Vauxdvihl
Till Deaf Do Us Part
Da das Jahr 2023 bisher nicht nur ganz im Zeichen des Progs und der LISTE steht, sondern zudem überaus mysteriös ist, wird es doch wirklich an der Zeit einen Thread für die kanadischen Melodic-Progger von MYSTERY aufzumachen, oder?
Ich muss zugeben, dass ich es beinahe beschämend finde, dass die Truppe bis ins Jahr 2023 fein an mir vorbeigesegelt ist. So ein bisschen Prog höre ich ja schon seit etwa 35 Jahren und Bandkopf Michel St-Père hat die Band bereits 1986(!) gegründet. Klar, bis zum ersten vollständigen Album sind zehn Jahre vergangen und nach dem zweiten Werk im Jahr 1998 dauerte es neun Jahre bis zum dritten Album im Jahr 2007, aber auch das ist ja nun schon 16 Jahre her und Gelegenheiten die Band kennenzulernen, gab es genug. Anyway, das scheint ja nicht nur mir so zu gehen, denn erst dieses Jahr scheint MYSTERY auch hier etwas stattzufinden.
Ich bin Anfang des Jahres mit dem 2010er-Werk "One Among The Living" eingestiegen und tatsächlich hat mich das gar nicht sooo gepackt. Erst als ich in das 2018er-Werk "Lies and Butterflies" hineingehört habe, war es um mich geschehen. Das war irgendwann im Februar und dann habe ich mich in relativ kurzer Zeit durch die Diskographie gearbeitet und gekauft, nur um festzustellen, dass das alles fantastisch ist, was die Band mit wechselnden Besetzungen und Sängern über die Jahrzehnte fabriziert hat. Das sind immerhin acht Studioalben, eine EP und vier Live-Alben, die jetzt bis auf ein Live-Album ("Second Home") auch alle in meinem Besitz sind und hier vorgestellt werden sollen.
"1992 - The Lost Tapes" (1992)
Den Anfang macht die 1992 erschienene EP, die 2022 unter dem Titel "1992 - The Lost Tapes" neu aufgelegt wurde und deshalb noch gut zu bekommen ist. Enthalten sind vier Songs mit 20 Minuten Laufzeit. Von denen zwei, 'Heart Of Stone' und 'In My Dreams' auf dem Debüt enthalten sind, während 'Never Close Your Eyes' und 'Cinderella' hier exklusiv zu hören sind. Musikalisch ist das hier noch eine Schnittmenge aus AOR und melodischem Prog, wobei ich den Schwerpunkt hier schon noch beim AOR legen würde. Die Songs sind herrlich eingängig, 'In My Dreams' sogar eine wunderbar emotionale Ballade. Von den progressiven Großtaten der späteren Jahre ist man hier schon noch recht weit entfernt. Lediglich die ausgefeilte Gitarrenarbeit von St-Père und die etwas verspielten Rhytmuswechsel in 'Cinderella' geben schon einen Hinweis darauf, was noch kommen würde. Möchte ich auf keinen Fall missen.
Anspieltipp: Cinderella
8/10
Line-up:
Michel St-Père (Gitarre)
Stéphane Perreault (Schlagzeug)
Gary Savoie (Gesang)
Benoît Dupuis (Keyboard)
Richard Addison (Bass)
"Theatre Of The Mind" (1996)
Bis ins Jahr 1996 dauert es, bis das erste Album das Licht der Welt erblickt. "Theatre Of The Mind" führt die stilistische Ausrichtung der EP fort, wenn auch die Prog-Note etwas gestärkt wird, was ein erweitertes Instrumentarium (Flöte, Violine, Cello etc.), symphonische Elemente und auch ein episch-dramatischer Song jenseits der 8-Minuten-Marke mit 'Black Roses' zeigt. Auf der anderen Seite ist ein Song wie 'Lonely Heart' mit Saxophon-Solo 100% AOR, der nur etwa zehn Jahre zu spät veröffentlicht wurde und sonst durchaus ein Radio-Hit hätte werden können. Ganz feiner Schmachtfetzen. Die bekannten 'In My Dreams' und 'Heart Of Stone' sind hier natürlich nicht schwächer geworden, das Instrumental 'Rythmizomena' ist sogar schon ein erster Frickelanflug und das zweiteilige 'The Inner Journey' zeigt noch einmal den formvollendeten Spagat von AOR und Prog-Elementen. "Theatre Of The Mind" wurde 2018 noch einmal neu aufgelegt und ist ebenfalls relativ einfach zu finden.
Anspieltipps: In My Dream, The Inner Journey Pt. II
8.5/10
Line-up:
Michel St-Père (Gitarre)
Stéphane Perreault (Schlagzeug)
Gary Savoie (Gesang)
Benoît Dupuis (Keyboard)
Richard Addison (Bass)
Michel Painchaud (Gitarre)
"Destiny?" (1998)
Zwei Jahre und diverse Line-up-Wechsel später liegt dann "Destiny?" in den Läden. Hier wird jetzt vollends auf die Prog-Gerade eingebogen und die AOR-Komponenten weitestgehend ausgeblendet. Dass es die neun Songs auf 64 Minuten Spielzeit bringen, ist da bereits ein erster Indikator. Beim Titelsong wird sogar der Härtegrad - im Kontext der Band - spürbar angezogen. Man merkt, dass Michel St-Père hier mit einer neuen Rhythmustruppe zusammenarbeitet, die einfach, wo angebracht, etwas mehr Dampf macht. Außerdem ist "Destiny?" ein Album, das mit jeder Note besser zu werden scheint, vor allem ab dem knapp 10-minütigem 'Queen Of The Varja Space' wird dieses Werk ein echter Killer. Das wunderschön-traurige 'The Mourning Man' verursacht ordentlich Gänsehaut und der Viertelstünder 'Shadow Of The Lake' ist ein abwechslungsreiches Prog-Monster, bei dem vor allem der Mittelteil völlig fantastisch ist. Noch besser tatsächlich in der Live-Version auf der "Caught In The Whirlwind Of Time"-DVD. Hier gab es 2009 einen Re-Release, wo das Album auch neu gemischt und gemastered wurde. Das ist auch die Version, die ich habe, ich kann aber nicht sagen, wie viel anders/besser/schlechter das jetzt klingt. Der hübsche Bonus 'Heaven Can Wait' ist aber schon ein Argument für diese Version, die auch deutlich leichter zu finden ist.
Anspieltipps: The Mourning Man, Shadow Of The Lake
9/10
Line-up:
Michel St-Père (Gitarre, Keyboard)
Gary Savoie (Gesang)
Patrick Bourque (Bass)
Steve Gagné (Schlagzeug)
"Beneath The Veil Of Winter's Face" (2007)
Es dauert dann neun Jahre bis mit "Beneath The Veil Of Winter's Face" der dritte Rundling von MYSTERY erscheint. Das liegt vor allem daran, dass Sänger Gary Savoie die Band verlässt und sich Bandkopf Michel St-Père zudem auf sein Label Unicorn Digital fokussieren will. Neuer Sänger wird Benoit David, der später - für ein paar Jahre parallel zu MYSTERY - bei YES einsteigen wird. Ich finde, in Sachen Songwriting macht die Band hier noch mal einen deutlichen Schritt nach vorne. Obwohl hier meist kompakte fünf- bis sechs-Minüter zu finden sind, ist das jetzt ziemlich eindeutig Progressive Rock. St-Père brilliert hier mit vielen hochmelodischen Gitarrenthemen, aber hat auch hörbar Spaß am Keyboard. Gerade das Trio 'Travel Through The Night', 'The Scarlet Eye' und 'The Third Dream' beweisen dies. Hier treiben die Tasten gleich die ganze Band an, was aber wunderbar funktioniert. Dann gibt es noch das herrlich balladeske 'The Sailor And The Mermaid', das Epos 'The Awakening', das auch emotional mit der Textzeile "where are all the friends I used to have" punktet und dann das abschließende, kurze und überraschend rhythmisch-harte 'The Preacher's Fall', das bis zum heutigen Tag den Abschluss eines jeden Konzerts bildet. Hier beginnt die Band für mich ihren Stil zu perfektionieren.
Anspieltipps: Beneath The Veil Of Winter's Face, The Scarlet Eye, The Sailor And The Mermaid
9.5/10
Line-up:
Michel St-Père (Gitarre, Keyboard)
Benoit David (Gesang)
Patrick Bourque (Bass)
Steve Gagné (Schlagzeug)
"One Among The Living" (2010)
Ich habe es oben bereits erwähnt: das 2010er-Album "One Among The Living" war das erste MYSTERY-Album, das seinen Weg in meine Sammlung fand. Stilistisch geht Michel St-Père den Weg des melodischen Progressive Rock weiter und hat mit dem sechsteiligen 'Through Different Eyes' auch erstmals einen 20-Minüter an Bord. Ich finde, dass man bei St-Père über die Jahre eine deutliche Entwicklung als Gitarrist feststellen lässt. Die Soli werden ausgefeilter, sein Spiel noch gefühlvoller, sein Stil insgesamt eigener, das wird auch hier wieder bei einem Song wie 'Wolf' deutlich, das in seinen knapp sechs Minuten auch mal einen der seltenen frickeligen Parts einbaut, ohne dass es deplatziert wirkt und auch sein typisch gefühlvolles Spiel zeigt. Dass das Album nicht ganz so gezündet hat wie der Vorgänger und alle Nachfolger liegt daran, dass ich ein paar Melodien etwas weniger zwingend finde. Gerade 'Between Love And Hate' und einige Parts von 'Through Different Eyes' laufen ein bisschen an mir vorbei, was später nicht mehr der Fall sein wird. Dafür gibt es aber auch wieder einige ganz wunderbare Nummern wie das bereits erwähnte 'Wolf', 'Kameleon Man' (mit John Jowitt und Oliver Wakeman als Gästen) und 'Sailing On A Wing'. Die feste Band ist zu dieser Zeit auf Triogröße geschrumpft, für den Bass werden Session-Musiker und Gäste (wie o. g. John Jowitt) angeheuert, außerdem kehrt Ur-Tastenmann Benoit Dupuis für einige Songs zurück.
Anspieltipps: Wolf, Kameleon Man, Through Different Eyes Pt. 3 - So Far Away
8.5/10
Line-up:
Michel St-Père (Gitarre, Keyboard)
Benoit David (Gesang)
Steve Gagné (Schlagzeug)
"The World Is A Game" (2012)
MYSTERY bleibt in diesem Zeitraum sehr produktiv, obwohl die Band nach dem Ausstieg von Steve Gagné faktisch nur noch ein Duo ist. Aber was kann schiefgehen, wenn ein Nick D'Virigilio am Schlagzeug aushilft? Eben. "The World Is A Game" wird nach kurzem Intro mit dem über elfminütigen 'Pride' eröffnet, das gleich ein Ausrufezeichen setzt. St-Pères Soli sind gefühlvoll und akzentuiert wie eh und je, Davids Gesang ist ein Ohrenschmaus und vor allem sitzen die Melodien wieder passgenau. Egal, ob der eindringliche, auch lyrisch berührende Titeltrack, das wunderschöne 'Dear Someone' oder das 19-minütige 'Another Day', hier zelebriert MYSTERY den melodischen Progressive Rock auf höchstem Niveau. Gerade 'Another Day' wirkt sehr viel runder und schlüssiger als 'Through Different Eyes' auf dem Vorgänger. Die Breaks sind fließend, die Teile greifen wie Zahnrädchen ineinander. Großartig.
Anspieltipps: The World Is A Game, Dear Someone, Another Day
9.5/10
Line-up:
Michel St-Père (Gitarre, Keyboard)
Benoit David (Gesang)
Nick D'Virgilio (Schlagzeug)
Antoine Fafard (Bass)
"Delusion Rain" (2015)
"Delusion Rain" aus dem Jahr 2015 habe ich bereits in der LISTE vorgestellt. Mit diesem Album feiert Jean Pageau seinen Einstand und ist nicht unschuldig daran, dass "Delusion Rain" zu diesem Zeitpunkt sicher das beste Album von MYSTERY ist. Seine emotionale Performance ist wie gemacht für die ausufernden, gefühlvollen, melodischen Songs, seine gelegentlichen Flöteneinsätze sind passgenau und setzen wunderbare Akzente, dazu kommt mit 'A Song For You' eine formidable Hommage an die Fans, die gleich zwei gar nicht so kurze Frickelparts enthält und trotzdem von meiner Frau nicht gehasst wird. Das kommt beinahe einem Wunder gleich. Nicht weniger famos ist der Titeltrack, das 19-minütige, stellenweise arg traurige 'The Willow Tree' oder der, ehm, Single-Hit 'Wall Street King'. Ach, eigentlich ist das Album durchgehend auf höchstem Niveau, was auch der Grund für die LISTE ist. Und um so häufiger ich das Album höre und um so mehr ich darüber nachdenke, um so klarer ist, dass das ein Fall von Höchstnote ist.
Anspieltipps: Delusion Rain, The Willow Tree, Wall Street King, A Song For You
10/10
Line-up:
Michel St-Père (Gitarre)
Jean Pageau (Gesang)
Benoit Dupuis (Keyboard)
Francois Fournier (Bass)
Sylvain Moineau (Gitarre)
Jean-Sébastien Goyette (Schlagzeug)
"Lies And Butterflies" (2018)
Ich habe es in der Einleitung erwähnt: die Initialzündung für mein mysteriöses Jahr war das 2018er-Album "Lies And Butterflies" und hier ganz besonders der Opener 'Looking For Something Else', der vielleicht die Blaupause für den Sound von MYSTERY ist. 17 Minuten lang, ohne echten Chorus, aber mit gleich zwei Hooks für die Ewigkeit, emotionaler Gesang, dazwischen ein wunderbar harmonischer, sich langsam steigender Instrumentalpart, der auch live brillant funktioniert und natürlich Melodien zum Niederknieen. Alleine die Pianomelodie vor dem 'does anybody know?'-Part sorgt immer für Gänsehaut. In der Folge wird es auch nicht schwächer, auch die eher kompakten Songs wie 'Come To Me', die federleichte Ballade 'How Do You Feel?', aber vor allem das Trio 'Something To Believe In', 'Dare To Dream' und 'When Dreams Come Alive' sind schicke Ohrwürmer, die zumindest ich immer mal wieder vor mich hersinge. Der abschließende Viertelstünder 'Chrysallis' ist viel mehr schöner Schmetterling als stachelige Larve und das ist auch verdammt gut so. Auch auf diesem Album gibt es für mich keine einzige schwache Note und hätte ich das Album schon im Regal gehabt, als ich "Delusion Rain" für die LISTE nominiert habe, wäre es ggf. auch dieses Album (oder gar beide) geworden. Auch hier mittlerweile ein klarer Fall von Höchstnote.
Anspieltipps: Looking For Something Else, When Dreams Come Alive, Something To Believe In, Chrysallis
10/10
Line-up:
Michel St-Père (Gitarre)
Jean Pageau (Gesang)
Antoine Michaud (Keyboard)
Francois Fournier (Bass)
Sylvain Moineau (Gitarre)
Jean-Sébastien Goyette (Schlagzeug)
"Redemption" (2023)
Es hat eine Weile gedauert, bis ein neues Studioalbum endlich ins Regal gehievt wurde, aber die Messlatte war nach zwei 10er-Alben in Folge natürlich auch hoch. In diesem April war es dann so weit und "Redemption" enttäuscht zu keiner Sekunde, auch wenn das Niveau der drei Vorgänger nicht ganz erreicht wird. Das liegt auch nur an ein paar Details, wie dem vielleicht eine Spur zu cheesigen 'My Inspiration' oder dem nicht ganz so nachhaltigem 'Every Note' und schließlich dem nicht ganz so flüssigen Longtrack 'Is This How The Story Ends?'. Man ist halt verwöhnt. Verwöhnt wird man aber natürlich auch hier, alleine das Eröffnungsdoppel mit dem für Bandverhältnisse recht harten 'Behind The Mirror' und dem melancholisch-dramatischen 'Redemption' ist eine pure Wonne. Auch das 12-minütige 'Pearls And Fire' ist sowohl lyrisch als auch musikalisch ein Hochgenuss. Von daher ist auch dieses Album recht locker in der Jahres-Top10 und untermauert, dass MYSTERY im Wohlfühl-Prog ganz weit vorne ist.
Anspieltipps: Redemption, Behind The Mirror, Pearls & Fire
9/10
Line-up:
Michel St-Père (Gitarre)
Jean Pageau (Gesang)
Antoine Michaud (Keyboard)
Francois Fournier (Bass)
Sylvain Moineau (Gitarre)
Jean-Sébastien Goyette (Schlagzeug)
Über die Live-Alben schreibe ich in den nächsten Wochen auch noch etwas, da die sich wirklich lohnen. Ansonsten seid ihr jetzt an der Reihe.
Ich muss zugeben, dass ich es beinahe beschämend finde, dass die Truppe bis ins Jahr 2023 fein an mir vorbeigesegelt ist. So ein bisschen Prog höre ich ja schon seit etwa 35 Jahren und Bandkopf Michel St-Père hat die Band bereits 1986(!) gegründet. Klar, bis zum ersten vollständigen Album sind zehn Jahre vergangen und nach dem zweiten Werk im Jahr 1998 dauerte es neun Jahre bis zum dritten Album im Jahr 2007, aber auch das ist ja nun schon 16 Jahre her und Gelegenheiten die Band kennenzulernen, gab es genug. Anyway, das scheint ja nicht nur mir so zu gehen, denn erst dieses Jahr scheint MYSTERY auch hier etwas stattzufinden.
Ich bin Anfang des Jahres mit dem 2010er-Werk "One Among The Living" eingestiegen und tatsächlich hat mich das gar nicht sooo gepackt. Erst als ich in das 2018er-Werk "Lies and Butterflies" hineingehört habe, war es um mich geschehen. Das war irgendwann im Februar und dann habe ich mich in relativ kurzer Zeit durch die Diskographie gearbeitet und gekauft, nur um festzustellen, dass das alles fantastisch ist, was die Band mit wechselnden Besetzungen und Sängern über die Jahrzehnte fabriziert hat. Das sind immerhin acht Studioalben, eine EP und vier Live-Alben, die jetzt bis auf ein Live-Album ("Second Home") auch alle in meinem Besitz sind und hier vorgestellt werden sollen.
"1992 - The Lost Tapes" (1992)
Den Anfang macht die 1992 erschienene EP, die 2022 unter dem Titel "1992 - The Lost Tapes" neu aufgelegt wurde und deshalb noch gut zu bekommen ist. Enthalten sind vier Songs mit 20 Minuten Laufzeit. Von denen zwei, 'Heart Of Stone' und 'In My Dreams' auf dem Debüt enthalten sind, während 'Never Close Your Eyes' und 'Cinderella' hier exklusiv zu hören sind. Musikalisch ist das hier noch eine Schnittmenge aus AOR und melodischem Prog, wobei ich den Schwerpunkt hier schon noch beim AOR legen würde. Die Songs sind herrlich eingängig, 'In My Dreams' sogar eine wunderbar emotionale Ballade. Von den progressiven Großtaten der späteren Jahre ist man hier schon noch recht weit entfernt. Lediglich die ausgefeilte Gitarrenarbeit von St-Père und die etwas verspielten Rhytmuswechsel in 'Cinderella' geben schon einen Hinweis darauf, was noch kommen würde. Möchte ich auf keinen Fall missen.
Anspieltipp: Cinderella
8/10
Line-up:
Michel St-Père (Gitarre)
Stéphane Perreault (Schlagzeug)
Gary Savoie (Gesang)
Benoît Dupuis (Keyboard)
Richard Addison (Bass)
"Theatre Of The Mind" (1996)
Bis ins Jahr 1996 dauert es, bis das erste Album das Licht der Welt erblickt. "Theatre Of The Mind" führt die stilistische Ausrichtung der EP fort, wenn auch die Prog-Note etwas gestärkt wird, was ein erweitertes Instrumentarium (Flöte, Violine, Cello etc.), symphonische Elemente und auch ein episch-dramatischer Song jenseits der 8-Minuten-Marke mit 'Black Roses' zeigt. Auf der anderen Seite ist ein Song wie 'Lonely Heart' mit Saxophon-Solo 100% AOR, der nur etwa zehn Jahre zu spät veröffentlicht wurde und sonst durchaus ein Radio-Hit hätte werden können. Ganz feiner Schmachtfetzen. Die bekannten 'In My Dreams' und 'Heart Of Stone' sind hier natürlich nicht schwächer geworden, das Instrumental 'Rythmizomena' ist sogar schon ein erster Frickelanflug und das zweiteilige 'The Inner Journey' zeigt noch einmal den formvollendeten Spagat von AOR und Prog-Elementen. "Theatre Of The Mind" wurde 2018 noch einmal neu aufgelegt und ist ebenfalls relativ einfach zu finden.
Anspieltipps: In My Dream, The Inner Journey Pt. II
8.5/10
Line-up:
Michel St-Père (Gitarre)
Stéphane Perreault (Schlagzeug)
Gary Savoie (Gesang)
Benoît Dupuis (Keyboard)
Richard Addison (Bass)
Michel Painchaud (Gitarre)
"Destiny?" (1998)
Zwei Jahre und diverse Line-up-Wechsel später liegt dann "Destiny?" in den Läden. Hier wird jetzt vollends auf die Prog-Gerade eingebogen und die AOR-Komponenten weitestgehend ausgeblendet. Dass es die neun Songs auf 64 Minuten Spielzeit bringen, ist da bereits ein erster Indikator. Beim Titelsong wird sogar der Härtegrad - im Kontext der Band - spürbar angezogen. Man merkt, dass Michel St-Père hier mit einer neuen Rhythmustruppe zusammenarbeitet, die einfach, wo angebracht, etwas mehr Dampf macht. Außerdem ist "Destiny?" ein Album, das mit jeder Note besser zu werden scheint, vor allem ab dem knapp 10-minütigem 'Queen Of The Varja Space' wird dieses Werk ein echter Killer. Das wunderschön-traurige 'The Mourning Man' verursacht ordentlich Gänsehaut und der Viertelstünder 'Shadow Of The Lake' ist ein abwechslungsreiches Prog-Monster, bei dem vor allem der Mittelteil völlig fantastisch ist. Noch besser tatsächlich in der Live-Version auf der "Caught In The Whirlwind Of Time"-DVD. Hier gab es 2009 einen Re-Release, wo das Album auch neu gemischt und gemastered wurde. Das ist auch die Version, die ich habe, ich kann aber nicht sagen, wie viel anders/besser/schlechter das jetzt klingt. Der hübsche Bonus 'Heaven Can Wait' ist aber schon ein Argument für diese Version, die auch deutlich leichter zu finden ist.
Anspieltipps: The Mourning Man, Shadow Of The Lake
9/10
Line-up:
Michel St-Père (Gitarre, Keyboard)
Gary Savoie (Gesang)
Patrick Bourque (Bass)
Steve Gagné (Schlagzeug)
"Beneath The Veil Of Winter's Face" (2007)
Es dauert dann neun Jahre bis mit "Beneath The Veil Of Winter's Face" der dritte Rundling von MYSTERY erscheint. Das liegt vor allem daran, dass Sänger Gary Savoie die Band verlässt und sich Bandkopf Michel St-Père zudem auf sein Label Unicorn Digital fokussieren will. Neuer Sänger wird Benoit David, der später - für ein paar Jahre parallel zu MYSTERY - bei YES einsteigen wird. Ich finde, in Sachen Songwriting macht die Band hier noch mal einen deutlichen Schritt nach vorne. Obwohl hier meist kompakte fünf- bis sechs-Minüter zu finden sind, ist das jetzt ziemlich eindeutig Progressive Rock. St-Père brilliert hier mit vielen hochmelodischen Gitarrenthemen, aber hat auch hörbar Spaß am Keyboard. Gerade das Trio 'Travel Through The Night', 'The Scarlet Eye' und 'The Third Dream' beweisen dies. Hier treiben die Tasten gleich die ganze Band an, was aber wunderbar funktioniert. Dann gibt es noch das herrlich balladeske 'The Sailor And The Mermaid', das Epos 'The Awakening', das auch emotional mit der Textzeile "where are all the friends I used to have" punktet und dann das abschließende, kurze und überraschend rhythmisch-harte 'The Preacher's Fall', das bis zum heutigen Tag den Abschluss eines jeden Konzerts bildet. Hier beginnt die Band für mich ihren Stil zu perfektionieren.
Anspieltipps: Beneath The Veil Of Winter's Face, The Scarlet Eye, The Sailor And The Mermaid
9.5/10
Line-up:
Michel St-Père (Gitarre, Keyboard)
Benoit David (Gesang)
Patrick Bourque (Bass)
Steve Gagné (Schlagzeug)
"One Among The Living" (2010)
Ich habe es oben bereits erwähnt: das 2010er-Album "One Among The Living" war das erste MYSTERY-Album, das seinen Weg in meine Sammlung fand. Stilistisch geht Michel St-Père den Weg des melodischen Progressive Rock weiter und hat mit dem sechsteiligen 'Through Different Eyes' auch erstmals einen 20-Minüter an Bord. Ich finde, dass man bei St-Père über die Jahre eine deutliche Entwicklung als Gitarrist feststellen lässt. Die Soli werden ausgefeilter, sein Spiel noch gefühlvoller, sein Stil insgesamt eigener, das wird auch hier wieder bei einem Song wie 'Wolf' deutlich, das in seinen knapp sechs Minuten auch mal einen der seltenen frickeligen Parts einbaut, ohne dass es deplatziert wirkt und auch sein typisch gefühlvolles Spiel zeigt. Dass das Album nicht ganz so gezündet hat wie der Vorgänger und alle Nachfolger liegt daran, dass ich ein paar Melodien etwas weniger zwingend finde. Gerade 'Between Love And Hate' und einige Parts von 'Through Different Eyes' laufen ein bisschen an mir vorbei, was später nicht mehr der Fall sein wird. Dafür gibt es aber auch wieder einige ganz wunderbare Nummern wie das bereits erwähnte 'Wolf', 'Kameleon Man' (mit John Jowitt und Oliver Wakeman als Gästen) und 'Sailing On A Wing'. Die feste Band ist zu dieser Zeit auf Triogröße geschrumpft, für den Bass werden Session-Musiker und Gäste (wie o. g. John Jowitt) angeheuert, außerdem kehrt Ur-Tastenmann Benoit Dupuis für einige Songs zurück.
Anspieltipps: Wolf, Kameleon Man, Through Different Eyes Pt. 3 - So Far Away
8.5/10
Line-up:
Michel St-Père (Gitarre, Keyboard)
Benoit David (Gesang)
Steve Gagné (Schlagzeug)
"The World Is A Game" (2012)
MYSTERY bleibt in diesem Zeitraum sehr produktiv, obwohl die Band nach dem Ausstieg von Steve Gagné faktisch nur noch ein Duo ist. Aber was kann schiefgehen, wenn ein Nick D'Virigilio am Schlagzeug aushilft? Eben. "The World Is A Game" wird nach kurzem Intro mit dem über elfminütigen 'Pride' eröffnet, das gleich ein Ausrufezeichen setzt. St-Pères Soli sind gefühlvoll und akzentuiert wie eh und je, Davids Gesang ist ein Ohrenschmaus und vor allem sitzen die Melodien wieder passgenau. Egal, ob der eindringliche, auch lyrisch berührende Titeltrack, das wunderschöne 'Dear Someone' oder das 19-minütige 'Another Day', hier zelebriert MYSTERY den melodischen Progressive Rock auf höchstem Niveau. Gerade 'Another Day' wirkt sehr viel runder und schlüssiger als 'Through Different Eyes' auf dem Vorgänger. Die Breaks sind fließend, die Teile greifen wie Zahnrädchen ineinander. Großartig.
Anspieltipps: The World Is A Game, Dear Someone, Another Day
9.5/10
Line-up:
Michel St-Père (Gitarre, Keyboard)
Benoit David (Gesang)
Nick D'Virgilio (Schlagzeug)
Antoine Fafard (Bass)
"Delusion Rain" (2015)
"Delusion Rain" aus dem Jahr 2015 habe ich bereits in der LISTE vorgestellt. Mit diesem Album feiert Jean Pageau seinen Einstand und ist nicht unschuldig daran, dass "Delusion Rain" zu diesem Zeitpunkt sicher das beste Album von MYSTERY ist. Seine emotionale Performance ist wie gemacht für die ausufernden, gefühlvollen, melodischen Songs, seine gelegentlichen Flöteneinsätze sind passgenau und setzen wunderbare Akzente, dazu kommt mit 'A Song For You' eine formidable Hommage an die Fans, die gleich zwei gar nicht so kurze Frickelparts enthält und trotzdem von meiner Frau nicht gehasst wird. Das kommt beinahe einem Wunder gleich. Nicht weniger famos ist der Titeltrack, das 19-minütige, stellenweise arg traurige 'The Willow Tree' oder der, ehm, Single-Hit 'Wall Street King'. Ach, eigentlich ist das Album durchgehend auf höchstem Niveau, was auch der Grund für die LISTE ist. Und um so häufiger ich das Album höre und um so mehr ich darüber nachdenke, um so klarer ist, dass das ein Fall von Höchstnote ist.
Anspieltipps: Delusion Rain, The Willow Tree, Wall Street King, A Song For You
10/10
Line-up:
Michel St-Père (Gitarre)
Jean Pageau (Gesang)
Benoit Dupuis (Keyboard)
Francois Fournier (Bass)
Sylvain Moineau (Gitarre)
Jean-Sébastien Goyette (Schlagzeug)
"Lies And Butterflies" (2018)
Ich habe es in der Einleitung erwähnt: die Initialzündung für mein mysteriöses Jahr war das 2018er-Album "Lies And Butterflies" und hier ganz besonders der Opener 'Looking For Something Else', der vielleicht die Blaupause für den Sound von MYSTERY ist. 17 Minuten lang, ohne echten Chorus, aber mit gleich zwei Hooks für die Ewigkeit, emotionaler Gesang, dazwischen ein wunderbar harmonischer, sich langsam steigender Instrumentalpart, der auch live brillant funktioniert und natürlich Melodien zum Niederknieen. Alleine die Pianomelodie vor dem 'does anybody know?'-Part sorgt immer für Gänsehaut. In der Folge wird es auch nicht schwächer, auch die eher kompakten Songs wie 'Come To Me', die federleichte Ballade 'How Do You Feel?', aber vor allem das Trio 'Something To Believe In', 'Dare To Dream' und 'When Dreams Come Alive' sind schicke Ohrwürmer, die zumindest ich immer mal wieder vor mich hersinge. Der abschließende Viertelstünder 'Chrysallis' ist viel mehr schöner Schmetterling als stachelige Larve und das ist auch verdammt gut so. Auch auf diesem Album gibt es für mich keine einzige schwache Note und hätte ich das Album schon im Regal gehabt, als ich "Delusion Rain" für die LISTE nominiert habe, wäre es ggf. auch dieses Album (oder gar beide) geworden. Auch hier mittlerweile ein klarer Fall von Höchstnote.
Anspieltipps: Looking For Something Else, When Dreams Come Alive, Something To Believe In, Chrysallis
10/10
Line-up:
Michel St-Père (Gitarre)
Jean Pageau (Gesang)
Antoine Michaud (Keyboard)
Francois Fournier (Bass)
Sylvain Moineau (Gitarre)
Jean-Sébastien Goyette (Schlagzeug)
"Redemption" (2023)
Es hat eine Weile gedauert, bis ein neues Studioalbum endlich ins Regal gehievt wurde, aber die Messlatte war nach zwei 10er-Alben in Folge natürlich auch hoch. In diesem April war es dann so weit und "Redemption" enttäuscht zu keiner Sekunde, auch wenn das Niveau der drei Vorgänger nicht ganz erreicht wird. Das liegt auch nur an ein paar Details, wie dem vielleicht eine Spur zu cheesigen 'My Inspiration' oder dem nicht ganz so nachhaltigem 'Every Note' und schließlich dem nicht ganz so flüssigen Longtrack 'Is This How The Story Ends?'. Man ist halt verwöhnt. Verwöhnt wird man aber natürlich auch hier, alleine das Eröffnungsdoppel mit dem für Bandverhältnisse recht harten 'Behind The Mirror' und dem melancholisch-dramatischen 'Redemption' ist eine pure Wonne. Auch das 12-minütige 'Pearls And Fire' ist sowohl lyrisch als auch musikalisch ein Hochgenuss. Von daher ist auch dieses Album recht locker in der Jahres-Top10 und untermauert, dass MYSTERY im Wohlfühl-Prog ganz weit vorne ist.
Anspieltipps: Redemption, Behind The Mirror, Pearls & Fire
9/10
Line-up:
Michel St-Père (Gitarre)
Jean Pageau (Gesang)
Antoine Michaud (Keyboard)
Francois Fournier (Bass)
Sylvain Moineau (Gitarre)
Jean-Sébastien Goyette (Schlagzeug)
Über die Live-Alben schreibe ich in den nächsten Wochen auch noch etwas, da die sich wirklich lohnen. Ansonsten seid ihr jetzt an der Reihe.
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