5.
Die Phobie der Linken davor, die Validität der Hufeisentheorie anzuerkennen, ist auch immer wieder höchst putzig. Die Hufeisentheorie setzt Rechtsextreme und Linksextreme nämlich nicht gleich, wie gerne behauptet wird, sondern sie sagt nur, dass sich gewisse Positionen und vor allem Methoden bei Extremen der beiden politischen Richtungen näher sind, als bei den Extremen der einen Richtung gegenüber den Gemäßigten dieser Richtung. Man kann das Extremismusphänomen natürlich nicht auf das Hufeisen reduzieren und man kann damit niemals zu einer Gleichsetzung kommen, aber man kann sehr wohl die Methodik und den Totalitarismus daran erläutern. Und man darf es auch gerne mal hinnehmen, dass sich böse Menschen anmaßen, alle Extreme gleichermaßen abzulehnen, ohne sich daraus anzumaßen, jemandem eine Verharmlosung des einen oder des anderen Extremismus anzudichten, denn genau das tut die Hufeisentheorie nicht: Extremismen verharmlosen. Das Gegenteil ist der Fall. Ist natürlich blöd für die Extremisten der einen Seite, mit den Extremisten der so verhassten anderen Seite verglichen zu werden. Das tut weh, das kann ich verstehen, aber das Leben ist kein Ponyhof.
Wenn auch off-topic, will ich darauf noch einmal eingehen (den Rest deines Beitrags kann ich, wie so oft, unterschreiben):
Ich habe nämlich den Eindruck, dass ihr hier irgendwie aneinander vorbeiredet.
Ich denke, du hast auf jeden Fall Recht damit, dass die ganz extremen Enden in einem (theoretischen) politischen Rechts-/Links-Spektrum sich in ihren Auswirkungen/Taten sehr ähneln und damit gleich gefährlich/schlimm sein können. Das ist aber meines Erachtens auch gar nicht der Punkt, wenn gegen die Verwendung der Hufeisentheorie oder gegen die Gleichsetzung von Linksextrem und Rechtsextrem argumentiert wird.
Da geht es, soweit ich das bisher verstanden habe (man berichtige/ergänze mich hier gerne), neben der von
subcomandante angeschnittenen Möglichkeit eines Extremismus der Mitte auch weniger um theoretische, sondern mehr um ganz konkrete Gefahren und unfaire/unzulässige Gleichsetzungen (z.B . die Partei Die Linke sei genauso extrem und demokratiegefährdend wie die AFD).
Und zumindest in Deutschland sieht man doch schon anhand der polizeilichen Kriminalstatistik (die, wenn sie einen gewissen Bias hat, den doch wohl tendenziell eher Richtung Anti-Links, Anti-Personen-mit-Migrationshintergrund als Anti-Rechts haben dürfte), dass es mehr gewaltbereite Rechtsextreme als Linksextreme gibt und seit Ewigkeiten fast jedes Jahr mehr rechtsextreme Gewalttaten als linksextreme durchgeführt werden (vor allem, wenn man sich nur die Gewalttaten gegen Menschen anschaut - unter Gewalttaten werden ja in der PKS auch Landfriedensbruch und Sachbeschädigung aufgeführt). Das heißt natürlich nicht, dass linksextremistische Gewalttaten weniger schlimm sind, als
vergleichbare rechtsextreme.
Noch viel wichtiger sind aber strukturelle Dinge, wie z.B., dass es rechtsextreme Netzwerke in Justiz, Militär und Polizei (und wohl auch Politik) gibt, die auf eine gute Gelegenheit für einen gewaltsamen Umsturz warten. Sowas wäre in gleicher Form doch von Linksextremisten schwer vorstellbar (abgesehen davon, dass es dafür auch aktuell keinerlei Hinweise gibt), da Linksextreme meist staatliche Autoritäten grundsätzlich ablehnen und sich somit auch deutlich seltener für einen Beruf in der Richtung entscheiden dürften, als Rechtsextreme (die natürlich auch mal mit der Polizei aneinandergeraten, aber grundsätzlich auf starke Staatsgewalt, hartes Durchgreifen bei Verbrechen etc. stehen. Um Missverständnisse zu vemeiden: ich denke nicht, dass die meisten Polizisten Rechtsextreme sind, falls hier irgendjemand diesen Eindruck kriegen sollte). Hier gibt es also auch schon durch die Ideologie begründete Unterschiede.
Hinzu kommen übrigens noch Verzerrungen durch die Medien - selbst wenn man davon ausgehen sollte, dass die Mehrheit der etablierten Medien in Deutschland heute tendenziell eher politisch links als rechts steht (ich weiß nicht, ob es so ist, aber wird ja gerne mal behauptet): es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass überproportional oft über Straftaten berichtet wird, wenn Ausländer die Täter sind. Und wenn ich mich recht entsinne, gab es auch deutlich mehr (z.T. verfrüht und oft völlig überdramatisierte) Zeitungsartikel über den Angriff auf den AFD-Abgeordneten Frank Magnitz, als z.B. über den rechtsextremistisch motivierten Mord an CDU-Mitglied Walter Lübke oder den rechtsextremistischen Terrorakt in Halle.
Diese Dinge zeigen doch schon die enorme Schieflage, wenn man die Gefahren von Linksextremismus und Rechtsextremismus aktuell gleichsetzt, bzw. dass Medien und Politker (z.T. auch aus Angst, in der Öffentlichkeit nicht neutral rüberzukommen) sich oft schon den Rechtsextremen annähern oder ihren Bestrebungen zuspielen.
Wenn man dann noch bedenkt, dass in den letzten 30 Jahren hierzulande manchmal sogar mehr rechtsextremistische Morde in einem einzigen Jahr passierten, als die RAF in der gesamten Zeit ihres Bestehens durchgeführt hat, wirken die ständigen "Aber die Linksextremisten" Entgegnungen, wenn man gerade über Rechtsextremismus spricht, doch bestenfalls wie ein völlig realitätsferner Reflex.
Natürlich waren die RAF-Morde genauso schlimm und verachtenswert wie rechtsextrem motivierte Morde, aber die Gefahr einer RAF 2.0 tendiert in meinen Augen aktuell gegen Null und dass die Gefahr rechtsextremen Terrors (nicht nur in Deutschland) seit Jahren zunimmt, wird wohl kaum jemand verneinen können.