Geheimrezept bei mieser Stimmung: Songs From The Wood hören und die Laune hebt sich merklich
So viel Optimismus, Lebensfreude und quirlige Verspieltheit, so tolle Songs... so toll bei Stimme war Ian Anderson danach nie wieder und vorher auch nicht. Ewig nicht mehr gehört, das Schätzcken. Stormwatch wird jetzt eingemottet und Songs From The Wood wieder ausgepackt. Definitiv eine Platte des Frühlings (ebenso wie Stand Up und Benefit).
So sehr ich Michael Rensen dankbar bin, dass er mich mit der wunderbaren Welt des Prog Rocks bekannt gemacht hat - dazu zähle ich Jethro Tull mindestens ebenso wie Emerson, Lake And Palmer, Yes, Genesis und Camel - und damit eine ganze Phase meines Lebens zu Beginn meiner 20er musikalisch mitgestaltet hat, so sehr muss ich ihm doch da widersprechen.
Stormwatch ist mindestens gleichwertig zu Heavy Horses und Songs From The Wood, bedient allerdings eine vollkommen andere Stimmung, ist deutlich robuster und auch rocklastiger, weniger folkig. Aber nichts desto Trotz eine wunderbare Platte und leider der Schwanengesang für das ganze Lineup mit Ausnahme von Ian Anderson und Martin Barre.
Barriemore Barlow, David (heute Dee) Palmer und John Evans wurden traurigerweise abserviert, Bassist John Glascock starb mit 27 Jahren an einem Herzfehler und Ian Anderson entdeckte anschließend die Elektronik für sich als Instrument und Stilmittel.
Grundsätzlich kann man sagen, dass mit der "Trilogie" bestehend aus Songs From The Wood, Heavy Horses und Stormwatch ein Marsch durch die Jahreszeiten gemacht wurde. Angefangen vom Frühling und Frühsommer bei Songs From The Wood, über Spätsommer und Frühherbst mit Heavy Horses bis in den Spätherbst und Winter mit Stormwatch. Zunächst fröhlich optimistisch mit Songs From The Wood, dann etwas nachdenklicher mit Heavy Horses und anschließend zutiefst pessimistisch mit Stormwatch.
Die jahreszeitliche Stimmung wird auf den jeweiligen Alben hervorragend eingefangen. Die stilistische Bandbreite finde ich bei Songs From The Wood und Stormwatch in ihren vielen Facetten etwas besser abgedeckt, dafür wirkt Heavy Horses homogener und wie aus einem Guss.
Wenn man die kleinen "Ausrutscher" Warchild und Too Old To Rock N Roll mal ausklammert - und selbst die hatten vereinzelt ein paar ganz gute Songs - macht man mit Jethro Tull in den 70ern überhaupt nix falsch. Von Benefit bis Stormwatch acht herausragende Alben, die musikalisch unterschiedlicher nicht sein könnten. Blueslastiger Hard Rock, extrem theatralischer und verkopfter Progressive Rock, Heavy Rock, Folk, Folk Rock, dezente Jazz/Musical Anleihen. Von allem etwas.
In den 80ern war die Bandbreite etwas eingeengter, aber selbst da kann man mindestens drei Alben sehr empfehlen: "A", "Broadsword And The Beast" und "Crest Of A Knave". Das von vielen sehr verrissene "Under Wraps" ist extrem wagemutig und modern, hat aber auch ein paar ganz gute Momente zu bieten.
Insgesamt kann ich jedem nur raten, sich näher mit Jethro Tull zu beschäftigen, die aus mehr bestehen, als nur Aqualung, Locomotive Breath oder Bouree
Im alten Rock Hard Forum gibt es einen ganz guten Jethro Tull Reviewthread. Ich such den mal raus (ok, die Reviews sind von mir und schon über 10 Jahre alt):
https://forum.rockhard.de/viewtopic.php?p=2434945&hilit=Jethro+Tull#p2434945
Vielleicht hilft Dir das ein wenig bei der Orientierung. Wenn Du es nicht zu proggig oder folkig magst, sind Aqualung, Minstrel In The Gallery, Crest Of The Knave und Stormwatch gute Empfehlungen. Wenn Du es etwas "simpler" und songdienlicher magst, empfehle ich Dir "Broadsword And The Beast", wobei das schon sehr 80er lastig ist. Wenn es nicht komplex genug sein kann: Leg Dir Thick As A Brick zu. Eher blueslastig: This Was, Benefit, Catfish Rising.