Wo siehst du Ansatzpunkte, die Sicht auf Kultur zu verändern? Hin zu mehr realistischer Einschätzung ihrer wirtschaftlichen Kraft, vor allem aber auch in Hinblick auf eine ganz grundsätzliche Wertschätzung, und eben auch Fürsorge in Notzeiten (wenn man eh schon so alleine rumkämpft), weg vom gerne-in-Anspruch-nehmen, aber strukturell nichts dafür geben wollen.
Da bin ich überfragt, denn ich empfinde die gesellschaftliche und hier vor allem politische Wertschätzung von Kultur als ganz merkwürdig ambivalent. Sie wird zugleich als Luxus wahrgenommen, soll aber nach Möglichkeit besonders niedrigschwellig verfügbar sein. Sie wird in Notzeiten für verzichtbar gehalten, doch gerade wenn es ihnen schlecht geht, scharen sich die Menschen um die Lagerfeuer, die ihnen die Kultur bereiten kann, um sich Geschichten zu erzählen, abzulenken oder neue Sichtweisen zu erproben. Sie erfordert absolute Hingabe und Selbstausbeutung der Schaffenden, verunmöglicht jenen aufgrund der Verknappung der Mittel jedoch zu weiten Teilen von ihrer Arbeit zu leben. Vielleicht zeichnet dies aber auch die Kultur aus, nämlich, dass sie sich nicht so einfach merkantil bemessen lässt.
Im Bereich der Popkultur und in der Veranstaltungsbranche sieht dies natürlich anders aus, denn da wird ganz real in harter Währung ein enormes Volumen erwirtschaftet, weswegen mich die fast schon an Fahrlässigkeit grenzende Gleichgültigkeit, mit der den erschütternden Verwerfungen in jenem Bereich von politischer Seite begegnet wird, umso ratloser macht. Ganz zu schweigen von der Funktion eines gesunden Kulturbertriebes als gesellschaftlichen Kitts, erscheint mir dieses Laufenlassen zumindest im Bereich der massenwirksamen, populären und eben ökonomisch enorm zugkräftigen Kultur als regelrecht verantwortungslos.
Ich mochte immer das Bonmot über das ganz alte Hollywood während des Goldenen Zeitalters des Films. Dort wurden Ideen zu Licht gemacht, Licht wurde zu Geld gemacht und dieses Geld wurde wiederum in neue Ideen investiert. Dies lässt sich, denke ich, auf viele Bereiche des Kulturschaffens übertragen, an dessen Ende der Schöpfungskette ein wie auch immer geartetes Publikum steht. Nur wird momentan vergessen, dass auch das schönste Licht einen Brennstoff und ein Gefäß braucht, um zu leuchten und den Menschen den Weg an einen Ort zu weisen, an dem sie im besten Fall gemeinsam über das Menschsein nachdenken, oder besser diesem gemeinsam nachspüren können, um daran zu wachsen. Oder einfach mal nur zu fühlen, abzuschalten, zu atmen, Katharsis zu finden.
Insgesamt bin ich sicher, dass es neue Wege geben wird, dass die Kreativität sich weiter Bahn brechen wird, dass Künstler und Kulturschaffende natürlich weiter arbeiten, weil es einfach aus ihnen raus muss, denn sonst gehen sie in ihrem eigenen Inneren unter. Die Verwertungsmodelle, die Strukturen, die Budgets werden sich ändern, die Medien in Teilen bestimmt auch. Leider auch das Personal, denn viele werden es nicht schaffen, wenn es so weitergeht. Und das entsetzt mich, macht mich traurig, wütend und momentan noch ratlos.