PROPAGANDHI - may your punk always be thrashy

Dr. Zoid

Till Deaf Do Us Part
Bock auf eine Mischung aus melodischem Hardcore-Punk, old-school Ahorn-Thrash (Sacrifice, Razor), Rush und Voivod? Prima! Dann bitte weiterlesen:

Schon länger juckt es mir unter den Fingern, einen Thread für meine - nach Rush - wahrscheinlich zweitliebste Band zu eröffnen. Da die Herren (und neuerdings auch eine Dame) derzeit im Studio sind, um endlich den Nachfolger zu Failed States (2012) - und damit das insgesamt siebte Album - einzuspielen, ist die Gelegenheit jetzt günstig.

Ob der Thread im No Class-Bereich oder nicht doch besser in der Speed/Thrash-Sektion aufgehoben ist, vermag ich ehrlich gesagt nicht einzuschätzen. Aufgrund der Punk-Roots ist er aber letztendlich hier gelandet.

Zum Einstieg vielleicht ein kurzer Abriss der Bandhistorie:

Gegründet 1986 von 3 Teenagern in der kanadischen Provinz Manitoba. 1993 erscheint das Debütalbum How To Clean Everything Up auf Fat Wreck Chords. Die Band besteht zu diesem Zeitpunkt aus Chris Hannah (Gesang, Gitarre), John K. Samson (Bass, etwas Gesang) und Jord Samolesky (Schlagzeug). Geboten wird label-typischer melodischer Skate-Punk (die technische Versiertheit an den Instrumenten ist aber schon erkennbar), wobei der musikalische Fun-Faktor im starken Kontrast zu den hochpolitischen Texten steht, die zwischen bitterbösen Anklagen und (vermeintlich) pubertären Beschimpfungen schwanken.

Der Nachfolger Less Talk, More Rock (1996) ist natürlich genau das Gegenteil von dem, was der Titel impliziert. Die politische Agenda nimmt einen noch breiteren Raum ein, was sich in Texten widerspiegelt, die eher an ausgefeilte Essays als an abgedroschene Punk-Parolen erinnern. Musikalisch zieht man den Härtegrad etwas an und lässt zaghaft ein paar Hardcore-Elemente einfließen.

Bassist John K. Samson verlässt danach die Band, um The Weakerthans (Indie-Rock für Waschlappen, definitiv ein guilty pleasure von mir) zu gründen. Ersetzt wird er von Todd Kowalski, was sich als Glücksfall für die weitere musikalische Ausrichtung herausstellen soll. Ab jetzt dürfte es für die meisten DF-Foristen wohl erst interessant werden (ab hier daher auch mit Hörproben):

2001 erscheint Today's Empires, Tomorrow's Ashes und man mag kaum glauben, dass man es hier noch mit derselben Band zu tun hat: Angefangen beim jetzt viel kraftvolleren Gesang und einer aggressiv-bissigen Grundausrichtung über thrashig-vertrackte Riffs und detailverliebte Gitarren-Arrangements bis hin zu einem Zusammenspiel zwischen Bass und Schlagzeug, das in seinen besten Momenten wie eine Punk-Version von Rush anmutet. Bäm! Lediglich die etwas matschige Produktion trübt das Hörvergnügen. Aber hören Sie selbst:

https://propagandhi.bandcamp.com/track/mate-ka-moris-ukun-rasik-an

Mit Potemkin City Limits kommt 2005 mein Lieblingsalbum der Diskographie heraus (diese Einschätzung mag auch damit zu tun haben, dass dieses Album meinen Erstkontakt mit der Band dargestellt hat). Die Produktion ist zum Glück viel druckvoller und differenzierter als auf dem Vorgänger. In Sachen Komplexität wird auch noch eine gehörige Schippe draufgelegt. Falls man es schafft, mal nicht aus voller Brust mitzusingen, lohnt hier insbesondere eine Konzentration auf die Rhythmusfraktion. Wahnsinn, welche Wucht und Energie trotz freilaufendem Bass und virtuosem Drumkit-Verprügeln auf einen losgelassen wird! Für den Opener "A Speculative Fiction" wurde die Band übrigens 2006 mit dem kanadischen Award für das beste Songwriting einer aufstrebenden (naja, 20 Jahre nach Gründung…) Band ausgezeichnet:

https://propagandhi.bandcamp.com/track/a-speculative-fiction

2009 sieht die Veröffentlichung von Supporting Caste und damit die Erweiterung der Band zum four-piece durch den Einstieg von Gitarrist David "The Beaver" Guillas. Die zweite Gitarre war auch dringend nötig, um die immer komplexeren Arrangements sowohl live als auch im Studio umsetzen zu können. Der auf dem Vorgänger eingeschlagene Weg wird konsequent fortgeführt. Insgesamt wirken die Songs vielleicht etwas eingängiger - sind aber immer noch anspruchsvoll genug komponiert, um mir ein fehlerfreies Mitsingen von z.B. "Tertium Non Datur" nahezu unmöglich zu machen, da ich dank den Finessen in der Taktgebung regelmäßig den Einsatz verpasse. Textlich öffnet man sich erstmals auch persönlichen Themen: "Without Love" ist einfach ein herzzerreißendes Stück über den Verlust geliebter Gefährten. Als Hörbeispiel aber mal ein recht thrashiger Song mit dem rauen Gesang von Bassist Todd:

https://propagandhi.bandcamp.com/track/night-letters

Das in 2012 herausgebrachte Failed States stellt das bislang letzte Studioalbum dar. Ich persönlich habe sehr lange benötigt, um dieses Album zu knacken. Nach der sehr eingängigen Eröffnung mit "Note To Self" präsentiert sich die Band in der Folge von ihrer bislang sperrigsten Seite, um erst im letzten Drittel wieder zu geschmeidigeren Strukturen überzugehen. Mittlerweile liebe ich dieses Album aber heiß und innig, so dass es knapp nach Potemkin City Limits den zweiten Platz in meiner persönlichen Rangliste einnimmt. Ich habe mal den Titelsong ausgewählt, der in weniger als zwei Minuten alles pulverisiert (der Bass!!!):


Ähja, der kurze Einstieg ist dann doch etwas länger geworden. Das soll für heute dann auch erst einmal reichen. Weitere Lobhudeleien in den nächsten Tagen kann ich aber nicht ausschließen. ;)
 
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Liebe! Sehr viel Liebe für diese Band! Eine der wichtigsten Wiederentdeckungen der letzten Jahre für mich. Nach dem grandiosen Today's Empires, Tomorrow's Ashes hatte ich sie nämlich aus den Augen verloren. Und wie sich das Wiederentdecken gelohnt hat! Die letzten drei Alben sind allesamt großartig und heute sind eben diese auch mir die liebsten dieser Band.
 
Habe die Band mit Supporting Caste kennengelernt. Ich war über The Weakerthans auf sie gestoßen. Komisch eigentlich.

Neben Supporting Caste habe ich bislang nur noch Today's Empire... von denen. Dieser Thread erinnert mich aber daran, mir mal weitere Alben zu besorgen.

Jedenfalls tolle Band mit intelligenten Texten und einer Menge Können und Energie.
 
Ich glaube, ich hatte die letzten beiden Alben vor ein paar Jahren mal angecheckt, hatte aber eher nicht das Gefühl, die Songs zu verstehen und war für eingehendere Beschäftigung mit der Musik wohl schlicht zu faul. Höre jetzt gerade aber mal die "Today's Empires" per Bandcamp - da wirken schon allein die recht kurzen Songlängen Einsteiger-freundlich. ;)
 
Habe die Band mit Supporting Caste kennengelernt. Ich war über The Weakerthans auf sie gestoßen. Komisch eigentlich.

Och, so komisch finde ich das gar nicht. Ich kannte Reconstruction Site jedenfalls schon, bevor ich über Potemkin City Limits auf Propagandhi gestoßen bin. Die Connection zwischen den beiden Bands ist mir allerdings erst danach bewusst geworden. Das geschah alles in meiner orientierungslosen Phase, als ich mit der Metal-Szene etwas fremdelte und mich viel von plattentests.de oder auch Pitchfork habe inspirieren lassen.
 
So, habe gerade Potemkin City Limits und Failed States bestellt. Sitze zwar in der S-Bahn, aber das funktioniert heute ja auch so. ;)

Das Debüt hatte ich damals schlicht aus dem einfachen Grund ignoriert, weil es auf Fat Wreck war. Vielleicht teste ich das auch noch einmal an.
 
Ich glaube, ich hatte die letzten beiden Alben vor ein paar Jahren mal angecheckt, hatte aber eher nicht das Gefühl, die Songs zu verstehen und war für eingehendere Beschäftigung mit der Musik wohl schlicht zu faul. Höre jetzt gerade aber mal die "Today's Empires" per Bandcamp - da wirken schon allein die recht kurzen Songlängen Einsteiger-freundlich. ;)

Dranbleiben! Täte mich schon sehr wundern, wenn das überhaupt nicht in dein Beuteschema passen würde...

Und: Wer sich eine "Fly By Night"-Eule auf's Cover pinselt, kann ja auch schonmal gar kein schlechter Mensch sein:



(jagut, die Eule ist wegen dem "Anthem"-Cover von Sacrifice drauf, but still...!)
 
So, habe gerade Potemkin City Limits und Failed States bestellt. Sitze zwar in der S-Bahn, aber das funktioniert heute ja auch so. ;)

Das Debüt hatte ich damals schlicht aus dem einfachen Grund ignoriert, weil es auf Fat Wreck war. Vielleicht teste ich das auch noch einmal an.

That's the spirit! :top:

Zum Debüt: Ist halt schon irgendwie ein Kind seiner Zeit und mit der jetzigen Ausrichtung überhaupt nicht zu vergleichen - aber wenn man sich wieder wie mit 14 Jahren fühlen möchte, ist das genau das richtige. ;)
 
Dranbleiben! Täte mich schon sehr wundern, wenn das überhaupt nicht in dein Beuteschema passen würde...

Als ich zum ersten mal eine Beschreibung des Stils gelesen habe ("Punk/Rush/Thrash") war ich auch direkt sehr interessiert. Aber ich fand's beim Reinhören dann doch deutlich fordernder als erwartet und war zu dem Zeitpunkt eh in einer Phase, wo ich mich eher für weniger komplexe Stile begeistern konnte. Außerdem fand ich den Namen etwas albern - ich wusste vor Deinem Posting hier aber auch nicht, dass das mal 'ne Teenager-Band auf Fat Wreck Chords war. ;)

Die "Today's Empires" fand ich gerade auf jeden Fall schon mal ansprechend in ihrer Mischung aus sehr hohem Energie-Level und erstaunlich vielen Feinheiten. Da werde ich in der Tat mal dranbleiben. :)
 
Die "Today's Empires" fand ich gerade auf jeden Fall schon mal ansprechend in ihrer Mischung aus sehr hohem Energie-Level und erstaunlich vielen Feinheiten. Da werde ich in der Tat mal dranbleiben. :)

Klasse! :)

Dann kann ich dir nur raten, auch in das darauffolgende Potemkin City Limits reinzuhören. Da hat die Band meines Erachtens dann vollends ihre eigene Nische gefunden, der sie sich bis heute treu geblieben ist.
 
Oh ja! Lieblingsband! Mein Favorit ist die Potemkin City Limits. Oder Supporting Caste. Oder Failed States. Oder Today's Empires. Je nachdem, was gerade läuft. :D
Eine Band, die auf meiner Will-ich-unbedingt-mal-live-sehen-Liste ganz oben steht. Leider hab ichs noch nie geschafft...
 
Eine Band, die auf meiner Will-ich-unbedingt-mal-live-sehen-Liste ganz oben steht. Leider hab ichs noch nie geschafft...

Die vollen Tourdaten für dieses Jahr wurden noch nicht bekannt gegeben. Bislang ist nur bekannt, dass die Band Anfang August zwei Festivals in Europa (UK und Slowenien) spielen wird. Ich hoffe mal stark, dass bei dieser Gelegenheit auch ein paar Tourdates hierzulande absolviert werden.

Ich habe die Jungs bislang nur einmal (im Rahmen der Tour zu Failed States 2013 in Köln) gesehen. Das war der Hammer!
 
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Kleiner Fehler: John Samson.

Der - by the way - letztes Jahr eine ganz großartige Songschreiberplatte veröffentlicht hat, die mehr ist als nur guilty pleasure für Weichkekse ist.

An Propagandhi kam man zu Zeiten meiner ansonsten eher wenig ersprießlichen Adoleszenz - so man denn auch nur peripher in halbwegs musikalischen Linksdenkerkreisen sozialisiert wurde - kaum vorbeit; und auch wenn der damalige idealistische Enthusiasmus nunmehr verblichen ist, bleibt einem doch das respektable musikalische Erbe, das mit Today's Empires, Tomorrow's Ashes tatsächlich Gewicht und Bedeutung gewann. Und auch wenn Today's... die mit Sicherheit von mir meistgehörte Platte Propagandhis ist, so ist meine liebste - ob des ausgefeilten und griffigen Songwritings - mittlerweile doch die Potemkin City Limits. Die Scheibe von 2012 ist mir skandalöserweise durch die Finger gerutscht, da muss ich schleunigst nachbessern...
 
Kennengelernt hab ich sie zwischen "How To Clean..." und "Less Talk..." (ja, ich war Fat Wreck-Fanboy, ich gebe zu. Ich war auch ein ein 15-jähriger Skater, damals hat man in den Kreisen entweder Hip-Hop oder Skatepunk gehört). Nie gemocht. Zu verkopft die Musik (und eben nicht auf eine interessante und kreative Art und Weise, sondern für mich nur nervig), zu langatmig die Texte. Ich WOLLTE sie mögen... ich hatte Freunde, die sie vergöttert haben. Danach kam die "Metal" (naja...)-Wende aber für mich blieben exakt wie vorher eine absolut nichtssagende Band.
Ich mag Rush, ich mag Canadian Steel und ich mag Punk. Ich wünsche mir, Propaghandi würden wirklich nach so einer Mischung klingen. Für mich tönt deren Musik wie Hard-Prog meets Emo :D
 
Für mich tönt deren Musik wie Hard-Prog meets Emo :D

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Trotzdem: Nein. :D
 
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