Der Gastbeitrag „Schöpferische Zerstörung“ zu KI und Kunstverständnis von Viktoria Kraetzig und Jannis Lennartz (F.A.Z. vom 22. Februar) kulminiert im Schlusssatz: „Mehr Technik heißt am Ende: Mehr Kultur.“ Was hier vergessen wird, ist einerseits die Rezipienten-Seite, denn dem Mehr an Produktion müsste auch ein Mehr an Rezeptionsvermögen gegenüberstehen, ein mehr an Kenntnis, an Referenz, überhaupt: an Interesse. Das aber wächst leider nicht mit. Und warum auch? Was sollte denn hier rezipiert werden? Welche Botschaft trägt ein Werk, das durch einen Prompt gefüttert wird, den die Autoren einem digitalen Pinsel gleichsetzen, der aber von einer denk- und empfindungsfaulen Hand geführt wird? Hier herrscht – andererseits – ein grundlegendes Missverständnis von Kunst: Der Künstler steht nicht vor Staffelei, Steinblock oder leerem Notenblatt und zielt darauf, „ein Werk im Stile von . . .“ zu schaffen. Er sucht, eine tiefere Erkenntnis oder Wahrheit auszudrücken, und bedient sich dabei gegebenenfalls einer Melange von Stilelementen seiner Vorgänger. Der Prompt-Pinsel-Vergleich hinkt deshalb gewaltig, weil der Prompt eines künstlerischen „Schaffens“ lauten müsste: „Drücke aus ein tiefes Unbehagen über . . .“. Aber KI weiß nicht, was Unbehagen ist. Zu erwarten ist deshalb nicht ein Mehr an Kunst, sondern ein Mehr an Oberfläche ohne Sinn und Verstand, ohne Wahrheit, ohne Seele. Erstens, weil der Prozess des Promptens bereits sinnentleert ist, indem er auf einer falschen Prämisse von „künstlerischem Wert“ beruht, zweitens weil sich die geschaffenen Werke aufgrund ihrer Entstehung tendenziell nicht immer weiter ausdifferenzieren werden, sondern im Sinne einer sich steigernden Selbstreferenzialität immer einheitlicher im Stil werden, was sich bereits an heutigen Bildschöpfungen ablesen lässt. Ein Ende wie eine Google-Recherche: Die ersten zehn Suchergebnisse werden wahrgenommen. Dahinter: nichts mehr. Martin Hohmann, Darmstadt