Ich habe ja eine Schwäche für italienischen Neofolk. Mit am spannendsten finde ich Calle della Morte, eine venezianische Band, die thematisch auch sehr mit ihrer Stadt verwurzelt ist (wen wundert's). Ist jedenfalls so gar nicht "Stock-im-Arsch"-Musik, sondern immer ein bisschen rotzig, abgründig und augenzwinkernd. Personelle Überschneidungen gibt es mit Inner Glory, die nicht diesen rotzigen Charme haben, sondern gediegener daherkommen. Mag ich aber ebenso.
Anderes Thema: beim Lesen der Songtitel von Orplids Deus vult schrillen bei mir sofort sämtliche Alarmglocken. Ich hatte bislang auch keine Lust, ins Album reinzuhören. Nachdem ich die in den Artikeln erwähnten Texte gelesen habe, weiß ich, zurecht. Was mich aber mehr wurmt ist die Richtung, die Jerome Reuter mit seinen letzten Alben eingeschlagen hat, musikalisch aber v.a. inhaltlich. Ich habe schon viele Interviews mit ihm gelesen und weiß, dass er gerne in seinen Liedern verschiedene Positionen einnimmt - aber dass er Just in dieser politischen Situation der letzten 5-6 Jahre Alben veröffentlicht, die so viele Codes und Diskurse der Neuen Rechten beinhalten, ist für mich völlig unverständlich. Als ich "Masters of the earth" erstmals hörte, konnte/musste ich verschiedene Tropen abhaken - und dann auch noch vorgetragen von Aki Cederberg, der ja auch alles andere als unproblematisch ist. Da hört es halt auf. Reuter gibt sich gerne als Anarch, als Freigeist, aber ich fürchte, dass er mittlerweile schon ein deutliche Schlagseite hat. Und das finde ich bei einem Künstler, der Meisterwerke wie Flowers from exile, Die Æsthetik der Herrschaftsfreiheit und A passage to Rodesia geschaffen hat ungemein schade. Ich sehe allerdings auch, dass diese inhaltlichen Veränderungen allein beim Vorgänger-Albun überhaupt thematisiert worden, während sie bei den letzten beiden regulären Alben nur von neurechten bis faschistischen Online-Zines lobend hervorgehoben wurden.