Frank2
Till Deaf Do Us Part
Das Schmökern in den alten Ausgaben hat was Spirituelles, teils verklärt Träumerisches aber doch Greifbares. Diese Ausgaben riechen heute noch nach diesem Schreibmaschinenpresseduft wie damals. Das Heft kam als Abonnent bis Anfang der 90er, so meine Erinnerung, in einem geschlossenen Umschlag, in den frühen Jahren eher unregelmäßig, meist an einem Freitag.
Da kam ich von der Schule heim, das Essen roch man beim Aufschließen der Tür, im katholischen Bayern entweder Fisch, Mehlspeise oder wurstlose Brotzeit bei Earl Grey mit Zitrone, und an meinem Essensplatz lag dieser EINE Umschlag mt dem Konterfei des bekannten Schriftzugs matt und verwischt glänzend. Das war pure FREUDE! Ein wohliger Schauer lief über den Rücken, es wurde nach Aufnahme von Speis und Trank im Kinderzimmer anschließend gelesen und Platten aufgelegt, die neuesten Demo- und Plattenveröfffentlichungen aufgeschrieben, in den News vernommen, was bald in schwarz in die Läden gehievt werden würde. Pure Freude, es ging noch am Nachmittag oft Richtung Stadtmitte zu ELPI/WOM/Govi/Karstadt, falls man noch Gespartes auf der Kante hatte oder nur um reinzuhören und auf eine Cola mit den Kumpeln zu quatschen.
Wie soll ich das beschreiben für Leute, die das nicht erlebt haben, aber sicherlich auf ihre Weise heute erleben? Das war als Teenager ein Quell der Freude, mit Spezln wurde abgesprochen, wer sich welche Scheibe kauft, wer wem was überspielt, welche Kassetten von welchem Hersteller die besten sind etcpp.. Für den einen waren es die BASF Chrom Super II, für mich waren es Maxell XL-II oder XL-II S oder TDK SA-90/SA-X 90.
Blättere ich heute darin, schmecke ich die damalige Zeit, dieses "schmeckt wie früher", das erlebe ich hier mit einem wohligen Gefühl, das mich tränkt, das mich mit Freude durchdringt, das einen Spielfilm meiner wundervollen Teenagerzeit am Münchner Hirschgarten abspielt. Das war und ist ein Teil meiner Sozialisation, nicht nur musikalisch, nein, auch generell in meinem sozialen Sein. Darum kann ich es nicht oft genug sagen oder schreiben, auch wenn wir seit weit über 10 Jahren getrennte Wege gehen. DANKE, Rock Hard!
Sehr schön und anschaulich beschrieben.
Ähnlich erging es mir auch, nur halt in Köln