CYCLIC LAW / Dark Ambient Label (CAN)

CYCLIC LAW – Einige kleine und große Geschwister

Ihr süßen Herzchen, ich hüte gerade das Bett und habe daher etwas Zeit. Eine Dark-Ambient-Labelschau für den kleinen Teil des Forums mit Interesse in derartigen Sounds. Cyclic Law und Cryo Chamber sind zwar sicherlich die bekanntesten, aber bei weitem nicht die einzigen Player im Genre, wobei ich natürlich auch nur einen Bruchteil kenne. Vorab das Wichtigste für die tl;dr-Fraktion: Dronarivm anchecken.

Fangen wir gleich mit dem Schlimmsten an. Malignant Records aus den USA veröffentlichen präferiert Hartei-Stoff, also Zeug, das weh tut und Hosenscheißer in die Flucht schlägt. Ein Label, das die Ursprünge des Dark Ambient sehr wertschätzt, und die liegen nicht in irgendwelchen Kaminfeuerknister-Sounds, sondern im Industrial.
https://malignantrecs.bandcamp.com/
Anspieler: „The Rituals“ von Monocube

Eine andere Stoßrichtung schlägt das niederländische Label Winter-Light ein, seit 2014 aktiv, d.h. spät dazugekommen, und spezialisiert auf sphärischen Space Ambient. Selbst bei den Alben, bei denen das Konzept in eine andere Richtung steuert, brauchste nur ein paar Planeten aufs Cover packen und sie reihen sich mit ihren unterschiedslosen Hallflächen in genau dieselbe Richtung ein.
https://winter-light.bandcamp.com/
Anspieler: „At The Gates Of Ouln“ von Abbildung

Bei den in Rom ansässigen Glacial Movements ist der Fokus dagegen Polar Ambient, also – Eigenzitat – (Dark) Ambient bei dem es ausschließlich um Schnee, Eis, Meer und kalten Wind geht. Bissel speziell und naturgemäß ähneln sich viele Acts. In den späteren Jahren hat sich das Spektrum etwas erweitert.
https://glacialmovements.bandcamp.com/
Anspieler: „Arctic April Mother“ von Yuya Ota

Loki-Found aus meiner Heimatstadt Leipzig gehören zu den Traditionslabels (seit 1991) und stammen aus dem Umfeld der profilierten Inade und Herbst9. Einige Veröffentlichungen haben einen perkussiven Touch, einige gehen mehr in Richtung Electronica ohne spezifische Ambient-Ausprägung, aber dunkel sind sie alle. Knut Enderlein von Inade, der das Label betreibt, verantwortet mit deep-audio.de auch einen der besten Online-Shops für Dark-Ambient-Veröffentlichungen.
https://loki-found.bandcamp.com/
Anspieler: „Fragmentary“ von Herbst9

Databloem aus den Niederlanden decken generell das Feld zeitgenössischer elektronischer Musik mit einem speziellen Fokus auf Minimal ab und bewegen sich also nur abschnittsweise im Dark Ambient; verbindendes Glied der meisten Veröffentlichungen ist der Drone. Haben viel Entdeckenswürdiges.
https://databloem.bandcamp.com/
Anspieler: „Strataradialis“ von Cymphonic ‎

Infinite Fog Productions konzentrieren sich seit einer Weile auf Re-Releases von raison d'être bis Coil und veröffentlichen viel Neofolk, haben aber einige auch Dark-Ambient-Geschichten im Gepäck und mit frühen Veröffentlichungen von Nordvagr, Northaunt und Dahlia´s Tear auch Aufbauarbeit für heutige bekannte Projekte geliefert. Hatte die als russisches Label im Gedächtnis, sitzen aber lt. BC in Österreich.
https://infinitefog.bandcamp.com/
Anspieler: „Barren Land“ von Northaunt

Aber Stichwort Russland – eine Fundgrube im Bereich Dark Ambient. Nicht nur ist es so, dass viele Künstler des Genres von dort kommen, es gibt auch ein paar exquisite Labels. Endless Quest Media aus dem Umfeld von Qeight zum Bleistift, die in vielen ihrer Veröffentlichungen das Feld ASMR und Meditation musikalisch untermalen und sich im Psybient ausbreiten. Generell fällt mir bei den russischen Labels des Genres ein starker Fokus auf Musikalität auf.
https://endlessquest.bandcamp.com/music
Anspieler: „North Wind“ von Textere Oris

Das mit der Musikalität trifft auch auf viele Veröffentlichungen bei Kadaath Records zu. Sehr melancholisch, sehr sehnsüchtig ist das dann und ein Kontrastprogramm zu Acts wie der Ocular Corporation, die einfach nur abgefuckt und voller Selbsthass sind. Das Label hat seit 2014 nichts mehr veröffentlicht.
https://kadaath.bandcamp.com/
Anspieler: "Lux Lucis" von i AM esper

Der absolute Hammer ist aber das in Moskau ansässige Label Dronarivm, bei der ich mich nur deshalb an der Erstellung eines eigenen Threads hindere, weil die Zielgruppe im DFF so übersichtlich ist. Verdient hätte es dieses Schmuckstück von Plattenfirma auf jeden Fall, bei der konsistenten Qualität und z.T. auch hohen Originalität der Veröffentlichungen, die anders als der Labelname insinuiert keine spezielle Ausprägung im Drone aufweisen, sondern das gesamte Feld zeitgenössischer elektronischer Musik in der Bandbreite von Neoklassik bis eben Dark Ambient bedienen.
https://dronarivm.bandcamp.com/music
Anspieler: „The Wine Dark Sea“ von Christopher Bissonnette
 
Heute sind gleich drei starke Veröffentlichungen bei Cyclic Law erschienen.

Das neue Album von Leila Abdul-Rauf ist wirklich bemerkenswert und ihr bestes bisher. Wer die Vorgänger kennt, ist mit ihrem speziellen Genre-Zugang über Glockenspiel, Trompete und die vokalen Lautmalereien ja schon vertraut, aber mit "Phantasiai" hat sie die Brücken zum New Age, die bisher immer da waren (und mir persönlich wegen ihrer verflachenden Wirkung den Hörgenuss stets eingeschränkt haben), abgebrochen. Das Teil steckt voller Gruft und Verdammnis; ffo Phonothek, späte Elend.
https://cycliclaw.bandcamp.com/album/phantasiai

"Dilogia" von Muhd ist eine einnehmende Loop-Orgie, die aus maximal zwei Akkorden gebaute Ambientflächen in kernige Drones führt, mit etwas Noise und Electronica rundherum. Innovationsfaktor gleich null, Atmosphäre aber bombastisch; ffo Carbon Based Lifeforms, Sinke Dûs.
https://cycliclaw.bandcamp.com/album/dilogia

O Saala Sakral führen mit "Heven" ein doppelbödiges Schauspiel auf, das Elemente des Ritual Ambient, insbesondere den sakralen Männerchor, im ersten Schritt dankbar aufnimmt, im zweiten verfremdet und bricht, leider nur auf EP-Länge. Die Perkussions stehen nicht so im Vordergrund wie auf dem Debüt, das hier klar überholt wird; ffo Phurpa, Shibalba.
https://cycliclaw.bandcamp.com/album/etmaal
 
„Daemonum“, das neue Album von raison d'être, erschien dieser Tage zum 30jährigen Jubiläum …
… und hat in der Tat Elemente einer Werkschau. Man findet sowohl die Maschinen, Trommeln und Glocken der 1990er als auch den bassigen Drone der 2000er als auch das Monolithische der 2010er wieder, alles untersetzt mit den bekannten Männerchören. Es ist dennoch ein Album mit eigenem – sehr finsterem – Gesicht, durch den atmosphärischen Aufbau, der sonderbar verdreht von der Erlösung in den Abgrund führt, durch die Wucht, die es in seinem langsamen Schritttempo entwickelt (75 Minuten Dauer, Stücke jenseits der 10min), durch das strukturgebende Stop-and-go der Einzelschritte. Und bei „The Roots Of Our Weaknesses“ denke ich immer ketzerisch, dass hier der Meister vom Jünger gelernt hat, vulgo: Peter Andersson von Metatron Omega. Ist jedenfalls bis jetzt mein Highlight des Albums, wenn man den Begriff in dem lichtlosen Genre denn verwenden kann.
Reinhören:
https://cycliclaw.bandcamp.com/album/daemonum
 
Mit "мреть (наутро ночь)" von Saáadon ist zum Jahresende noch ein tolles Album bei Cyclic Law erschienen, und m.W. das erste dieses Stils auf diesem Label. Bedient 100%ig den Weichei-Block mit warmen, harmonischen Flächen aus Synthies und Gitarren, obendrauf gibt es sogar etwas Gesang. Hat eine gewisse Post-Komponente; Post Rock kann man nicht sagen, der Rockfaktor liegt bei Null, aber es weckt in mir Assoziationen bis hin zu Sigur Rós. Kann mich da wunderbar drin verlieren.
https://cycliclaw.bandcamp.com/album/-
 
Cyclic Law Jahresrückblick 2022

Was soll einem der Songtitel “Morning of The Severed Head of a Black Cock” sagen? Was soll mir “Medea Forgives Jason” von Darja Kazimira sagen? Dieser Ritual Ambient Abfuck gehört zu den ärgsten Sachen, die Frederic A. bis dato rausgebracht hat.

Ansonsten war es ein ziemliches Softie-Jahr für Cyclic-Law-Verhältnisse.
Den Sorte Død geizen nicht mit analogen Breitwandsounds, die mehr mit Berliner Schule zu tun haben als mit dem, was man sonst mit dem Label assoziiert.
Die neue øjeRum basiert komplett auf den Klängen eines Harmoniums – das ist eine Art Mini-Orgel, die Ende des 18. Jahrhunderts entwickelt wurde, und hier um Hall und Effekte ergänzt wird, aber das alles sehr respektvoll und leicht fassbar.
Das Debüt von Ascending Divers klingt eigentlich wie gemacht für Glacial Movements, nicht Cyclic Law – hohe Synthieflächen treffen mit epischer Kraft auf eisiges Rauschen. Sehr malerisch, sehr gut konsumierbar.
„Inversion“ von Curse All Kings verdient seinen Titel. Vier seeeehr langsam aufgebaute Gefühlswallungen zwischen 10 und 35 Minuten, die zur Meditation oder als Einschlafhilfe taugen, was in dem Fall positiv gemeint ist. Ist auf jeden Fall ein Album für Ambient-Hardliner, als Einstieg ins Genre völlig unbrauchbar. Das Booklet enthält hochstimmungsvolle s/w-Bilder von Ruinen.

Die anderen VÖ haben mir nicht zugesagt, wenngleich keine weitere davon so schlimm wie “Medea Forgives Jason” war.
 
Cycliw Law Jahresrückblick 2023

Im direkten Vergleich mit Simon Heath/Cryo Chamber kann man konstatieren, dass Frédéric Arbour sehr viel mutiger in der VÖ-Politik seines Labels ist. Heath ist der konservative, sicherheitsbedachte der beiden, setzt auf eine stabile Basis an Acts und Projekten, die sich auch stilistisch keine großen Ausbüchser erlauben, und baut rundherum einige Experimente. Bei Arbour bzw. Cyclic Law ist der Grundansatz ein progressiver und das Experiment der Mittelpunkt. Habe es nicht ausgezählt, würde aber behaupten, dass mindestens die Hälfte der Releases 2023 debüttierte, zumindest auf diesem Label. Und stilistisch ist das ganze Gedröhne, Gefiepe und Gefurze mit gelegentlichen Absackerpausen vielleicht auch eher was für Leute mit Sound- und Technikfetisch als für Weichflöten wie mich, die sich mit Dark Ambient runterregeln wollen.

Also, es war wieder wenig dabei für mich. Der Zweitling von Sinke Düs ist schön, melancholisch, nach innen gekehrt, leider weniger melodiös als das Debüt. Shibalba haben das Plus, zu den besten Ritual-Ambient-Acts der Gegenwart zu gehören, und das Minus der personellen Verflochtenheit mit Acherontas. Desiderii Marginis ist immer ein Überraschungspaket. Diesmal geht es wieder Industrial-lastiger zu, insbesondere die Sprechsamples sind markant. Holt mich weniger ab als zuletzt, dennoch gut.

Bonus: Die "Prospectus I" von raison d'être ist super, aber natürlich kein neues Album. Ein einfacher Re-Release anstelle eines 4CD-Pakets mit Demozeug obendrauf hätte es auch getan.
 
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