PSYCHOTIC WALTZ

Hab mir heute zum ersten Mal seit langem "Bleeding" mal wieder angehört ('96 lief die bei mir sehr häufig) und muss sagen, dass ich "The God-Shaped Void" doch ne ganze Ecke besser finde.
Die Band hat es damals zwar durchaus gut geschafft, ihre typischen Trademarks in kurze Songs und simple Pop-Song-Schemata zu komprimieren, aber letzteres stört mich dann jetzt auf Albumlänge doch etwas. Außerdem ist mit "Skeleton" auch ein doch recht schwacher Song enthalten (fand ich schon immer, heute bestätigt) und das abschließende "Freedom?" ist eigentilch auch nur ganz nett.
Allerdings hatte ich ja schon ganz vergessen, wie großartig "Need" doch ist! Warum spielen die das nicht live? Für mich wirklich eindeutig das Highlight der Scheibe (kann meiner Meinung nach sogar mit den ersten beiden Alben mithalten), da es den interessantesten Aufbau hat und auch mit die geilsten Gitarrenharmonien! Von letzteren gibt es aber auch noch in einigen anderen Songs des Albums so einige, z.B. im Finale von "Sleep" oder auch "Northern Lights", das mir aber etwas zu gewöhnlich beginnt. Die Atmosphäre von "Drift" fand ich auch schon immer genial (das wirkt fast wie das Destillat eines epischen Longtracks) und den harten Opener, der immer zwischen treibenden Parts und Dreivierteltakt hin- und herpendelt, sowieso. "Morbid" hab ich etwas übergehört, da das damals wirklich jedes Wochenende in meinem Lieblingsclub in Bremen lief und die Band es ja auch ständig live spielt. Trotzdem auch schöner Song, "Locust" und der Titelsong ebenfalls. Mit "My Grave" ist ja auch noch ne schöne Ballade an Bord, auch wenn die "I Remember" natürlich nicht das Wasser reichen kann.
Früher hätte ich wohl 9 Punkte gegeben, heute tendiere ich eher zu 8/10, gerade auch im Vergleich zu den ersten beiden Alben.

Beim Hören von "The God-Shaped Void" danach ist mir sofort die deutlich besesere Produktion aufgefallen (fand "Bleeding" bei erscheinen eigentlich recht fett produziert, aber im direkten Vergleich wirkt es flach und eindimensional, außerdem etwas matschig - habe beide als Vinyl gehört).
Die Songverläufe sind ja auch wieder häufiger interessanter, weniger Standard-Schema und die stilistische Abwechslung größer, auch wenn ich mir hier und da noch ein wenig mehr interessante Riffs gewünscht hätte (ich finde, die Rhythmusgitarren sind auf dem neuen Album leider oft recht einfallslos und die interessanteren klingen teilweise fast schon nach Standard-Hardrock-Akkorden, die anderen sind meist sehr monoton - aber gut, welche in der Art gab es auf "Bleeding" auch schon). Ist für mich, neben dem fast durchgehend schleppenden Tempo ein weiterer Kritikpunkt am neuen Album, als Meisterwerk oder kommenden Klassiker kann ich es trotz teils magischer Gitarrenharmonien und auch wieder einiger großartiger Gesangslinien (und toller Querflötenparts) somit wirklich nicht ansehen, lediglich als sehr gutes Album.
Meine Highlights verfestigen sich so langsam: "Devils And Angels", "Stranded", "Pull The String" (vor allem ab dem Querflötenpart), "Demystified" und "Sisters Of The Dawn". Auch sehr gut finde ich "The Fallen", "While The Spiders Spin" und "In The Silence". "Back To Black", "All The Bad Men" und "Seasons Of The Swarm" sind dann auf jeden Fall immerhin noch gut, mit dem einen oder anderen tollen Moment.
Würde hier wahrscheinlich gute 8,5 bis 9/10 zücken. Für einen dritten Platz in der Banddiskografie reicht das bei mir locker und das ist durchaus etwas mehr, als ich noch vor Veröffentlichung des Albums erwartet hätte.
Sehr schöne Gegenüberstellung, der ich zwar nicht in jedem Punkt zustimmen kann, die mich aber sehr angeregt hat, die beiden Alben selbst nochmal zu vergleichen. 8 Punkte für "Bleeding" sind zu wenig. Ich höre wie Du die konventionelleren Anteile im Songwriting, aber ich vermag sie nicht zu kritisieren. Sondern als Ausdruck der damaligen Befindlichkeit der Band hinzunehmen und zu geniessen. Im Grunde ist die "Bleeding" in ihrer reeelativen Einfachheit doch die perfekte Ergänzung zu "Social Grace" und "Everflow". Recht hast Du, daß "God-Shaped Void" da wieder etwas feiner vorgeht. Ich finde sogar, deutlich verfeinert. Man hört den neuen Songs an, daß an ihnen nicht ein paar Monate, sondern ein paar Jahre gearbeitet worden ist.

Wenn Du die "Bleeding" auf Vinyl hast, kannst Du eigentlich nur die Century Media von 2011 meinen. Alle vier LP-Versionen aus dieser Zeit gelten als klanglich dürftig, ich habe aber keine von ihnen je selbst gehört. Ich weiß nur, daß ich mal "Everflow" bestellen wollte und mich dann bei Discogs habe warnen lassen, weil einige meinten, sie klinge wirklich nicht gut.

Die "Bleeding"-CD ist alles andere als audiophil, aber besser als ich sie wiederum in Erinnerung hatte. Die Akustikgitarren in "Drift" sind schön abgezeichnet, Devons Stimme allerdings über das gesamte Album ziemlich in den Hintergrund gemischt.

Jetzt muß ich einfach noch dagegenhalten: :D

A Social Grace 11/10
Into The Everflow 10,5/10
Mosquito 9,5/10
Bleeding 9,75/10
The God-Shaped Void x/10
 
Wo Du sie gerade erwähnst: Mir ist durch unsere Diskussion um das neue Album bei den beiden Bands eine Parallele aufgefallen. Im Grunde haben Waltz Mitte der 90er die gleiche Entwicklung gemacht wie Rush um das Jahr 1980 herum. Beide sind von ausladenderen epischen Werken zu komprimierterem Songwriting gekommen und beide haben letzteres zu einer Meisterschaft entwickelt. Insofern kann ich in das Gejammere (ist nicht abschätzig gemeint!) um den Prog-Verlust bei Waltz nicht so recht einstimmen. Waltz haben gelernt, auf knapperem Raum mehr unterzubringen, nicht alles mehr nebeneinander zu stellen (nach dem Motto: nach dem langsamen Part x kommt jetzt der trashige Part y, dann der proggige Part z), sondern diese Dinge viel organischer ineinander zu blenden, auf kleinerem Raum sogar zu schichten und zu verweben, auf die Essenz zu beschränken.

Ich sehe da viel Ähnlichkeit mit Rush. Nur daß Waltz (bisher) nicht ganz so viele zeitgemäße Einflüsse von außen aufgenommen haben wie Rush damals und das finde ich auch in diesem Fall ziemlich gut so. Man stelle sich vor, bei Waltz wäre plötzlich richtig Industrial oder TripHop zu vernehmen, so wie bei Rush damals Wave und Reaggae. Muß ich nicht haben.

Psychotic Waltz sind natürlich randvoll mit wichtigen Einflüssen von außen (man denke an die ganzen Reminiszenzen in "Butterfly"), aber sie haben es immer zu etwas Ureigenem gemacht. Das weiß ich sehr, sehr zu schätzen, dafür liebe ich diese Band.
Ich würde zwar nicht sagen, dass PW seit dem dritten oder vierten Album "auf knapperem Raum mehr unterbringen", zumindest höre ich da dieses "Mehr" nicht raus. Sie haben es lediglich geschafft, ihren eigenen Stil in eingängigere Songs zu verpacken. Ob das nun besser oder schlechter ist, ist natürlich Geschmackssache. Für mich sind sie nie wieder an "Into The Everflow" rangekommen, bei dem für mich übrigens auch alle Songverläufe und Übergänge völlig organisch und passend klingen, trotz teilweise schrägerer Ideen.
Ach ja, noch zum Thema Einflüsse: was mir gestern zum ersten Mal aufgefallen ist - die Strophen in "The Fallen" erinnern mich extrem an irgendwas von NEKTAR (ich glaube, von der "A Tab in The Ocean" oder "Journey To the Center Of The Eye)"). Da gibt es irgendwo eine ziemlich ähnliche Gesangslinie und auch Devons Stimme erinnert mich da kurz an Roye Albrighton. Weiß natürlich nicht, ob PW überhaupt Fans der Band sind, oder ob das Zufall ist, auf jeden Fall kriege ich diese Assoziation jetzt nicht mehr aus dem Kopf...:D
 
Sehr schöne Gegenüberstellung, der ich zwar nicht in jedem Punkt zustimmen kann, die mich aber sehr angeregt hat, die beiden Alben selbst nochmal zu vergleichen. 8 Punkte für "Bleeding" sind zu wenig. Ich höre wie Du die konventionelleren Anteile im Songwriting, aber ich vermag sie nicht zu kritisieren. Sondern als Ausdruck der damaligen Befindlichkeit der Band hinzunehmen und zu geniessen. Im Grunde ist die "Bleeding" in ihrer reeelativen Einfachheit doch die perfekte Ergänzung zu "Social Grace" und "Everflow". Recht hast Du, daß "God-Shaped Void" da wieder etwas feiner vorgeht. Ich finde sogar, deutlich verfeinert. Man hört den neuen Songs an, daß an ihnen nicht ein paar Monate, sondern ein paar Jahre gearbeitet worden ist.

Wenn Du die "Bleeding" auf Vinyl hast, kannst Du eigentlich nur die Century Media von 2011 meinen. Alle vier LP-Versionen aus dieser Zeit gelten als klanglich dürftig, ich habe aber keine von ihnen je selbst gehört. Ich weiß nur, daß ich mal "Everflow" bestellen wollte und mich dann bei Discogs habe warnen lassen, weil einige meinten, sie klinge wirklich nicht gut.

Die "Bleeding"-CD ist alles andere als audiophil, aber besser als ich sie wiederum in Erinnerung hatte. Die Akustikgitarren in "Drift" sind schön abgezeichnet, Devons Stimme allerdings über das gesamte Album ziemlich in den Hintergrund gemischt.

Jetzt muß ich einfach noch dagegenhalten: :D

A Social Grace 11/10
Into The Everflow 10,5/10
Mosquito 9,5/10
Bleeding 9,75/10
The God-Shaped Void x/10
Danke!
Ich finde halt schon, dass PW nach den ersten beiden Alben zwar noch wirklich gute und auch durchaus essenzielle (weil andersartige, den vorherigen Stil ergänzende) Alben veröffentlicht haben, die aber eben nicht mehr so innovativ sind und mich persönlich nicht mehr so sehr berühren (bis auf einzelne Songausnahmen auf den letzten beiden Alben).
Hätte "Bleeding" anstelle der letzten beiden Songs noch zwei weitere Kracher à la "Need", "Drift" oder "Sleep" gehabt, würde ich mit einer Bewertung sicher auch bei 9 oder 9,5 Punkten landen. Aber gerade "Skeleton" finde ich nicht einmal nur für PW schwach, sondern generell nicht gerade toll.
"Mosquito" bekäme von mir wohl sogar nur 7,5 Punkte, da noch etwas durchwachsener - da kommen für mich auch die besten Songs nicht an die Highlights der anderen Alben ran, auch wenn ich z.B. den Titelsong, "Shattered" und "Mindsong" wirklich gut finde (aber eben nicht so gut, wie die besten Stücke aller anderen Alben der Band).

Zum Vinyl: Ja, hab die 2011er (in der Box). Ich müsste zum Vergleich noch mal meine CD hören, kann mir aber nicht vorstellen, dass die nennenswert besser klingt (zumindest nicht annähernd so gut wie "The God-Shaped Void" auf Vinyl). Die Pressqualität der Platte scheint mir gut zu sein, kaum Nebengeräusche etc., außerdem hat sie mit nicht einmal 42 Minuten auch genau die richtige Länge. Nur ein wenig leiser ist sie im Vergleich zur neuen. Bei "Into the Everflow" als 2011er Vinylrerelease ist ja hingegen das Problem, dass es durch den Bonustrack schon zu lang für eine Einzel-LP ist (glaube, 54 Minuten oder so), da müssten Soundeinbußen zu hören sein. Hab die LP aber schon ewig nicht mehr aufgelegt, da ich noch die Japan-CD hab, die ich meistens höre. Hatte mir die LP-Box damals vor allem wegen des ASLAN-Demos zugelegt und "Mosquito" hatte ich zu der Zeit noch gar nicht als Originaltonträger (das schöne Artwork der Box war dann noch ein zusätzlicher Kaufanreiz), alles andere hatte ich bereits seit Jahren als CD.
 
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Die Grundatmosphäre von "The god shaped void" erinnert mich schon sehr an DEAD SOUL TRIBE´s "A murder of crows".
Vielleicht liegt es an der leicht düsteren Atmosphäre, oder Graves Gesang, der logischerweise dunkler klingt, als noch in den 90ern.

Ist ja auch egal. Handelt es sich hier um ein grandioses Werk dem ich mittlerweile 9,5 Punkte spendieren würde.
 
Das ist natürlich wirklich schön für die Band und hochverdient, zeigt aber leider nur, dass niemand mehr physisch Musik kauft. Wie viele Einheiten werden das sein in der ersten Woche? 800? 1,000? Viel mehr wahrscheinlich leider nicht. Auf die ausverkaufte Arena-Tour muss man auf jeden Fall noch etwas warten.
 
Naja, da wurde auch kläglich versagt gescheite Promo zu fahren. Von daher erst recht: Glückwunsch!
 
Gestern war's 'ne Woche,daß "The God-Shaped Void" hier hereingeschneit ist; seither läuft das Ding wieder und wieder und ich krieg nicht genug. Ein unbeschreiblicher Wohlfühlfaktor ist das I-Tüpfelchen auf dieses grandiose Werk. Dieses nimmersatte Dauerhören hatte ich in "jüngerer" Vergangenheit bei zwei Alben, namentlich "The Scythe Of Cosmic Chaos" von SULPHUR AEON ( musste ja kommen,gell!?) und "Atonement" von IMMOLATION. Gerade im Falle der letzteren erinnere ich mich an ein ähnliches Gefühl wie ich es momentan im Falle PW hab: "keinen Plan,was an Releases kommt und ist auch wumpe,weil ich's nicht brauche".
EIgentlich hätte ich voll Bock,mal wieder "Bleeding" oder "Mosquito" einzulegen. Aber ich will nicht. Diese göttliche Leere hat mich verschluckt und will mich einfach noch nicht wieder ausspucken !
 
@Vauxdvihl Ein bisschen mehr Social Media-Ankündigungen im Vorfeld und zumindest auf deren offiziellen Band-Kanälen eine schnellere Aktion am Releasetag ("album out now" + Video nicht erst gegen Abend). Als Fan hat man das sicher nicht so nötig. Aber wäre doch um einiges cooler, wenn die Band noch Nachwuchsfans ziehen könnte.

In die Charts werden übrigens auch Streams miteingerechnet. Sprich: Es sind vermutlich noch weniger haptische Verkäufe als befürchtet.

https://www.wikiwand.com/de/Deutsche_Albumcharts
 
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Um nochmal von Verkaufsmeldungen und nebensächlichem wie musikalische Qualität auf das eigentlich wichtige Thema zurückzukommen: Klangqualität der CD ;-)

Ich habe jetzt angefangen die LP auf den Rechner zu bringen. Erste Stichprobe:
Sisters Of The Dawn
CD ... DR6
LP ... DR11
 
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