Erdbär
Till Deaf Do Us Part
Eigentlich habe ich mir ja vorgenommen, zu Fear Of The Dark nix zu schreiben... aber bei so viel haarsträubenden Unsinn, den ich hier zu einigen Songs lesen musste, ist es an der Zeit, hier mäßigend einzuschreiten:
FEAR OF THE DARK
Datum: 11.05. 1992
Produzent: Martin "The Juggler" Birch & Steve Harris
Studios: Barnyard Studios, Essex
Tontechniker: Mick McKenna
Mixing: Martin Birch & Steve Harris
Cover: Melvyn Grant
Bisher habe ich, soweit ich weiss, in keiner meiner Rezensionen für einen Song weniger als 7 Punkte vergeben. Denn 7/10 ist ja bekanntlich kurz vor Dreck. Ab nun folgen die Alben von Maiden, bei denen ich wesentlich gnadenloser bewerten werde.
Lange Zeit ging es dem Album Fear Of The Dark bei mir ähnlich, wie Piece Of Mind oder dem Debutalbum. Ich kannte lediglich den Titelsong als beeindruckend magische Liveversion von der Best Of The Beast und Be Quick Or Be Dead. Das Album selbst habe ich mir erst ein oder zwei Jahre später gekauft, da ich irgendwie ahnte, dass Fear Of The Dark als Titelsong alle anderen Songs überragen müsse und kein anderes Lied dieses Albums an diesen heranreichen könne. Teilweise behielt ich auch Recht, aber eben nur teilweise.
Als ich mir Fear Of The Dark gekauft habe, wurde bereits die Reunion von Iron Maiden mit Bruce und Adrian angekündigt. Ich glaube, es war zur selben Zeit, als ich auch Piece Of Mind zum ersten Mal zu Hören bekam, nachdem die Schallplatte bei mir im Regal thronte und ich spekulierte, wie dieser und jener Song wohl klingen mag. Diese Vorfreude, gemischt mit Neugierde, obskuren Vermutungen und einer gewissen Hibbeligkeit, das Album endlich kennen zu lernen, war aber bei Fear Of The Dark nicht ganz so groß, wie bei Piece Of Mind. Einige Dinge faszinierten mich aber an dem Album. Das Bandlogo, der charakteristische Schriftzug war vertikal auf dem Cover platziert und nicht horizontal. Eddie als lebender Baum, so eine Art Ent oder Huorn, wie der gemeine Geek sie aus Herr Der Ringe kennt, hatte dann doch eine gewisse Faszination auf mich ausgeübt und die Tatsache, dass es das letzte und aktuellste Maidenalbum mit Bruce war. Den Titelsong bekam ich ja, wie eben erwähnt, auf der Best Of The Beast 1996 zu hören und hat mich in seiner nervenzerreissenden Intensität und Urgewalt ziemlich platt gewalzt. Das war natürlich, bevor ich nach der Jahrtausendwende fast jedes Wochenende in Metalkneipen verbracht habe und den Song bis zur Unerträglichkeit mit besoffenen Wochenendmetallern teilen und erdulden musste, von denen ich überzeugt bin, dass sie ausser Run To The Hills und eben Fear Of The Dark von Maiden nichts kennen würden. Lief dann von Maiden tatsächlich mal ein anderer Song als einer von den beiden genannten, etwa Where Eagles Dare, Sea Of Madness oder The Prisoner, war ich dann wie befürchtet der einzige Geek, der auf der Tanzfläche dazu abging und dann sogar noch von einzelnen Ahnungslosen gefragt wurde, welche Band und welcher Song das denn sein. An die Wand. Man muss sich als Metaller im Ruhrgebiet ja heute beinahe schon schämen, zuzugeben, dass man die Freitage ab 21 Uhr im Bottroper Cage Club vergeudet hat. Damals um 2004 herum war der Cage eine angesagte und seltene Adresse für Metaller aus ganz NRW, die teilweise aus Aachen oder Bielefeld angereist sind, um DJ Rocky, der übrigens eine frappierende Ähnlichkeit mit Rock Hard Götz hat beim CD-Wechseln zuzuhören. Heute ist der Cage eine abgewrackte Kellerbar mit kleinen Gören, die dort für wenig Geld viel saufen wollen: In der Happy Hour zwischen 21 und 24 kostet ein Bier oder ein Longdrink nur einen Euro und bei 5 Euro Mindestverzehr hat man für wenig Geld einen großen Effekt auf seinen Gleichgewichtssinn und seine Leberwerte erzielt. Heute haben Läden wie das Turock oder das Helvete dem Cage in Sachen Professionalität den Rang abgelaufen, aber diese Freizeit-Gelegenheitsmetaller findet man inzwischen auch dort. Viele Erinnerungen verbinde ich mit dem Laden, untrennbar assoziiert eben mit Fear Of The Dark in seiner Liveversion von der Best of The Beast. Mein erstes Maidenshirt war ein Fear Of The Dark Shirt, das inzwischen so verwaschen ist, dass man rudimentär noch das Bandlogo entziffern kann und der Baum gewordene Eddie nur noch als diffuse, amorphe Farbmasse auszumachen ist.
Als ich das Album zum ersten Mal gehört habe, war ich absolut geplättet vor der brachialen Härte des Albums, das so vollkommen unpeinlich wirkte. Ende der 90er wurde man als Fan von Maiden in der Schule noch gemobbt. Für Fear Of The Dark als Schlag in die Fresse des Popmainstreams aber musste man sich als Maidenfan nicht schämen. Daher schätzte ich das Album in dieser Zeit wesentlich höher ein, als heute. Eine kurze Anekdote fällt mir noch ein. Das Album wurde am 11. Mai 1992 veröffentlicht. Das war ein Tag nach dem 18 Geburtstag meines Bruders. Die Feier fand am Tag des Releas im Partykeller statt und draussen war es sehr stürmisch. Um Mitternacht knallte dann ein sieben Meter langer und einen halben Meter langer Ast der Kastanie, die vor unserem Haus steht, auf die Strasse und begrub das Auto eines der Gäste meines Bruders unter sich... Das war schon gruselig damals und in Anbetracht des Albumcovers wirkt das jetzt ganz Anders auf mich *g*
1. Be Quick Or Be Dead ist ein nackenbrechender Schädelspalter, der härter ist, als Alles was Maiden vorher oder danach aufgenommen haben. Schnell und Kompromisslos gibt es einen auf die Fresse, als würde man sogar noch Anlauf nehmen, wenn jemand mit dem Baseballschläger ausholt, um einem das Gesicht etwas umzumodellieren. Aber ich habe hier an anderer Stelle ja mal betont, dass im Metal Härte nicht Alles ist und die härtesten Songs nicht notwendigerweise die besten sein müssen. Dieser Song ist ein trauriges Beispiel. Die Gitarrenläufe sind ausserordentlich schnell und flink, das Drumming von McBrain sehr wuchtig, aber irgendwie auch stumpf. Was mir hier am schlimmsten sauer aufstösst, ist der Gesang von Bruce Dickinson, wenn man es denn Gesang nennen kann. Er klingt, als hätte er zu scharf gegessen und gleichzeitig auch noch eine Mandelentzündung. Das ist eine ziemliche Frechheit, was er hier abliefert, ein eher atonales Fauchen und Keifen. Im Kontext dieses sehr bissigen, politischen und elitekritischen Textes macht das aber noch halbwegs Sinn. Die Soli von Janick Gers und Dave Murray sowie der eben gelobte Text sind die Höhepunkte dieses Songs, der mit dem Kopf durch die Wand will. Leider für mich nur 7 / 10 Punkten. Von diesen bissigen sozialkritischen Songs gefällt mir Man On The Edge oder auch Public Enema sehr viel besser.
2. From Here To Eternity zeigt Maiden dann von ihrer abgehangenen, coolen und AC/DC-lastigen Strassenköter-Seite. Damals fand ich dieses Lied saugeil, es war groovy, eingängig, und hart. Objektiv gesehen kann ich ob dieser damaligen Meinung heute nur den Kopf schütteln, denn dieses Lied ist sowas von unfassbar plump, stumpf und hochnotpeinlich, dass es fast schon eine Tragödie ist, dass er textlich den Abschluss und das Finale der Charlotte The Harlotte Tetralogie darstellt. Ein siffiges Monstrum, der klassische Harley Davidson Proletensong für angehende Bandidos, denen alle anderen Songs von Maiden vielleicht zu intelligent sind. Hervorzuheben ist hier nur das zugegeben ziemlich furiose Solo, der Refrain ist eine Frechheit von AC/DC Plagiat, der unwürdig ist für eine Band vom Formate Maidens. Tut mir leid, aber 5,5 / 10 ist hier noch geschönt. Für mich einer der absoluten Tiefpunkte im Schaffen von Maiden.
3. Afraid To Shoot Strangers ist dann endlich nach diesen beiden verhältnismässigen Rohrkrepierern der Befreiungsschlag und der musikalische Beweis, dass man es hier trotz aller Abwendung von 80er Monumentalepik immer noch mit Maiden zu tun hat. Ein ruhiges und sehr atmosphärisches Gitarrenintro mit leicht keltisch angehauchter Grundstimmung, welches eine Art von Suspense aufbaut: Eine schwebende Spannung, eine Art unheilvolles Flirren. Der akustische Bass von Steve knarzt hier so herrlich erdig, die Keyboards klingen wundervoll und Bruce nach wie vor raue, aber immerhin gefühlvolle Stimme, der Schunkelrhythmus der Drums, die mit sehr viel Hall auf der Snare unterlegt wurden und in ihrer Simplizität an das Drumming von Clive auf der Number Of The Beast erinnern, machen das Lied zu einem aus diesem Album herrausragenden Glanzlicht. Maiden haben es also noch drauf, faszinierende Songs zu komponieren mit ihrem unnachahmlichen Gespür für Dramatik und Hochspannung. Sobald Bruce den ganzen Text mit seiner rauchigen Bar Stimme dem Hörer so erotisch lechzend ins Ohr gehaucht hat, gewinnt das Lied an Schubkraft mit erhabenen Melodiebögen, die allesamt sehr mittealterlich und keltisch klingen, wie das Intro auch. Dazu röhrt noch herrlich plärrend laut eine Hammondorgel, allerdings nicht so peinlich, wie bei Angel And The Gambler. Wonne! Die Achterbahn-Soli, der ganze instrumentelle Parforceritt in der Mitte, machen All das wieder wett, was man bei den beiden miesen Songs davor vermisst hat. Maiden sind also trotz erster Anzeichen kompositorischer Schwäche nach wie vor im Geschäft. 10/10 für diesen malerisch schönen Ohrenschmaus. Meine Begeisterung, dieses Lied letztes Jahr live erleben zu können, kann ich kaum in Worte fassen. Der erste der moralinsauren Antikriegssongs von Maiden mit dem erhobenen Zeigefinger, kein deskriptiv wertfreies oder kryptisch verschlüsseltes Schlachtengetümmel wie The Trooper, 2 Minutes To Midnight oder Aces High, sondern die Introspektive in den Akteur der Kriegshandlung hinein. Brillant!
4. Fear Of The.... ach nee, Is The Key! Janick Gers Faible für Led Zeppelin und leicht orientalisch angehauchter Jimmi Page Ästhetik kommt hier voll zum Tragen in diesem ungewöhnlichen, dennoch treibenden, stellenweise humpelnden Midtempo-Schleicher, der wohl das darstellen soll, was Kashmir für Led Zeppelin damals war. Zumindest ist es Janick Gers Versuch, einer Neuinterpretation dieses Motivs. Oftmals wird dieses Lied als Schwachpunkt von Fear Of The Dark dargestellt. Ich sehe das nicht so. Im Gegenteil wildern Maiden hier mal wieder in unbekannten Gewässern, ohne im Trüben zu fischen. Einen solchen Song hat es von Maiden noch nicht gegeben bis dahin. An einzelnen Stellen wirkt das Lied etwas zerfahren, vor Allem im akustischen, aber sehr zappeligen Mittelteil, wo Bruce nur Lies And Lies And Lies And Lies singt. Das darauffolgende Solo wirkt sehr befreiend und unglaublich erhaben, ebenfalls orientalisch und wehklagend. Janick Gers ist trotz aller Kritik ein hervorragender Gitarrist. Der Refrain ist ebenfalls überdurchschnittlich und macht die etwas rumpeligen Strophen wieder wett. Sicherlich kein absoluter Höhepunkt im Schaffen von Maiden, aber eine sehr interessante, starke und sperrige Nummer, die man von Maiden so nicht erwartet hätte. Ein starker Song, ich vergebe 8,5 /10 mit leichter Tendenz zur 9/10.
5. Childhoods End – wieder diese wonnigen, herrlichen, üppigen keltisch angehauchten Melodien, die Maiden auf der Fear Of The Dark zum ersten Mal so genüsslich durchexerzieren, dazu hektische Kriegstrommeln auf den Toms. Die Melodiebögen, die sich durch den Song ziehen, haben für mich sehr starke Ähnlichkeit mit Jethro Tull. Zum ersten Mal seit Piece Of Mind lässt Steve Harris hier wieder seine Helden der Kindheit durchschimmern und übernimmt Versatzstücke aus der folkigen Spätsiebzigerphase von Tull, vornehmlich erkenne ich deutliche Remineszenzen an Stormwatch von 1979. Der Rhythmus dieses Songs ist sehr ungewöhnlich, das Drumming während der Strophen ist recht proggy und erinnert an den Rhythmus von The Clairvoyant. Die Kriegstrommeln schimmern während des Refrains wieder durch. Zum ersten Mal klingt Bruce Stimme nicht mehr ganz so furchtbar rauchig, sondern lässt die alte operettenhafte Genialität während des traurigen Refrains aufkommen, die man seit Anfang der 90er bei ihm so vermisst hat. Das Lied verbreitet wie auch Afraid To Shoot Strangers eine sehr melancholische und nachdenkliche Atmosphäre, was von den keltischen Melodien deutlich unterstrichen und betont wird. Für mich ist dieses Lied das heimliche Highlight dieses Albums. Leider nie live gespielt, unfassbar kraftvoll, treibend, melodisch und schwelgend. 10/10. Ich bekomme jedesmal eine Gänsehaut. Vielleicht der beste Song mit Bruce aus den 90ern.
... to be continued...
FEAR OF THE DARK
Datum: 11.05. 1992
Produzent: Martin "The Juggler" Birch & Steve Harris
Studios: Barnyard Studios, Essex
Tontechniker: Mick McKenna
Mixing: Martin Birch & Steve Harris
Cover: Melvyn Grant
Bisher habe ich, soweit ich weiss, in keiner meiner Rezensionen für einen Song weniger als 7 Punkte vergeben. Denn 7/10 ist ja bekanntlich kurz vor Dreck. Ab nun folgen die Alben von Maiden, bei denen ich wesentlich gnadenloser bewerten werde.
Lange Zeit ging es dem Album Fear Of The Dark bei mir ähnlich, wie Piece Of Mind oder dem Debutalbum. Ich kannte lediglich den Titelsong als beeindruckend magische Liveversion von der Best Of The Beast und Be Quick Or Be Dead. Das Album selbst habe ich mir erst ein oder zwei Jahre später gekauft, da ich irgendwie ahnte, dass Fear Of The Dark als Titelsong alle anderen Songs überragen müsse und kein anderes Lied dieses Albums an diesen heranreichen könne. Teilweise behielt ich auch Recht, aber eben nur teilweise.
Als ich mir Fear Of The Dark gekauft habe, wurde bereits die Reunion von Iron Maiden mit Bruce und Adrian angekündigt. Ich glaube, es war zur selben Zeit, als ich auch Piece Of Mind zum ersten Mal zu Hören bekam, nachdem die Schallplatte bei mir im Regal thronte und ich spekulierte, wie dieser und jener Song wohl klingen mag. Diese Vorfreude, gemischt mit Neugierde, obskuren Vermutungen und einer gewissen Hibbeligkeit, das Album endlich kennen zu lernen, war aber bei Fear Of The Dark nicht ganz so groß, wie bei Piece Of Mind. Einige Dinge faszinierten mich aber an dem Album. Das Bandlogo, der charakteristische Schriftzug war vertikal auf dem Cover platziert und nicht horizontal. Eddie als lebender Baum, so eine Art Ent oder Huorn, wie der gemeine Geek sie aus Herr Der Ringe kennt, hatte dann doch eine gewisse Faszination auf mich ausgeübt und die Tatsache, dass es das letzte und aktuellste Maidenalbum mit Bruce war. Den Titelsong bekam ich ja, wie eben erwähnt, auf der Best Of The Beast 1996 zu hören und hat mich in seiner nervenzerreissenden Intensität und Urgewalt ziemlich platt gewalzt. Das war natürlich, bevor ich nach der Jahrtausendwende fast jedes Wochenende in Metalkneipen verbracht habe und den Song bis zur Unerträglichkeit mit besoffenen Wochenendmetallern teilen und erdulden musste, von denen ich überzeugt bin, dass sie ausser Run To The Hills und eben Fear Of The Dark von Maiden nichts kennen würden. Lief dann von Maiden tatsächlich mal ein anderer Song als einer von den beiden genannten, etwa Where Eagles Dare, Sea Of Madness oder The Prisoner, war ich dann wie befürchtet der einzige Geek, der auf der Tanzfläche dazu abging und dann sogar noch von einzelnen Ahnungslosen gefragt wurde, welche Band und welcher Song das denn sein. An die Wand. Man muss sich als Metaller im Ruhrgebiet ja heute beinahe schon schämen, zuzugeben, dass man die Freitage ab 21 Uhr im Bottroper Cage Club vergeudet hat. Damals um 2004 herum war der Cage eine angesagte und seltene Adresse für Metaller aus ganz NRW, die teilweise aus Aachen oder Bielefeld angereist sind, um DJ Rocky, der übrigens eine frappierende Ähnlichkeit mit Rock Hard Götz hat beim CD-Wechseln zuzuhören. Heute ist der Cage eine abgewrackte Kellerbar mit kleinen Gören, die dort für wenig Geld viel saufen wollen: In der Happy Hour zwischen 21 und 24 kostet ein Bier oder ein Longdrink nur einen Euro und bei 5 Euro Mindestverzehr hat man für wenig Geld einen großen Effekt auf seinen Gleichgewichtssinn und seine Leberwerte erzielt. Heute haben Läden wie das Turock oder das Helvete dem Cage in Sachen Professionalität den Rang abgelaufen, aber diese Freizeit-Gelegenheitsmetaller findet man inzwischen auch dort. Viele Erinnerungen verbinde ich mit dem Laden, untrennbar assoziiert eben mit Fear Of The Dark in seiner Liveversion von der Best of The Beast. Mein erstes Maidenshirt war ein Fear Of The Dark Shirt, das inzwischen so verwaschen ist, dass man rudimentär noch das Bandlogo entziffern kann und der Baum gewordene Eddie nur noch als diffuse, amorphe Farbmasse auszumachen ist.
Als ich das Album zum ersten Mal gehört habe, war ich absolut geplättet vor der brachialen Härte des Albums, das so vollkommen unpeinlich wirkte. Ende der 90er wurde man als Fan von Maiden in der Schule noch gemobbt. Für Fear Of The Dark als Schlag in die Fresse des Popmainstreams aber musste man sich als Maidenfan nicht schämen. Daher schätzte ich das Album in dieser Zeit wesentlich höher ein, als heute. Eine kurze Anekdote fällt mir noch ein. Das Album wurde am 11. Mai 1992 veröffentlicht. Das war ein Tag nach dem 18 Geburtstag meines Bruders. Die Feier fand am Tag des Releas im Partykeller statt und draussen war es sehr stürmisch. Um Mitternacht knallte dann ein sieben Meter langer und einen halben Meter langer Ast der Kastanie, die vor unserem Haus steht, auf die Strasse und begrub das Auto eines der Gäste meines Bruders unter sich... Das war schon gruselig damals und in Anbetracht des Albumcovers wirkt das jetzt ganz Anders auf mich *g*
1. Be Quick Or Be Dead ist ein nackenbrechender Schädelspalter, der härter ist, als Alles was Maiden vorher oder danach aufgenommen haben. Schnell und Kompromisslos gibt es einen auf die Fresse, als würde man sogar noch Anlauf nehmen, wenn jemand mit dem Baseballschläger ausholt, um einem das Gesicht etwas umzumodellieren. Aber ich habe hier an anderer Stelle ja mal betont, dass im Metal Härte nicht Alles ist und die härtesten Songs nicht notwendigerweise die besten sein müssen. Dieser Song ist ein trauriges Beispiel. Die Gitarrenläufe sind ausserordentlich schnell und flink, das Drumming von McBrain sehr wuchtig, aber irgendwie auch stumpf. Was mir hier am schlimmsten sauer aufstösst, ist der Gesang von Bruce Dickinson, wenn man es denn Gesang nennen kann. Er klingt, als hätte er zu scharf gegessen und gleichzeitig auch noch eine Mandelentzündung. Das ist eine ziemliche Frechheit, was er hier abliefert, ein eher atonales Fauchen und Keifen. Im Kontext dieses sehr bissigen, politischen und elitekritischen Textes macht das aber noch halbwegs Sinn. Die Soli von Janick Gers und Dave Murray sowie der eben gelobte Text sind die Höhepunkte dieses Songs, der mit dem Kopf durch die Wand will. Leider für mich nur 7 / 10 Punkten. Von diesen bissigen sozialkritischen Songs gefällt mir Man On The Edge oder auch Public Enema sehr viel besser.
2. From Here To Eternity zeigt Maiden dann von ihrer abgehangenen, coolen und AC/DC-lastigen Strassenköter-Seite. Damals fand ich dieses Lied saugeil, es war groovy, eingängig, und hart. Objektiv gesehen kann ich ob dieser damaligen Meinung heute nur den Kopf schütteln, denn dieses Lied ist sowas von unfassbar plump, stumpf und hochnotpeinlich, dass es fast schon eine Tragödie ist, dass er textlich den Abschluss und das Finale der Charlotte The Harlotte Tetralogie darstellt. Ein siffiges Monstrum, der klassische Harley Davidson Proletensong für angehende Bandidos, denen alle anderen Songs von Maiden vielleicht zu intelligent sind. Hervorzuheben ist hier nur das zugegeben ziemlich furiose Solo, der Refrain ist eine Frechheit von AC/DC Plagiat, der unwürdig ist für eine Band vom Formate Maidens. Tut mir leid, aber 5,5 / 10 ist hier noch geschönt. Für mich einer der absoluten Tiefpunkte im Schaffen von Maiden.
3. Afraid To Shoot Strangers ist dann endlich nach diesen beiden verhältnismässigen Rohrkrepierern der Befreiungsschlag und der musikalische Beweis, dass man es hier trotz aller Abwendung von 80er Monumentalepik immer noch mit Maiden zu tun hat. Ein ruhiges und sehr atmosphärisches Gitarrenintro mit leicht keltisch angehauchter Grundstimmung, welches eine Art von Suspense aufbaut: Eine schwebende Spannung, eine Art unheilvolles Flirren. Der akustische Bass von Steve knarzt hier so herrlich erdig, die Keyboards klingen wundervoll und Bruce nach wie vor raue, aber immerhin gefühlvolle Stimme, der Schunkelrhythmus der Drums, die mit sehr viel Hall auf der Snare unterlegt wurden und in ihrer Simplizität an das Drumming von Clive auf der Number Of The Beast erinnern, machen das Lied zu einem aus diesem Album herrausragenden Glanzlicht. Maiden haben es also noch drauf, faszinierende Songs zu komponieren mit ihrem unnachahmlichen Gespür für Dramatik und Hochspannung. Sobald Bruce den ganzen Text mit seiner rauchigen Bar Stimme dem Hörer so erotisch lechzend ins Ohr gehaucht hat, gewinnt das Lied an Schubkraft mit erhabenen Melodiebögen, die allesamt sehr mittealterlich und keltisch klingen, wie das Intro auch. Dazu röhrt noch herrlich plärrend laut eine Hammondorgel, allerdings nicht so peinlich, wie bei Angel And The Gambler. Wonne! Die Achterbahn-Soli, der ganze instrumentelle Parforceritt in der Mitte, machen All das wieder wett, was man bei den beiden miesen Songs davor vermisst hat. Maiden sind also trotz erster Anzeichen kompositorischer Schwäche nach wie vor im Geschäft. 10/10 für diesen malerisch schönen Ohrenschmaus. Meine Begeisterung, dieses Lied letztes Jahr live erleben zu können, kann ich kaum in Worte fassen. Der erste der moralinsauren Antikriegssongs von Maiden mit dem erhobenen Zeigefinger, kein deskriptiv wertfreies oder kryptisch verschlüsseltes Schlachtengetümmel wie The Trooper, 2 Minutes To Midnight oder Aces High, sondern die Introspektive in den Akteur der Kriegshandlung hinein. Brillant!
4. Fear Of The.... ach nee, Is The Key! Janick Gers Faible für Led Zeppelin und leicht orientalisch angehauchter Jimmi Page Ästhetik kommt hier voll zum Tragen in diesem ungewöhnlichen, dennoch treibenden, stellenweise humpelnden Midtempo-Schleicher, der wohl das darstellen soll, was Kashmir für Led Zeppelin damals war. Zumindest ist es Janick Gers Versuch, einer Neuinterpretation dieses Motivs. Oftmals wird dieses Lied als Schwachpunkt von Fear Of The Dark dargestellt. Ich sehe das nicht so. Im Gegenteil wildern Maiden hier mal wieder in unbekannten Gewässern, ohne im Trüben zu fischen. Einen solchen Song hat es von Maiden noch nicht gegeben bis dahin. An einzelnen Stellen wirkt das Lied etwas zerfahren, vor Allem im akustischen, aber sehr zappeligen Mittelteil, wo Bruce nur Lies And Lies And Lies And Lies singt. Das darauffolgende Solo wirkt sehr befreiend und unglaublich erhaben, ebenfalls orientalisch und wehklagend. Janick Gers ist trotz aller Kritik ein hervorragender Gitarrist. Der Refrain ist ebenfalls überdurchschnittlich und macht die etwas rumpeligen Strophen wieder wett. Sicherlich kein absoluter Höhepunkt im Schaffen von Maiden, aber eine sehr interessante, starke und sperrige Nummer, die man von Maiden so nicht erwartet hätte. Ein starker Song, ich vergebe 8,5 /10 mit leichter Tendenz zur 9/10.
5. Childhoods End – wieder diese wonnigen, herrlichen, üppigen keltisch angehauchten Melodien, die Maiden auf der Fear Of The Dark zum ersten Mal so genüsslich durchexerzieren, dazu hektische Kriegstrommeln auf den Toms. Die Melodiebögen, die sich durch den Song ziehen, haben für mich sehr starke Ähnlichkeit mit Jethro Tull. Zum ersten Mal seit Piece Of Mind lässt Steve Harris hier wieder seine Helden der Kindheit durchschimmern und übernimmt Versatzstücke aus der folkigen Spätsiebzigerphase von Tull, vornehmlich erkenne ich deutliche Remineszenzen an Stormwatch von 1979. Der Rhythmus dieses Songs ist sehr ungewöhnlich, das Drumming während der Strophen ist recht proggy und erinnert an den Rhythmus von The Clairvoyant. Die Kriegstrommeln schimmern während des Refrains wieder durch. Zum ersten Mal klingt Bruce Stimme nicht mehr ganz so furchtbar rauchig, sondern lässt die alte operettenhafte Genialität während des traurigen Refrains aufkommen, die man seit Anfang der 90er bei ihm so vermisst hat. Das Lied verbreitet wie auch Afraid To Shoot Strangers eine sehr melancholische und nachdenkliche Atmosphäre, was von den keltischen Melodien deutlich unterstrichen und betont wird. Für mich ist dieses Lied das heimliche Highlight dieses Albums. Leider nie live gespielt, unfassbar kraftvoll, treibend, melodisch und schwelgend. 10/10. Ich bekomme jedesmal eine Gänsehaut. Vielleicht der beste Song mit Bruce aus den 90ern.
... to be continued...