Über….
...100 Seiten im Sabaton-Thread des Forums für Überzeugungstäter.
...100 Seiten die sich im Kreise drehen zwischen Verfechtern, Trollen, Bashern, Fans und sonstigen Individuen.
...100 Seiten über eine Band über die es eigentlich nichts zu sagen gibt.
...100 Seiten über eine Band die hart gearbeitet hat und die ihren Erfolgsbaukasten gefunden hat.
...100 Seiten über eine Band die eigentlich nur eine Randnotiz im Metal darstellen sollte.
Traurige 100 Seiten wenn ihr mich fragt. Was man auf diesen 100 Seiten teilweise lesen muss ist meiner Meinung nach kaum zu ertragen.
Aber wieso hat dieser Bandthread überhaupt so viele Seiten? Wieso polarisiert diese Band anscheinend so stark?
Mein Erstkontakt mit dieser Kapelle war irgendwann um 2005/2006. Damals sagte ein Kumpel zu mir: „Hör dir Sabaton an, die sind genial, die werden mal groß!" Tja, und das wurden sie. Leider. Mein Erstkontakt auf Konserve fand also zu Primo Victoria/Attero Dominatus Zeiten statt und schon damals war mir das zu gewollt heroisch, zu hymnisch, zu plakativ und voller unnützem Pathos. Und damals habe ich noch viel mehr „Power Metal" der europäischen Schule gehört. 2008 in Wacken war dann mein erster Live-Kontakt mit dieser Band und auch danach konnte ich das Gehabe und Gehype um diese Kapelle nicht verstehen. Es wollte einfach nicht zünden und wie gesagt, ich war damals noch ziemlich unvoreingenommen gegenüber der Truppe. Was ist also in den letzten +10 Jahren passiert, dass mir die Band so dermaßen auf den Sack (man entschuldige die Ausdrucksweise) geht?
Seither habe ich sie noch zwei Mal live gesehen, 2012? Im LKA zu Stuttgart (mit Skull Fist, Powerwolf und Grave Digger) sowie 2013 als Support von Iron Maiden in Singen/Aach. Diese beiden Male empfand ich es bereits zum Fremdschämen. Diese kindischen Hymnen aus dem immer gleichen Baukasten, diese Kindergarten-Refrains über Krieg und Heldentum, diesen Keyboardkleister und das Ganze, bewusst gewobene und erschaffene Image. Das ist nicht meine Welt und das ist nicht mein Heavy Metal.
Tut mir das weh? Wohl kaum. Die Band hat hart für ihren Erfolg gearbeitet, das muss man ihnen lassen. Sie haben ihre Schiene und ihr Erfolgsrezept gefunden, die Hallen werden von Tour zu Tour größer und der Publikumszuspruch wächst. Auch das muss man neidlos anerkennen. Tut mir das weh? Auf den ersten Blick nicht. Wenn ich aber darüber nachdenke und tiefer in die Materie eintauche, kann ich diese Frage mit einem klaren JA! beantworten. Sabaton ist nur die Spitze dieses Eisberges an musikalischen Belanglosigkeiten und Trittbrettfahrern die hier unterwegs sind. Dünne Gitarren, Pomp, Pathos, Songaufbauten aus dem Baukasten, ich wiederhole mich. Wo ist die Tiefe? Wo ist der künstlerische Anspruch neues zu erschaffen? Wo ist der Anspruch sich als Band weiterzuentwickeln, neue Wege zu gehen? Das kann ich nirgends entdecken. Stattdessen wird die Formel und das Schema F von Album zu Album wiederholt, in kleinsten Nuancen verändert und die „noch ein Bier" schreiende Hörnerhelme tragende Fanschar wächst.
Große Heavy Metal Fraktionen früherer Zeiten haben ihren Sound verändert, sind Risiken eingegangen (nicht immer zu ihrem Vorteil), haben etwas gewagt. Wie viele Platten haben Sabaton auf den Markt geworfen? Wie viel haben sie gewagt? Ist das in der heutigen Zeit überhaupt noch notwendig, in der Musik immer mehr von einer Kunstform zu einem reinen Unterhaltung- und Berieselungsmedium wird?
Hier ein Ausschnitt aus einem Artikel des Handelsblatts:
Trotzdem scheinen die Algorithmen die Musik und ihre Medien zu verändern. So werden die Songs insgesamt kürzer: Die US-Nachrichtenseite Quartz rechnete aus, dass der durchschnittliche Song in den „Billboard Hot 100"-Charts seit 2013 um 20 Sekunden kürzer geworden ist, im Schnitt ist er heute nur noch dreieinhalb Minuten lang. Für eine niedrige Skip-Rate müssen Songs ihre Hörer in den ersten 30 Sekunden an sich fesseln – und Musiker scheinen sich daran anzupassen: Der Musikwissenschaftler Hubert Léveillé Gauvin von der Ohio State University fand heraus, dass das durchschnittliche Intro eines Top-Ten-Hits in den 30 Jahren bis 2015 von 20 auf fünf Sekunden sank.
Besteht hier ein Zusammenhang zwischen dem Erfolgsbaukasten von Sabaton und dieser Erkenntnis? Kürzere Songs, kürzere Intros. Der durchschnittliche Musikhörer möchte nicht mehr gefordert werden. Der Hörer möchte sich die Musik nicht mehr erarbeiten, der Songaufbau ist altbekannt, der sich schön reimende und oft wiederholende Refrain bleibt im Ohr, das ist im wahrsten Sinne ein Hit. Oder einfach Infantil (um das Wort aus dem DF-Vorwort zu bemühen), da die Bereitschaft sich mit komplexeren Songstrukturen, Gesangslinien und langen Instrumentalteilen zu befassen in der breiten Masse immer mehr schwindet? Stichwort „5 Sekunden Intro". Sind also solche Bands die Zukunft des Metals? Werden sie die langsam sterbenden Dinosaurier beerben und einmal die Aushängeschilder unserer „Szene" sein. Ich befürchte es. Tut das mir weh? Natürlich nicht. Aber gut muss ich das auf keinem Fall finden. Ich bastle mir auch in Zukunft meine kleine, engstirnige Nische in der es sich leben lässt. Darf ich trotzdem meine Kritik an Sabaton, Twilight Force, Feuerschwanz, Korpiklani und anderen musikalischen Abartigkeiten äußern? Selbstverständlich.
Jetzt habe ich schon mehr zu dieser mir unsympathischen Band geschrieben als ich wollte, bin aber leider immer noch nicht am Ende meines Sermons.
Dieses Promo-Foto auf diesem WW I Friedhof lässt mich ziemlich ratlos zurück. Wegen mir kann man an so einer Stätte mit furchtbarer Vergangenheit ein Promofoto machen, dann sollten aber die Texte und der Inhalt des dazugehörigen Albums eindeutig Stellung beziehen. Und zwar sollten sie eindeutig klar machen, wie sinnlos, bescheuert und völlig unnütz jede Kriegshandlung, jedes verschwendende Leben, jede zerstörte Gesundheit aufgrund von irgendwelchen größenwahnsinnigen Ideen ist. Leider befürchte ich, dass das in diesem Fall nicht der Fall sein wird.
@BavarianPrivateer hat ja schon öfters Beispiele gebracht, an denen Sabaton sich anscheinend gegen Krieg aussprechen. Zu oft sind mir aber die Texte zu uneindeutig, zu plakativ und oft genug beschwören sie eine Form des Heroismus den ich absolut nicht brauche.
So. Und jetzt bin ich wieder raus hier.