Das würde mich tatsächlich mal interessieren. Unser Spektrum reicht von CCR über isländischen Black Metal bis hin zu Wovenhand. Zwei (oder sogar drei? - ich weiß es gar nicht mehr...) von vier Soundchecksiegern waren NB-Bands. Regelmäßig sind im Heft Berichte über Acts wie Europe, Journey, Scorpions, Revolution Saints ... Der "nur Underground ist super"-Vorwurf ist für mich nullkommanull nachvollziehbar. Wir haben halt einfach mehr Newcomer und unbekannte Bands im Heft.
Ich schätze, der Punkt, der Dir womöglich negativ aufstößt, ist die Einstellung von einigen von uns gegenüber Veranstaltungen wie Metal Cruise o.ä. Das schwingt in manchen Artikeln, in meinen eigenen z.B., durchaus mit. Für mich ist es aber naiverweise sehr wichtig, dass es zumindest noch eine unabhängige Zeitung in Deutschland gibt, die Musik einigermaßen politisch denkt und kritisch bleibt, wenn Investorengruppen (!), Bauunternehmen (!!) und Tourismusfirmen (!!!) ohne jeglichen Szenebezug die Kreativität und das gesellschaftskritische Potential von Metal kapern, um sich damit selbst in die Tasche zu wirtschaften. Diese Projekte bringen nichts neues, sie setzen keine kreativen Impulse, sondern grasen einfach nur bereits etabliertes ab, um maximalen Gewinn zu generieren. Kreativer Stillstand, Nummer-sicher, Doro, Schrebergarten, Friede, Freude, Eierkuchen.
Ich denke, es ist wichtig, dass man sich hier als Schreiber nicht einfach eine Kreuzfahrt bezahlen lässt und dann einen wohlwollenden Bericht über Bands, die man eh nicht gesehen hat, aus der VIP-Zone absetzt ("is doch nur Musik"), sondern kritisch hinsieht – auch wenn sofort aus der üblichen Ecke die Szenepolizei-Rufe kommen werden. Es geht nicht darum, permanent zu kritisieren. Aber wenn Dinge zu sehr aus dem Ruder laufen, ist es sogar die Pflicht, zu motzen.
Musik und die Szenen außenrum sind permanent Konfliktfelder zwischen gegensätzlichen Akteuren mit unterschiedlichen Interessen. Mal sind die Kreativen und Autonomen stärker, mal sind's die Ökonomen und Industriellen. Im Moment ist es wohl ganz gut ausbalanciert, aber noch mehr Investoren, die Metal mit Skiveranstaltungen, Kreuzfahrten und hübschen H&M-Shirts abschleifen und auch für den letzten Spießer konsumierbar machen, brauch ich jetzt nicht.
Das Problem ist nicht, dass es diese Veranstaltungen gibt. Es ist für Wacken-Bungee-Jumping genauso Platz, wie für's Keep It True, und Sabaton muss es genauso geben wie Sacrificio. Zum Problem wird's allerdings, wenn diese Veranstaltungen und ihr Publikum rein durch ihre Masse langsam die Deutungshoheit übernehmen. Und einen Haufen Schrebergartenrocker, die mir verbieten, bestimmte Bands zu hören, die womöglich zu "extrem" sind, die mit dem Saalschutz drohen, wenn man bei Konzerten auf Sitzplätzen steht (jap, passiert wirklich...), die Helene Fischer cool finden, muss ich wirklich nicht haben. Naiv, sicher – aber irgendwo verbinde ich persönlich mit dieser Musik schon noch gewisse Wertehaltungen, die man als Axel-Springer-Angestellter vielleicht nicht mehr so teilt. Darum erlaube ich mir, bei bestimmten Erscheinungen auch weiterhin zu meckern.
Und jetzt kommt's: das gleiche gilt auch für die andere Richtung. Nur noch Underground-Getue, Rumpeltapes und Festivals mit 90 Besuchern – das ist ebenso nix.
Klar, kann man auch bei ner Metal Cruise mitfahren, wenn's einem Spaß macht. Man kann auch jeden Tag die Bild-Zeitung kaufen, RTL II glotzen und bei McDonald's essen. Ich hoffe allerdings inständig, dass wir weiter vor allem bei Slow Food und innovativeren, nachhaltigeren, auch exzentrischeren Alternativen bleiben (auch wenn so ein ungesunder BigMac wie die Scorpions von Zeit zu Zeit schon prächtig mundet...). Nur so entsteht nämlich was neues. Wer will und nicht beleidigt ist, kann ja mitmachen.