel und ein Ei bei HMV in Oberhausen gekauft habe – leider gibt es diesen Laden dort nicht mehr, im Shopping Tempel CentrO dominieren nur noch Ed Hardy Klamottenläden. Eine Schande.

Da ich mich damals sehr für das alte Ägypten, Pyramiden, Mumien, Pharaos und Archäologie allgemein interessiert habe, übte das Cover auf mich eine gewisse Faszination aus, die vollkommen anders gelagert war, als das futuristische und extrem detailreiche Cover von Somewhere In Time.

Genau wie das Vorgängeralbum wurde Powerslave auf den Bahamas aufgenommen, wo man sich regelmässig laut Nicko McBrain „deadly Banana Daiquiries“ in die Birne geschraubt hat. Auch der Songwritingprozess fand auf den Bahamas statt, im Gegensatz zu Piece Of Mind, wo die Stücke während des gemeinsamen einmonatigen Rehearsals auf der Kanalinsel Jersey komponiert wurde. Ich kann mir vorstellen, dass die Kombination Suff, Party und tropische Sonne irgendwie Einfluss auf das Songwriting gehabt haben muss. Powerslave hat von allen Maidenalben die sommerlichste Atmosphäre. Man sieht Palmen, Sand, Staub, Hitze, flirrende Sonne und wünscht sich, mit nem Cocktail am Pool zu liegen und sich braten zu lassen. Somewhere In Time und vor Allem Seventh Son sind für mich eher Alben mit winterlicher Atmosphäre. In grauer Schrift wieder einzelne instrumentale Hörbeispiele:

1. Aces High ist für viele wahrscheinlich der beste Maidenopener, nicht nur im Albumkontext, sondern vor Allem auch live. Er beginnt mit einem knallharten, abrupten Paukenschlag und Riffgewitter, ehe er dann mit einer unisono gespielten Twin Axe Attack blitzschnell davonrast, wie eine startende Rakete. Hinsichtlich seiner Struktur ist Aces High wahrscheinlich der symmetrischste Maidensong mit einem parabelarbigen Aufbau. Intro aus Drums und Gitarre, Strophe, Bridge, Refrain, kurzes Riffgeschrammel, Solo von Dave – Solo von Dave, kurzes Riffgeschrammel, Strophe, Bridge, Refrain, Ende... Die Mitte dieses Songs, quasi die Spiegelebene ist genau nach dem ersten Solo von Dave und vor dem zweiten Solo von Adrian. Das Tempo dieses Liedes ist konsequent hoch, allerdings gibt es hier keine rhythmischen Variationen, was mich ein wenig stört. Bruces Gesang während der Strophen ist sehr überzeugend, aber der Refrain gefällt mir irgendwie überhaupt nicht. Ich weiss nicht warum, aber Aces High hat bei mir nie wirklich gezündet, obwohl die beiden Soli absolut herausragend und wahnwitzig schnell gespielt sind. Für mich ein eher unscheinbarer Song, der durch seine Eingängigkeit, vor allem aber seiner kompromisslosen und agressiven Schnelligkeit viele Fanherzen erobert hat. Die Thematik im Text interessiert mich persönlich weniger, es geht um die Luftschlacht von England im zweiten Weltkrieg. Daher passte auch die Rede von Winston Churchill als Intro für die World Slavery Tour vor jedem Konzert. Wegen seiner in meinen Augen absolut vorhersehbaren Struktur kann ich trotz der vorhandenen Qualitäten keine Höchstnote vergeben und verbleibe bei knappen 9 / 10 Punkten.

2. 2 Minutes To Midnight – was für ein fetziges, krachendes Riff. Herrlich, Adrian! Oder herrlich, Janick? Zwei bis drei Jahre vor Powerslave gab es eine recht unbekannte NWOBHM Band namens White Spirit, die einen Song namens Midnight Chaser am Start hatten. Gitarrist bei White Spirit war damals Janick Gers, der kurz darauf seine Brötchen bei Ian Gillan von Deep Purple verdiente. Das Anfangsriff von Midnight Chaser ist verblüffend ähnlich zu 2 Minutes To Midnight. Falls Adrian das Riff abgekupfert hat, so mögen wir ihm das verzeihen, da 2 Minutes To Midnight weitaus besser und zwingender ist, als sein Riffpate von White Spirit. Dieses Riff scheint eines der meistkopierten überhaupt im Metal zu sein. Man vergleiche mal Midnight Chaser / Two Minutes To Midnight mit "Swords And Tequila" von Riot oder mit Hellbound von den Tygers Of Pan Tang. Ich meine sogar, Swords And Tequila war zuerst da. Das Riff wird nach dem Intro auch während der Strophen weiter fortgesetzt, obwohl es bereits einen Shift im Rhythmus gab. Interessanter Kontrast. Wirklich überragend und in die Knie zwingend ist die Bridge vor dem Refrain mit dem gedrosselten Tempo im stampfenden Groove. Hier harmonieren Rhythmik und Melodik auf unnachahmliche Weise miteinander. Bruce Stimme, die Gitarren, der Bass, der lässige Groove. Wirklich genial. Der Refrain ist dann eine packende Mitsinghymne, die beinahe schon wieder zu simpel ist, aber live einfach nur derbe knallt. Ganz toll finde ich die mehrstimmigen, hysterisch hohen Gesangsharmonien, die den Song in seiner Studioversion ganz signifikant von jeder Liveversion unterscheiden. Bruce hat live eben nur eine Stimme, im Studio wurde das wohl gedoppelt oder getrippelt mit vielen Gesangsspuren. Der Text ist sehr doppeldeutig und apokalyptisch, aber eindeutig als Antikriegssong zu interpretieren – vor Allem die Metaphern, die verwendet werden, zeigen, dass Bruce ein Meister der Textkunst ist. Der Solopart in der Mitte, wo nach dem ersten Solo von Dave erneut das Tempo etwas gedrosselt wird und in einen gemächlichen Groove übergeht, ist eben sehr meisterhaft. Das Frage-/Antwortspiel der Gitarren, während Steve stoisch seinen Rhythmus an den dicken Trossen zupft und Nicko seine geliebten Paiste Cymbals derbe krachen lässt, ist phänomenal. Insgesamt ist der Song weniger vorhersehbar in seiner Struktur, als Aces High, trotz seiner sehr repetiven Riffsequenz. Live ist er für mich beinahe totgehört, aber dennoch ziehe ich ihn Aces High vor. 9,5 / 10 Punkten.

3. Losfer Words – Big 'Orra: Im Suff oder wegen des Sonnenstichs, hatte Steve offensichtlich keine Lust, einen anständigen Text zu dichten und so beließ man es bei diesem Instrumental. Für viel das klar schwächste der vier Maiden-Instrumentals, übrigens ist es auch das allerletzte offizielle rein instrumentale Lied von Maiden. Für mich ist es neben The Ides Of March das beste Lied ohne Gesang. Hier wird hohe Gitarrenkunst zelebriert, auch wenn das sehr erdige Riffmotiv in abgewandelter Form bei The Duellists und Jahrzehnte später in Montsegur vom Dance Of Death Album nochmal Verwendung findet. Insgesamt ist Powerslave ja das rifflastigste Album von Maiden und auch das einzige Album, wo es keinen einzigen Song mit einem ruhigen Intro gibt. Alle Songs poltern sofort drauf los, zack in die Fresse. Eigentlich wird in diesem Song gar nicht so viel Abwechslung geboten, wie etwa in Transsylvania, aber die Gitarrenorgie in der Mitte zeigt, dass Dave Murray und Adrian Smith sich in keiner Weise hinter dem Duo Tipton/Downing zu verstecken brauchen. Eine sehr kurze Gitarrensequenz nach dem ersten Solo nimmt bereits das Anfangsriff von Wasted Years vorweg. Gut hinhören. Generell ist dieser Song aber rund eine halbe Minute zu lang. 8,5 / 10

4. Flash Of The Blade – was für ein lässig abgehangenes Anfangsriff. Bruce Dickinson hat diesen Song ganz alleine geschrieben und vom Text her orientiert er sich an der Schwertkampf-Thematik von Sun And Steel ein Jahr vorher. Der Gesang in den Strophen gefällt mir gar nicht, das ist in meinen Augen einfallslos hingerotzter Satzgesang ohne Melodie, ohne Dramatik, ohne Gefühl. Der Refrain sprengt die Grenze zum Kaugummikitsch mit Schallgeschwindigkeit. Bruce Dickinson singt extrem hoch und dann auch noch mehrstimmig. Ich glaube, dem Namen Air Raid Siren macht er mehr als Alle Ehre, aber für mich liegt die Stärke des Songs im Anfangsriff, begleitet von voluminösen, aber kurzen Powerchords von Steves Bassgitarre und der funkeld brillianten Twin Guitar Attack in der Mitte, die einem stellenweise mit ihrer grellen Quietschigkeit die Zähne zieht. Für mich leider einer der schwächsten Songs von Maiden überhaupt. 7 / 10 Punkten.

5. The Duellists – zwei Gitarren für ein recht einfaches Riff, dass auch noch unisono gespielt wird. Kein Intro, es geht direkt und gradeaus los. Für mich hinsichtlich der gesanglichen Struktur während der Strophen eine Kopie von Where Eagles Dare. Der Refrain ist leider sehr schwach in meinen Augen und die Strophen recht eilig, gehetzt und lustlos heruntergepoltert – das haben wir in Where Eagles Dare um Klassen besser erlebt. Das Lied ist dennoch eine ziemlich unterbewertete Nummer, da ab Minute 1:50 das ganz große Kino geboten wird, was einem hinsichtlich Abwechslung, Dynamik, Spannung und melodischen Kontrasten auf dem Album bisher gefehlt hat. Nie wurden zwei Gitarren so kontrastreich eingesetzt, wie in diesem Duell der Sechs Saiten. Der Titel The Duellist ist also doppeldeutig: im textlichen Sinne und im musikalischen umso mehr. Die große Show des Gitarrengötterduells geht bis 4:50 und dann setzt unvermittelt das einfache Hauptriff wieder ein. Wäre diese hochdynamische instrumentale Achterbahnfahrt in der Mitte nicht, müsste man The Duellists leider als den schwächsten Maidensong bezeichnen, bei dem die lieblosen Gesangslinien wie bei Flash Of The Blade ein ganz großes Manko sind. Alles in Allem wirkt das Lied für mich wie ein Puzzle aus unterschiedlichen Ideen, die dann irgendwie zusammengeflickschustert wurden. Der atemberaubende Mittelteil wirkt aus dem Songzusammenhang gerissen und passt kaum zum Rest des Songs. So aber rettet sich der Song auf 8,5 von 10 Punkten mit leichter Tendenz zur 9. Textlich verarbeitet Steve Harris hier den Ridley Scott Film „Die Duellisten“ von 1976.

... to be continued...
 
6. Back In The Village besitzt wohl neben Sea Of Madness das verzwickteste und vertrackteste, vor Allem aber raffinierteste Anfangsriff aller Maidensongs. Adrian Smith hat diese Nummer komponiert und lässt hier eine beeindruckende Fingerübung nach der Anderen vom Stapel. Die Strophen gefallen mir vom Gesang weitaus besser als bei The Duellists oder Flash Of The Blade, sie klingen schlüssig, dramatisch und melodisch. Oft wird dieser Song als ein Schwachpunkt des Albums genannt, aber neben 2 Minutes To Midnight ist das für mich der – bisherige – Höhepunkt der Scheibe. Der Refrain ist nicht ganz so stark, wie die mitreissenden Strophen, aber in seinem Gesamteindruck wirkt dieser Song auf mich schlüssig und konsequent durchkomponiert. Tolle Melodien, tolle Harmonien, packendes und aberwitzig komplexes Anfangsriff, tolle Soli kombiniert mit rasanter Schnelligkeit. Für mich ist das fast ein 10-Pünkter. Aber nur fast. 9,5 / 10

7. Powerslave – der Pharao erwacht aus seinem Jahrtausende währenden Schlaf und kriecht schimpfend aus seinem Sarkophag. Was mir bisher auf diesem Album an Dramatik, Pathos und Spannung gefehlt hat, wird nun nachgeholt. Das monströse Anfangsriff nach dem kurz heruntergeperlten Drumintro ist knackig, fetzig und kracht, wie ein Steinrutsch im Grand Canyon oder ein Sandsturm in der Wüste. Ziemlich brachial, aber simpel. Hier passt einfach Alles. Die geheimnisvollen Melodien in de Strophen, die orientalisch angehauchte Bridge und der ergreifende Refrain mit seinem kitschigen AAAAAAAAAH Backgroundgesang (ab Minute 0:45, für mich neben Sea Of Madness einer der besten Refrains überhaupt von Maiden. Nicht wegen des cheesigen Pathos, sondern weil in ihm genauso viel Text steckt, wie in den Strophen und die Melodie einfach wie Arsch auf Eimer passt. Der Mittelteil setzt dem ganzen aber die Krone auf. Schön und erhaben wie ein Sonnenaufgang in der Wüste, wenn der Horizont zu glühen beginnt und die Felsen und den Sand allmählich erwärmt, zeigt Dave Murray hier sein Können (ab Minute 2:45). Das ist ganz großes emotionales Kino. Dazu wunderbar kontrastvoll die Bassmelodie von Steve, die den melodischen Kontrapunkt zu Daves Gitarre darstellt. Beides ergänzt sich hier wunderbar. Die gesamte, wüstenstaubbehaftete Rifflastigkeit des Albums wird hier kulminiert und verdichtet. Nach Daves orientalischen Solo steigert sich das Tempo und die Dynamik wieder und Adrian spielt sein Solo, welches aber ein klein wenig hinter den Möglichkeiten des Gitarristen zurückbleibt. Der große Showdown ist dann das zweite Solo, wiederum von Dave gespielt in einer wilden Ekstase, danach kulminiert von einer herrlichen Drumeinlage Nickos, ehe die dritte Strophe wieder einsetzt. Was ich an diesem Lied so liebe, ist das brachiale und genüsslich breitgewalzte Grande Finale, wo der Song in sich zusammenbricht, wie eine Pyramide des untalentierten Baumeisters Pyradonis aus dem zweiten Asterix Zeichentrickfilm. Showdown in Gizeh! 10/10 Punkten. Neben Revelations Bruce beste Eigenkomposition, wobei angemerkt werden muss, dass Steve Harris hier am Bass zumindest während der Strophen und des Refrains seine wohl schludrigste Leistung abliefert. Ein Tribut an die erwähnten Cocktails unter der heissen Sonne.

8. Nun folgt der einzige Song auf diesem Album, den man progressiv nennen kann, bei dem es nicht um Schwertkampf, Luftschlachten und Pyramiden geht, sondern ein episches Gedicht von Samuel Taylor Coleridge vertont wird. Im Gegensatz zu Frank Herbert musste Steve Harris diesmal nicht befürchten, verklagt zu werden, da die Rechteinhaber schon lange im Grab verschimmeln und auch kein Kinofilm beabsichtigt war, wie bei Dune. In Sachen Abwechslung, Progressivität, monumentaler Epik und kompositorischer Raffinesse ist dieses Lied die absolute Speerspitze des Albums. Man sagt ja, das beste kommt immer zu Schluss und auf Powerslave trifft diese Phrase zu 100% zu. Rime Of The Ancient Mariner ist der mit Abstand beste Song des Albums. Hier passt einfach Alles zusammen und wirkt trotz Aller Vertracktheit harmonisch und stimmig. Die Riffs fliegen den beiden Meistern nur so zu und Steve Harris gibt mit seinem wie bei To Tame A Land bereits die Melodie vor. Alle Epen von Maiden haben ja die Eigenschaft, mit einer ruhigen und langsamen Einleitung zu beginnen, die sich dann erst langsam steigert. Lediglich Rime Of The Ancient Mariner und Seventh Son bilden hier die Ausnahmen. Es geht direkt mit einem Gewitter aus Schlagzeugsynkopen und ebenfalls leicht orientalisch angehauchten Riffs los und der Hörer bekommt sofort einen auf die 12. Zahlreiche Tacktwechsel zwischen mittlerem und höherem Tempo, überraschende Breaks, Variationen des Hauptriffs und ein mitreissender Text, der noch mitreissender von Bruce vorgetragen wird, wie ein Theaterstück machen dieses Lied zu einem Leckerbissen. Text und Musik bilden hier eine Einheit. Der ruhigere Mittelpart mit dem gespenstisch vorgetragenen Zitat aus Coleridges Gedicht, der ruhigen Bassmelodie, das Knarzen und Poltern der Schiffsplanken, der geschmackvoll eingesetzte Klang von Nickos geliebten Becken, unterlegt mit viel Hall als Ersatz für das sonore Rauschen des Meeres, ist ebenfalls sehr spannend und nicht langweilig. Da zaubert Nicko mit seinen Paiste Cymbals ganze akustische Landschaften herbei, während die Gitarren verträumt vor sich hin wimmern. Ohrenkino pur! Wenn dann der Song wieder an Fahrt gewinnt nach dieser kurzen Flaute und Steve seine sehr prägnante Melodie aus den Fingern zaubert, die ein wenig an die Bassmelodie von Number Of The Beast erinnert, beginnen die spannendsten drei Minuten im musikalische Schaffen von Iron Maiden. Die ganz große, ergreifende und packende Dramatik, die zum Bersten gespannte Atmosphäre, die sich dann in einem Gewitter entlädt: Wenn Bruce dann seinen Schrei „then down it falls comes the raaaaaaaaaaaaaaaiiin“ einsetzt, der langsam im Hintergrund verhallt, muss jeder Hörer eine Gänsehaut bekommen, wo er vor der allmächtigen Großartigkeit, die hier geboten wird, ehrfurchtsvoll erstarrt. Die Soli sind auch hier wieder wie bei Maiden gewohnt absolut tadellos, in sich schlüssig und dramatisch, das ist einer DER Maidenmomente schlechthin, die zeigen, warum Maiden einfach die besten sind. Sie spielen nicht einfach irgendwelche Songs. Sie erzählen packende Geschichten mit ihrer Musik und entführen einen von dieser Welt in eine ganz andere. Weniger als überragende 12 / 10 Punkten wären hier ein unverschämtes Sakrileg, genau wie zu behaupten, 7th Son sei besser als Somewhere In Time oder die Alben mit Paule besser als die mit Bruce. Werft Euch vor diesem Song in den Staub, Bruce, Steve, Dave, Adrian und Nicko sind hier auf der ersten frühen Spitze ihres Könnens. Was hier geboten wird, kann nur noch Somewhere In Time toppen. Ohne Rime Of The Ancient Mariner wäre Powerslave ein riesen Reinfall in der Discographie von Maiden.

Für Schlagzeuger Nicko McBrain ist Powerslave übrigens neben Brave New World das Lieblingsalbum.

Für mich ist es trotz einiger absolut überragender, gigantischer Einzelmomente doch eine halbe Klasse schlechter als Piece Of Mind. Daher leider nur 9/10 Punkten. Jetzt steinigt mich.

Die World Slavery Tour zu diesem Album erstreckte sich dann über die Jahre 1984 und 1985, war das Fundament für das legendäre und wegweisende Livealbum Live After Death und bot den Zuschauern eine atemberaubend gigantomanische Inszenierung des Albumcovers mit Tutenchamun-Eddie und Mumien-Eddie, Hieroglyphen und ganz viel Pyrotechnik. Zum ersten Mal liessen Maiden eines ihrer Albumcover wirklich plastisch werden und bauten es einfach auf der Bühne nach. Ähnlich wurde dann auch vier Jahre später bei Seventh Son verfahren. Grandiose Gigantomanie!

https://forum.rockhard.de//viewtopic.php?f=15&t=96179&p=3954687#p3954687
 
Aaaaalso... NPFTD würde ich zwar nicht zu den am meisten verkannten Alben der Rock/Metal-Geschichte zählen, da gibt es ganz andere Granaten (*The Elder, hust*). Aber dieses Album, quasi bereits bei Veröffentlichung medial durchgefallen und rückblickend wohl für den schleichenden Ausstieg von Bruce Allmächtig (mit)verantwortlich, hat einige Perlen im Köcher, die es wert sind wiederentdeckt zu werden. Namentlich das unheimlich geile Quartett No Prayer For The Dying, Public Enema Number One, Fates Warning und The Assassin. Ich liebe diese vier Songs. Und auf alle anderen Songs, ja auch Bring Your Daughter..., lasse ich nichts kommen. Was haben mich Virtual XI (mittlerweile haben wir Frieden miteinander geschlossen) und Dance Of Death (wir beide bleiben unversöhnlich...) bei VÖ enttäuscht! NPFTD hat mich noch niemals in all den hunderten Durchläufen enttäuscht. Liebe. True Story.
 
Erdbär: wieder sehr toll geschriebene Reviews! Wie detailiert und auf den Punkt du die einzelnen Songs beschreibst, finde ich schon bemerkenswert, zumal ich da fast alles extrem gut nachvollziehen kann, bzw. häufig genauso empfinde (lediglich die Bewertung der einzelnen Stücke fällt bei mir oft etwas anders aus, auch wenn wir uns in der Tendenz dann doch öfter mal einig sind).
Einzig die stilistische Inhomogenität bei "No Prayer...", bzw. die kompositorische Inkonsequenz, die du Steve dort vorwirfst sehe ich gar nicht als Schwachpunkt an. Auch die früheren Scheiben boten ja stilistischen Abwechslungsreichtum und auch die "nichtprogressiven" Stücke auf dem 1990er Album bilden schon absolut keine stilistische Einheit (weshalb ich nicht finde, dass nur die ruhigeren oder progressiveren da aus einem ansonsten homogenen Rahmen fallen würden) - da gibt es harte und teils düstere Metalsongs wie "Tailgunner", "The Assassin" oder "Public Enema Number One" auf der einen und nur gesanglich räudige, musikalisch aber (bis auf die Gitarrensoli) eher zahme Hardrocksongs wie "Holy Smoke", "Hooks In You" und "Bring Your Daughter..." (die allesamt eher untypisch für die Band waren) auf der anderen Seite. Dazu dann halt noch die ruhigeren oder teilweise ruhigen und manchmal leicht epischen Stücke. Wenn das Ziel war, zu den musikalischen Wurzeln (auch in Bezug auf Härte und Geschwindigkeit) zurückzukehren, ist das eh mit den wenigsten Stücken auf der Scheibe gelungen, auch wenn eine gewisse Rohheit durchaus dominiert, die aber teilweise auch durch die wieder direktere Produktion und die wilden Soli kommt und gar nicht so sehr durch Geschwindigkeit oder mehr musikalische Härte. Ohne die progressiven Schlenker im Titelsong, sowie "The Assasin" und "Mother Russia" fände ich die Scheibe aber ganz sicher noch ne Ecke schwächer, da gerade hier für mich die besten Momente zu finden sind (wenn auch nicht immer in durchgehend tollen Songs).
 
Zuletzt bearbeitet:
Bevor ich zu lange rumeiere und mir irgendwelche Vergleiche aus den Fingern saugen muss. No Prayer ist und bleibt das schwächste Maiden-Album für mich. Zwar habe ich bei den letzten Durchgängen Tracks entdeckt, die mir durchaus zu gefallen wissen, mich aber niemals von dieser Band hätten überzeugen können.

Songs wie Tailgunner, No Prayer For The Dying, Public Enema Number One und Fates Warning machen durchaus Spaß und sind eben welche, die man auf den zweiten Blick entdeckt, vor allem Public Enema hat mich bei den letzten Durchläufen immer wieder zum Grinsen gebracht, weil er ziemlich düster daherkommt. Bis dahin geht das Album in Ordnung und ist durchaus hörbar, doch dann kommt der zweite Teil des Albums...

Die Band eiert rum, bedient sich im Rifffundus aus der Mottenkiste und weiß so gar nicht mehr zu überzeugen. Es fehlen die griffigen Melodien und die Maiden-Twin-Leads. Im Prinzip versucht man es auf dem Album, wirkt auf mich allerdings ziemlich bemüht und irgendwie fehlt die gewisse Maiden-Harmonie.

Alle anderen Songs auf dem Album sind belanglos (The Assassin), schwach (Bring your Daughter) oder einfach nur schlecht (Hooks in you). Im abschließenden "Mother Russia" sind einige gute Ideen enthalten, das Ding wirkt aber dermaßen zusammengeschustert... ich weiß nicht.

No Prayer ist in meinen Ohren das schlechteste Maiden-Album. Kann man hören, ist aber kein Muss!
 
Tja, ich mag das Album. Es gibt keinen Song, der in die Kategorie “Stinker“ fällt, aber leider - so ehrlich muss man sein - auch keinen Übersong.

Meine Highlights: Holy Smoke (großartiger Text, nicht zuletzt in Kombination mit dem “göttlichen“ Video) und RUN SILENT RUN DEEP (DEN möchte ich unbedingt mal live hören). Mother Russia ist in der Tat wohl der schwächste Album-Closer in der Maiden-Historie - schon der Text ist ziemlich uninspiriert, das Thema hätte viel mehr angeboten.

Den Nachfolger finde ich insgesamt betrachtet aber deutlich schwächer.
 
Puh, "No Prayer For The Dying". Nach dem siebten Sohn des siebten Sohnes ein geradezu unfassbarer Totalabsturz, der als solcher eigentlich nur durch den 1. FC Köln der Saison 2017/18 getoppt wird. Nachdem das Album ja noch recht interessant beginnt (der Titelsong ist sogar ziemlich dufte), herrscht ab "Public Enema Number One" gepflegte Belanglosigkeit vor, die bis zum Ende der Platte Bestand hat. Der absolute Tiefpunkt ist mit "Hooks In You" erreicht, danach geht es, wie nach Tiefpunkten üblich, wieder leicht bergauf und mit "Mother Russia" endet das Album zumindest einigermaßen versöhnlich, wenn auch letztendlich, genau, belanglos. Setzen, 6. Also Punkte.
 
@Erdbär :
Tolles Review in Sachen "Powerslave" :top:

Werde noch Piece Of Mind nachschieben und steige dann bei The X Factor wieder ein. Ist ja nur Copy-/Paste. Zu Fear Of The Dark ist mein Bezug und meine Leidenschaft zu gering.

Werde aber bei Piece Of Mind ein paar Anpassungen vornehmen, da sich meine Meinungen zu einzelnen Songs im Vergleich zu 2014 etwas verschoben haben
 
Piece Of Mind


Erschienen am 16.05. 1983
Produzent: Martin "Black Night" Birch
Songwriting & Rehearsing: Le Chalet, Jersey/ Channel Islands im Januar 1983
Recorded: Compass Point Studios, Nassau / Bahamas
Toningenieure: Dennis Haliburton, Frank Gibson
Mixing: Martin Birch & Bruce Buchhalter @ Electric Ladyland New York
Artwork: Derek Riggs


Mit Piece Of Mind verbinde ich ganz besondere Erinnerungen: Es war im Jahr 1994, als mir ein damaliger Schulfreund bei einem Besuch eine Schallplatte mit nach Hause gebracht hat, die er aus der Sammlung seines Cousins stibitzt hat, der nun kein Metal mehr hört, da er ja jetzt eine kleine Tochter hat und ihr diese Musik nicht zumuten könne (!!!!) Ich kannte von Iron Maiden bis dato nur die Killers, Live After Death und die Number Of The Beast und plötzlich halte ich diese magische Platte in der Hand: Eddie kahlrasiert und lobotomisiert, in Zwangsjacke gefesselt in einer Gummizelle. Das Plattencover konnte man aufklappen und auf der Innenseite sieht man die Band dekadent speisen. Auf den goldenen Tellern wird Gemüse (Rosenkohl und Mörchen) mit Gehirn serviert. Auf pechschwarzem Grund in goldener Schrift die Texte. Das Dumme war: Ich hatte keinen Plattenspieler mehr, da diese in den 90ern ziemlich aus der Mode gekommen sind. Zum Glück feiert Vinyl heute ja wieder ein Revival. Rund drei Jahre stand diese Platte in meinem Regal und ich kannte die Texte auswendig, aber bis auf Revelations, The Trooper und Flight Of Icarus (alle als Liveversionen von der Life After Death) keinen einzigen Song und ich habe mich gefragt, wie sich die Songs wohl so anhören würden und mir in meiner Phantasie ziemlich abstruse Sachen zusammenkomponiert. Ich glaube, meine Idee von Die With Your Boots on wich dann doch drastisch von dem ab, was der Song dann wirklich musikalisch ausdrückt.

Irgendwann 1999 griff ich dann in einem Plattenladen, ich glaube, es ist die heute in Deutschland nicht mehr existierende Kette HMV gewesen, beherzt zu, als mich das Cover auf CD zum Special Price anlächelte. Gespannt und gebannt lauschte ich dann den Songs auf der sündhaft teuren High End Anlage meines auch heute noch besten Freundes (der sich damals statt einer Maidenplatte doch lieber VHS Kasetten mit Dragonball Episoden kaufen musste) und wurde regelrecht weggeblasen.

1. Where Eagles Dare (Harris) zeigt, warum Nicko McBrain Iron Maiden musikalisch so weit nach vorne gebracht hat. Rhythmisch war das im Vergleich zum leider inzwischen verstorbenen Vorgänger Clive Burr ein Quantensprung. Was hier an aberwitzigen Breaks und Synkopen abgeliefert wird, lässt heute noch jeden Schlagzeuger mit der Zunge schnalzen. Der hervorragende, in stratosphärische Höhen greifende Gesang Dickinsons nimmt hier zeitlich nicht so viel Raum ein, wie das Schlagzeug des vielbeschäftigten McBrain und die Gitarrenläufe. Die Riffs sind phänomenal, von cineastischer Breitwandqualität und die sehr freizügigen Soli nicht minder. In etwas mehr als sechs Minuten, die wie im Adlerfluge vergehen, werden hier mehr Ideen verbraten, als andere Bands in 12 minütigen Songs verarbeiten können. Eine furiose Achterbahnfahrt und für mich der beste Maiden Opener, gefolgt von Caught Somewhere In Time. Bruce ist hier gesanglich so ziemlich auf seinem Höhepunkt, was sein Falsett betrifft, vor allem beim letzten Refrain kurz vor dem Ende. Das hat fast Geoff Tate Qualität (siehe Take Holf Of The Flame nach dem Intro: Man denkt, es geht nicht höher... doch, das geht. Der Wahn! 10/10

2. Revelations (Dickinson) ist dann das offizielle Songwriting Debut von Bruce Dickinson. Auf dem Vorgängeralbum Number Of The Beast, das auch sein Einstand bei Iron Maiden war, hat er ebenfalls einige Songs mitgeschrieben, durfte aber aus rechtlichen Gründen nicht in den Credits als Songwriter genannt werden, da er offiziell ja noch an die Band Samson gebunden war. Bei Revelations zeigt Bruce nun, dass er nicht nur ein begnadeter und ergreifender Sänger ist, sondern auch ein ausserordentlich talentierter Komponist. Der Song war mir bereits als Liveversion von der Life After Death bekannt und konnte mich zunächst in seiner Studioversion aufgrund des verlangsamten Tempos nicht so sehr überzeugen, wie auf Life After Death. Aber diese sehr emotionale, abwechslunsgreiche und rührende Halbballade ist eine der Perlen im Fundus der Band, die viel zu selten live gespielt werden. Sperrig, aber nach mehrmaligem Hören erschlossen und zu begeistern wissend. Das pastoral anmutende Intro mit dem harmonisch die Gitarren konterkarierenden Bass, der hymnische Refrain, der kryptische und voller mythologischer Symbolik steckende Text und das gesteigerte Tempo in der dynamisch nach vorne peitschenden Mitte mit herrlichen doppelläufigen, leicht mittelalterlich anmutenden Melodiebögen nach dem zweiten Solo runden dieses Epos ab, das sowohl Einflüsse von Wishbone Ash, als auch von Jethro Tull geschickt in den Sound der Band integriert. Der Song ist in den letzten Jahren genau wie Where Eagles Dare immer mehr gewachsen. Eine Perle der Natur! 10/10

3. Flight Of Icarus (Smith / Dickinson) war mir ebenfalls bekannt und gefiel mir als Studioversion ebenfalls nicht sonderlich, da etwas zu lahmarschig und auch etwas käsig. Ich glaube, mal gelesen zu haben, dass Steve Harris damals ählicher Meinung war. Der Refrain ist jedoch ausserordentlich eingängig und das mehr als ekstatische von Adrian zelebrierte Solo am Ende werten diesen Song dann doch noch auf. Achtet mal genau auf die Drums: Nicko nutzt die Bassdrum im ganzen Song so gut wie gar nicht, sondern wechselt nur zwischen den Toms und der Snare hin und her. Sehr interessant! Live aber hat Flight Of Icarus sehr viel mehr Drive. Dennoch: Der Song ist kaum abgenutzt und gut gealtert. 9/10

4. Die With Your Boots On (Smith / Dickinson / Harris) besticht durch klassisches Galoppel-Riffing und einen ungewöhnlichen Refrain - Bruce Dickinson fragt und die Band antwortet im Background. Die Melodiebögen vor dem ersten Solo und vor dem zweiten Solo, vor allem aber die Soli selbst sind wirkliche Saitenkunst. Adrian Smith und Dave Murray sind die melodischen Zugpferde der Band und dudeln nicht einfach nur die Skalen rauf und runter, sondern spielen ihre Soli mit Sinn und Verstand. Der kitschig apokalyptische Text und der ziemlich schmissige Drive verleihen dem Song dann eine weitere besondere Würze. Eine im heutigen Liverepertoire der Band leider nur selten gespielte Nummer, aber gute 9/10 Punkten wert.

5. The Trooper (Harris) schlägt in eine ähnliche Kerbe wie Die With Your Boots On, ist jedoch direkter, kompromissloser und kommt schneller zur Sache. Das Lied hat keinen richtigen Refrain, aber eine Melodie, die sich seeehr tief in die Ohren frisst und aus dem Liverepertoire der Band nicht mehr wegzudenken ist. Um ehrlich zu sein, kann ich diesen Song nicht mehr hören, da ich ihn wie Run To The Hills damals ziemlich totgehört habe. Objektiv sind weniger als 10/10 Punkten eigentlich ein Sakrileg. Oft gecovert, nie erreicht und so ziemlich der Maiden Signature Song, wenn einem Run To The Hills zu poppig ist. Vor wenigen Monaten hatte ich das Vergnügen, den Song auf WDR 2 im Radio zu hören und dachte, ich traue meinen Ohren nicht. Wirklich zu kritisieren ist nur der "Ohohohohohohohoooo" Refrain. Strophen, Riffing und Soli, Bassline, Drumming sind perfekt. Nur eben abgenutzt, da zu oft live gespielt, zu oft in Clubs gehört... Für mich "nur" noch 9,5/10

6. Still Life (Murray / Harris) ist dann eine dieser unscheinbaren Nummern, die seit 1988 nie mehr live gespielt wurden und Dave Murray die seltene Gelegenheit geben, zu zeigen, dass er nicht nur ein formidabler Gitarrist ist, sondern auch ein begnadeter Songschreiber. Zunächst spricht Nicko McBrain rückwärts und zeigt damit den Leuten den Mittelfinger, die glauben, Iron Maiden würden heimlich satanistische Botschaften auf ihren Platten verstecken. Nach diesem Hoax, den Nicko rückblickend als seine berühme Idi Amin Eingebung bezeichnet, offenbart Murray sein beispielloses Können mit einem ruhigen, bluesigen und herzzerreißend melancholisch-nachdenklichem Intro und einem ausladenden, sehr ergreifenden Gitarrensolo, ehe Bruce dann mit leicht flüsternder Stimme in den Song einstimmt, der sich dann zu einem sperrigen, aber dennoch kraftvollen Kracher entwickelt, der vertrackte Soloteil in der Mitte hat einen ganz besonderen, treibenden Punch und ebenfalls beinahe Jethro Tull'scher Melodieführung. Murrays Kompositionen sind selten, irgendwie interessant und klingen anders. Siehe später auch Deja Vu und The Prophecy, aktuelles Beispiel: The Reincarnation Of Benjamin Breeg. Oft sind die ruhigen Intros interessanter als der Rest des Songs, hier allerdings nicht. 10/10 Punkten sind auch hier angemessen. Lediglich der Refrain geht gesanglich nah am Kitsch vorbei. Textlich könnte es beinahe der Titelsong sein. Absolut unterbewertet.

7. Quest For Fire (Harris) ... was soll man sagen. Textlich greifen Maiden hier mit einer historischen Falschbehauptung sehr tief ins Klo. Dinosaurier, die mit Höhlenmenschen über die Erde liefen. Auch wenn sich Steve Harris mit diesem Text auf einen Film "Am Anfang war das Feuer" von 1981 bezieht, übrigens ein sehr spannender und ungewöhnlicher Film, den ich trotz fehlender Dialoge für absolut sehenswert halte: Im Film kommen zwar Höhlenmenschen vor, aber keine Dinosaurier. Auch musikalisch wird hier die Grenze zum Kitsch weit überschritten, allerdings muss man Bruce zu Gute halten, dass er nie - weder vorher, noch nachher - in größere Höhen vorgedrungen ist. Live hätte er das sicher niemals singen können. Insgesamt ein unscheinbarer Song, dem man mit guten Willen allerdings 7/10 Punkten geben kann. Kitsch hat halt doch auch Kultfaktor.

8. Sun And Steel (Dickinson / Smith) schlägt dann in eine ähnliche Kitsch-Kerbe, wie Quest For Fire, verfügt aber über die zwingenderen und auch schlüssigeren Melodien und den historischen Bezug zu Myamoto Musashi, Bruce kann hier seine Leidenschaft für den Fechtsport textlich ausleben und Adrian Smith lässt auch ein sehr schönes Solo aus seinen Fingern über die Saiten perlen. Kurz und knackig, der kürzeste Song auf Piece Of Mind und wohl einer der knackigsten und unbekümmertsten Maiden Songs überhaupt. Direkt, unkompliziert und dennoch irgendwie verspielt. 8,5/10 Punkten.

9. To Tame A Land (Harris)... Steve Harris hat mal gesagt, dass dies sein allerbester Song sei. Ich kann mir das allerdings kaum vorstellen, da man sich fragt, warum er als Bandchef diesen Epos nicht live spielen möchte? Textlich lebt Steve Harris hier seine Leidenschaft für Science Fiction aus, leider hat ihm Schriftsteller Frank Herbert einen Strich durch die Rechnung gemacht und untersagt, diesen Song "Dune" (der englische Titel des Epos "Der Wüstenplanet - LESENSWERT!) zu nennen. Leicht orientalisch kommt er daher mit einem ausladenden Gitarrenbogen, dessen Melodie sich durch den gesamten Song spannt. Leadinstrument ist aber der Bass. Steve Harris gibt mit seinen vier dicken Trossen die Melodie vor und die Gitarren folgen lediglich. Seinen Vorbildern im Progressive Rock folgend, setzt Steve Harris hier den Bass als Leadinstrument sehr geschickt ein, Nicko McBrain würzt den Song mit einem schleppenden Rhythmus, garniert mit zahlreichen komplexen Fills. Das Riff, während Bruce zu Singen beginnt, ist rhythmisches und atonales Stakkato, während Steve unbeirrt die Melodie auf dem Bass weiter spielt. Nur zwischen den einzelnen Strophen darf auch die Gitarre mal als Leadinstrument hervorstechen. Hier ist es Dave Murray, der wiederum zeigt, was er kann. Eine geniale Melodie jagt hier die andere, Bass und Gitarre spielen hier Verfolgsungsjagd und insgesamt muss man von einem Melodiekarrussell sprechen. Die Melodiebögen sind wirklich wunderschön und prachtvoll, es ist ein Hochgenuss, den drei Saitenhexern zu horrchen. Für mich, auch als Science Fiction Fan ebenfalls eine der besten Kompositionen aus dem Hause Harris, unkonventionell und ziemlich verrückt. Die sieben Minuten vergehen viel zu schnell und eigentlich könnte ich diese endlosen Dudelschleifen noch eine Weile länger ertragen. Heute haben Maiden diesen Stil bis zum Ultimo ausgelutscht, damals war das noch ziemlich en vogue. 10/10.

Insgesamt kann man sagen, dass Piece Of Mind deutlich progressiver daherkommt, als seine drei Vorgängeralben. Bruce traut sich mehr beim Gesang, Nicko McBrain bringt eine interessante, jazzige Schlagseite hinein. Im Vergleich zu Number Of The Beast haben Maiden vielleicht eine Priese Härte und Düsterniss eingebüsst, summa sumarum aber kompositorisch einen Quantensprung vollbracht. Es war ja auch kein Wunder, dass für die B-Seite der Trooper Single dann "Cross Eyed Mary" von Steve Harris Lieblingsband Jethro Tull gecovert wurde.

Die Platte ziehrt nach wie vor noch mein Regal und ich schaue mir die Texte gerne an, wenn ich die CD höre.

Maiden haben nun ihren eigenen Stil gefunden und bis dato mehr oder weniger beibehalten.

Trotz winziger, kaum ins Gewicht fallender Mäkel kann man mit Fug und Recht 9,5 /10 mit Tendenz zu 10/10 Punkten vergeben.
 
Piece Of Mind
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Insgesamt kann man sagen, dass Piece Of Mind deutlich progressiver daherkommt, als seine drei Vorgängeralben. Bruce traut sich mehr beim Gesang, Nicko McBrain bringt eine interessante, jazzige Schlagseite hinein. Im Vergleich zu Number Of The Beast haben Maiden vielleicht eine Priese Härte und Düsterniss eingebüsst, summa sumarum aber kompositorisch einen Quantensprung vollbracht. Es war ja auch kein Wunder, dass für die B-Seite der Trooper Single dann "Cross Eyed Mary" von Steve Harris Lieblingsband Jethro Tull gecovert wurde.

Die Platte ziehrt nach wie vor noch mein Regal und ich schaue mir die Texte gerne an, wenn ich die CD höre.

Maiden haben nun ihren eigenen Stil gefunden und bis dato mehr oder weniger beibehalten.

Trotz winziger, kaum ins Gewicht fallender Mäkel kann man mit Fug und Recht 9,5 /10 mit Tendenz zu 10/10 Punkten vergeben.
Auch wieder alles sehr lesenswert! Ich beneide echt, wie treffend du musikalische Details beschreiben kannst!
Wir haben hier diesmal ja auch ausnahmslos exakt die selben Highlights (und Schwachpunkte)!
Widersprechen würde ich nur in dem Punkt, dass Maiden hier im Vergleich zum Vorgänger an Härte und Düsternis verloren hätten - so düster wie "To Tame A Land" war für mich nichts auf "Number Of The Beast" und härter als "Where Eagles Dare" oder "The Trooper" auch nichts. Außerdem finde ich den Gitarrensound auf "Piece Of Mind" viel druckvoller und rauher, der kommt irgendwie eine Ecke brachialer rüber.
 
Wie sich an Public Enema No. 1 die Geister scheiden... ich finde den Song, genau wie Fates Warning ziemlich toll... The Assassin übrigens auch.
Verstehe auch nicht, wie man die drei Songs schlecht oder langweilig finden kann (bis auf den Refrain von "Assassin" vielleicht)! Nach dem Titelsong zählen die für mich klar zu den besten auf dem Album (z.T. noch vor "Tailgunner" und weit vor "Holy Smoke").
 
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