Bodypart 3: Acts of the Unspeakable (1992, Peaceville Records)
Wir schreiben das Jahr 1992. Der VfB Stuttgart wird Deutscher Meister und auch Death-Metal-Platten werden weiterhin veröffentlicht. Mittlerweile existieren so viele Death-Metal-Bands auf der Erde, die, täte man sie aufeinander stapeln, eine menschliche Leiter bis zum Planeten Scumdoggia ergeben würden.
AUTOPSY dagegen fühlen sich nicht wohl, inmitten dieser Schönlinge und Trendreiter. Man hatte nun, dank zweier sehr unterschiedlich ausgerichteter Death-Metal-Klassiker, eine freudige Erwartungshaltung in der Metal-Presse geschürt. OMG, was wurden sie alle kräftig gefickt.
Ein Blick auf das Innenleben der Klapp-LP ließ ihre heile Death-Metal-Welt in sich einstürzen, wie eine gleichzeitige Sprengung sämtlicher Hochhäuser in FFM. Entsetzen machte sich im Blätterwald breit.
Unglaublich wundervolle Illustrationen von allen möglichen Arten Menschen zu foltern, zu verstümmeln, sexuell zu missbrauchen und ins Jenseits zu befördern, zierten hemmungslos die Innenseite des prächtigen Gatefold-Albums. Eine einzige Orgie sexuell abartiger Perversionen, die nur die sich der allseitig umgreifenden Degeneration bewussten Wesen unter uns ansprach und entzücken ließ. Es ist auch jetzt noch, 22 Jahre nach Erscheinen, das wohl schönste Stück Schmutz in der Welt der Coverillustrationen und hat zumindest bei mir nichts von seiner Wirkung eingebüßt.
Doch ich war skeptisch, ob der musikalische Inhalt auch der opulenten, äußerlichen Verschwendung würde standhalten können. Aber erneut schafften es Reifert und Co. mühelos, sämtliche Mutmaßungen, in welche Richtung die Scheibe gehen könnte, mit beinahe aufreizender Lässigkeit zu pulverisieren.
''Your Rotting Face'' (3:55) und ''Pus/Rot'' (4:01) waren die längsten beiden Tracks, ansonsten reagierte man sich ejakulativ meistens zwischen einer halben Minute oder zwei Minuten an seinen Instrumenten ab. Was, wie wir wissen, die durchschnittliche Zeitspanne eines Mannes ist, die er zur Selbstbefriedigung braucht, wenn er sich 5kg Steine an die Eier bindet und es sich von hinten mit einem Ochsenziemer besorgen lässt.
Die dicht aneinander gedrängten, gequälten musikalischen Orgasmen eines Herrn Reifert offenbarten, trotz aller Kürze, eine erstaunliche musikalische Vielfalt. Diese lässt sich in ihrer Gänze nur erkennen, wenn man ''Acts...'' als lebenden Organismus versteht, der sich, ständig unter Schmerzen stehend, windet und zuckt. Deshalb empfehle ich, diese LP stets nur am Stück zu hören und als Gesamtkunstwerk zu begreifen. Jeder einzelne Song ist nur ein kleines Element, analog zu einer RACK-Session, in der abwechselnde Folterszenarien angewendet werden. Doch erst, wenn alles abgearbeitet und angewendet ist und man blutend und über den Punkt gebracht, erschöpft darnieder liegt, ist das Kunstwerk komplett.
Denn nichts anderes ist ''Acts of the Unspeakable'' - eine gut halbstündige Seelenpein, die an Fleisch und Psyche zerrt, so weit man dies mit Instrumenten auszudrücken vermag.
AUTOPSY verzeichneten erneut einen Wechsel am Bass. Steve musste Josh Barohn weichen, was dazu führte, dass sich genau nichts änderte. Was so ziemlich der einzige Kritikpunkt ist, den ich an dieser Scheibe anzubringen vermag. Gerade, wenn es um einen solchen Seelenstriptease geht, hätte man die innerlichen Qualen durch ein mächtiges Bassspiel noch deutlicher zum Ausdruck bringen können. Doch auch im Hause AUTOPSY ist es dann wohl wie anderswo: der Bassist ist die ärmste Sau.
Ansonsten jedoch blieb die Besetzung gleich, was ein großer Pluspunkt ist. Denn nur eine solch eingespielte Mannschaft, die jahrelang zusammen abhängt, kann wohl die sich ständig verändernden musikalischen Visionen ihres Chefs so umsetzen, ohne dass ein Bruch entsteht.
''Acts of the Unspeakable'' ist, trotz seiner kurzen Tracks, eine mit Bravour gemeisterte Mischung aus dem wilden und ungestümen ''Severed Survival'' und dem schweren, doomigen ''Mental Funeral''. Hinzu kam jedoch noch eine gehörige Portion Dreck und blutigem Schmutz, was sich musikalisch anhört wie eine Patina menschlicher Überreste, die auf jahrzehntelang ungereinigten, unterirdischem Folterkatakomben-Boden liegt. Ein dezent veränderter Gesangsstil von Meister Reifert war auch zu vernehmen. Gepresst klingt er. Mit Agonie in der Kehle werden Songfragmente wie
''Cold sweat
Short of breath
Turning White
Fearing death
Speechless shock
Piss yourself
Relaxed rectus
Gushes it's Wealth''
inmitten der wilden und stacheldrahtartigen Tortur geschleudert. Eine zwingende Anpassung, ebenso wie die äußerst gelungene Produktion. Gerade bei so vielen verzerrten Gitarreneffekten, in denen das Leid tausender geschundener Seelen zum Ausdruck gebracht wird, durfte die Produktion auf keinen Fall matschig ausfallen. Das wusste Chris und dementsprechend wurde an ihr gefeilt, damit man auch noch jedes kleine Detail erkennen konnte.
Wieder einmal sticht besonders das Drumming hervor, das eruptiv und dominant den Weg ins Chaos ebnet und abschließend bleibt mir nur zu sagen, dass es Reifert und Band gelungen war, zum zweiten mal in Folge die Leistung eines starken Vorgängeralbums zu bestätigen, ohne es zu kopieren.
Drei stilistisch dem reinen Death Metal zuzuordnende, sich dennoch voneinander unterscheidende Großtaten, hintereinander zu veröffentlichen, das schafften vor AUTOPSY nur DEATH. Zum damaligen Zeitpunkt. Doch während Reiferts ehemaliger Bandkollege geliebt wurde, verstieß man AUTOPSY aus dem Death-Metal-Olymp. Zu abartig, zu pervers, nicht vorzeigetauglich, so der scheinheilige Tenor. Keine Band, die nunmehr Everybody's Darling war.
Der Death Metal war in der Beletage der metallischen Musikrichtungen angekommen und solche Auswüchse, wie sie sich AUTOPSY erlaubten, passten nicht mehr ins Bild der geschleckten, neuen DM-Welt. Was Reifert davon hielt? Nun. Demnäggschd! ;-)