Also ich hab gestern das erste Mal die Lords of Depravity-Doku gesehen (nur Teil 1 bzw. die ersten drei Stunden) und bin ehrlich gesagt etwas verwirrt, bzw. mehrere Fragen tun sich auf. Ich war ja nie ein besonderer SODOM-Fan, höre die Band eigentlich nur von "In the Sign ..." bis zur Persecution Mania, und weiß jetzt auch nicht sooo viel über die - das nur vorweg.
1. Dadurch, dass Lords of Depravity von vielen als Pflicht-Doku gehandelt wird, hatte ich schon gewisse Erwartungen. Dabei finde ich die jetzt gar nicht mal so gut (außer es kommt in Teil 2 noch eine Pointe oder ein guter Schluss, der das ganze irgendwie zusammenklammert, also ist das vielleicht verfrüht). In erste Linie herrscht das Schema Tom - Bilder mit Musikfetzen - Tom vor. Das ist schon ok, ein bisschen einseitig halt. Stoßrichtung: Tom ist Sodom, Sodom sind Kult (so sehr, dass man auf den alten Flyern, die eingeblendet werden, nur erahnen kann wer da noch gespielt hat). Dort wo es mehr Bildmaterial gibt wird teilweise unverhältnismäßig ausgewalzt - 2. Japantour, 10 Jahres Anniversary in der Zeche. Bela B hat insgesamt vermutlich mehr Screen Time als Witchunter, warum zum Teufel? Was für ein affektierter Lappen. Die Tonqualität der Interviews variiert stark, finde ich unüblich für eine professionelle Produktion. Weiß jemand warum? Hat Tom das selbst gedreht weil SPV wieder mal kein Geld für Sodom übrighatte? Und warum findet ihr (?) die Doku so gut, oder deutlich besser als vergleichbare Werke?
2. Ich finde es ja ziemlich deutlich dass die Doku Sodom feiern will. Bei mir hat sich jedoch ziemliche Ernüchterung breitgemacht, da ich das Gefühl hatte, mir wird vorgeführt, dass Sodom eigentlich nie eine "Band" waren, sondern für die Ära Witchunter ein 2-Mann-Projekt, meinetwegen eine Band, aber seitdem eigentlich nur noch Tom, und ganz sicher keine "Band". Natürlich wusste ich vorher über die zahlreichen Wechsel Bescheid, aber dass es so viele waren, und das vorgerechnet zu bekommen, meine Güte. Ich meine da ja ein Muster zu erkennen. Sodom sind also in den 80ern dieses 2-Mann-Projekt, Tom und Chris sind wohl die längste Zeit ziemliche Asis, aber während Tom hin und wieder wichtige Bandentscheidungen trifft, ist Witchunter einfach bei allem an Bord, solange er nur spielen und saufen kann. Man könnte die Vermutung wagen dass die Beziehung zwischen den beiden so gut war weil Witchunter so ein Yes-Man war, aber dazu unten.
Die erste Kategorie an Leuten die die Band wieder verlassen sind die, die nach kurzer Zeit wieder gehen. Die Gründe sind verschieden, bei einigen (zB Blackfire) ist ihnen einer der beiden anderen zu Asi. Gut.
Die zweite Kategorie sind Leute, die etwas länger dabei sind. Und hier kickt das erwähnte Muster ein, und zwar bis in die Gegenwart. Die steigen bei Sodom ein - zu was für Konditionen weiß man nicht, aber erstmal dazu, und wenn es gut läuft, kann man irgendwann in der Zukunft ja nachverhandeln, oder nicht? Nach ein paar Jahren oder Alben bekommen diese Leute das Gefühl, dass sie schon irgendwie Teil der "Band" geworden sind, können sich identifizieren, haben fleißig mitkomponiert usw. und wollen dementsprechend (besser) beteiligt werden. Zu diesem Zeitpunkt bekommt Tom immer das Gefühl dass die Leute irgendwie nicht mehr zur "Band" passen und sich "Vorstellungen" auseinanderentwickelt haben, woraufhin die "Band" (Tom: "wir") entscheidet, sich von diesen Leuten im gegenseitigen Interesse zu trennen. Wie oft das in dieser Doku wiederholt wird, ist schon nicht mehr feierlich.
Das lässt Tom also in meinen Augen ziemlich schlecht dastehen. Nämlich wie einen, der Leute dafür rauswirft, nach Gehalts- oder sonstigen Vertragsverhandlungen auch nur gefragt zu haben - und zwar zu Dutzenden, etwas überspitzt ausgedrückt. Das war vorher nicht unbedingt mein Bild von ihm, obwohl man sich ja erst letztens wieder fragen musste was da los war (oder zumindest Sodom-Fans haben sich das gefragt, ich nicht so).
Ich finde das ist jetzt nicht der "kritische Blick" der Doku, über den ich zu dieser Perspektive gekommen bin, sondern eher das was zwischen den Zeilen so mitschwingt kombiniert mit den ganzen Ausstiegsgeschichten, die ich über die Band schon kannte bzw. am Rande mitbekommen hab. Wie seht ihr das denn? (edit: klar, das wurde hier auch schon ein bisschen diskutiert, aber nur am letzten Fall denke ich. Bin einfach auch erstaunt wie lange man das so machen kann ohne das es jemand zu jucken scheint.) Sind solche Zustände sowieso Standard in der Musikwelt? Und, Verständnisfrage: Wie konnte Witchunter denn so mir nichts, dir nichts der Band geworfen werden? War der nachdem er zehn Jahre lang auf jedem Output getrommelt hat immer nur ein einfacher Angestellter? (mein Erstaunen wirkt sicher naiv, über das Musikerdasein aus arbeitsrechtlicher Sicht habe ich mir echt noch nie so wirklich Gedanken gemacht)