Atlantean Kodex

Echt? Seh ich komplett anders. Ich find Markus hat sich nochmals gesteigert und wird von Platte zu Platte besser. Wobei dies nach dem DF-Interview laut seiner eigenen Aussage ja auch wohl unter anderem daran liegen mag, dass er beim aktuellen Album mehr Zeit zum Einsingen zur Verfügung hatte. Wenn man bedenkt, dass er bei The Golden Bough die Vocals nach nur fünfstündiger Arbeit dran aufgenommen hat und man auf der Platte zum Teil First Takes hört, klingt er jetzt nachdem er mehrere Tage Zeit hatte meiner Meinung nach schon hörbar "besser", bzw. die Vocals ausgearbeiteter.
Vielleicht fehlt dir gerade dieses First-Take-Feeling?
Für mich hat Markus einen super Job abgeliefert. Und den Kreuzer nicht zu vergessen - diese Chöre :verehr::verehr: ein Träumchen!!

Ja, die Beobachtung kommt schon hin. Ich mag seinen Gesang gerade dann sehr, wenn er an seine Grenzen stößt bzw. eigene Limits überschreitet (Heresiarch, Sol Invictus). Das ist bei "Purple of the Moon" halt gerade bei den Höhen kaum der Fall bzw. erst ab Minute 6:30 und dann Minute 7:00. Das kann daran liegen, dass er mehr Zeit im Studio hatte, er hat halt auch schlicht mehr Praxis als früher.

Aber eigentlich glaube ich, dass es die Komposition ist: Die ist halt ziemlich straight. Es gibt von Minute 2:00 bis 2.20 und dannoch einmal ab 4:30 ruhige Parts, sonst ist es halt lange einfach treibendes Midtempo.
 
Ich mag seinen Gesang gerade dann sehr, wenn er an seine Grenzen stößt bzw. eigene Limits überschreitet (Heresiarch, Sol Invictus).

Bei ‘Heresiarch’ bluten mir die Ohren. Da ist mir die qualitative Diskrepanz zwischen Musik und Gesang zu hoch. Das ist auch der Grund, warum ich immer meine kleinen Schwierigkeiten mit AK hatte (und mir Markus bei Septagon bisher besser gefiel).
 
Entschuldigt, ich lenke mal auf ein etwas anderes Thema ab.


Denn: Ich finde das Interview mit Trummer zu großen Teilen affig.

Nun ist es ja nicht so, dass ich in einem Anflug von typischer Selbstüberschätzung diese Erkenntnis unbedingt mitteilen muss, aber einerseits hoffe ich, einen Denkanstoß bieten zu können, andererseits könnte eine Diskussion darüber etwas Licht in das Dunkel bringen (sofern denn eine entsteht – ich könnt’s verstehen, wenn es zu keiner käme).


Zu Atlantean Kodex habe ich gefunden, wie ich mir meine Musik nun mal aussuche: Oftmals einfach aufgrund des Covers. So auch bei The Golden Bough, da ich großer Böcklin-Fan bin. Kodex war dann auch die Musik, die ich gern gehört habe, weil ich die Texte so super finde. Schwelgerisch, einen europäischen Mythos suchend, intelligent und schön – liest man ja auch nicht so oft in der ach so tollen Heavy-Metal-Underground-Szene. Dann kauft man sich die Deaf Forever, um etwas über die Musik des neuen Albums zu lesen. Und dann das. Ich bin selbst kein Akademiker, weiß aber, dass Trummer einer ist und das schockiert mich gerade zu. Tendenziell finde ich es in Ordnung, wenn Musiker über Politik reden – warum nicht? Allerdings habe ich arge Schwierigkeiten, die Person, die die Texte für Kodex schreibt, mit der im Interview dargestellten Person bzw. deren Äußerung übereinander zu bringen.


Ich las aus Kodex-Texten immer – und das Trummer ja im Interview auch noch einmal herausgehoben – die Suche nach einem geheimen Europa heraus, einem, das unter der Kruste von Realpolitik immer gelebt und geatmet hat. Dazu kommt (auch das wird im Interview an anderer Stelle noch einmal bestätigt) die (in Anführungszeichen zu setzende) Ablehnung der Moderne und ihrer Symptome, etwa des Kapitalismus. Sehr, sehr gut.


Ist eine solche Einstellung nicht auch radikal nennen? Es ist ein Packen-an-der-Wurzel, die die Radikalität zur solchen macht. Warum scheut man sich dann, das abseits der Liedtexte und einiger Nebensätze in Interviews auch in Zeitschriften zu äußern? Ich möchte diesen Kommentar meinerseits um Himmels Willen nicht politisch gelesen sehen – mit links und rechts hat das freilich nichts zu tun. Ich kann mir aber nicht vorstellen (und tatsächlich zeigt das Interview mit Becker, dass dieser Gedankensprung in der Band vorhanden ist), dass Trummer kognitiv nicht in der Lage ist, zu verstehen, dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen Kapitalismus, Moderne und ihrer realexistierenden Institutionen gibt.


Soll heißen: Lehnt man etwa den Kapitalismus als Zustand ab, begreift ihn aber als in der westlichen Welt hegemonial (und beide Dinge sind für mich gewissermaßen Prämisse zum Zugang zu Kodex-Texten – oder bin ich auf dem Holzweg? Mir ist natürlich bewusst, dass der EU-Fimmel nach Twelve Stars… eigentlich nicht mehr wundern sollte…), dann kann man doch auch kaum eine (über-)staatliche Institution wie die EU davon loslösen und so tun, als wäre diese EU kein reines Wirtschaftskonstrukt (oder gar eine Möglichkeit für eine gesamteuropäische Integration). Als Gefühlseuropäer ist mir die EU ein besonders großer Dorn im Auge, gerade weil sie ihr Versprechen, Europa zu einen, dazu benutzt, um wirtschaftliche Interessen umzusetzen. Das ist nur ein kleines Beispiel, dass mir aufgefallen ist, es ließe sich beliebig ausweiten.


(Ganz nebenbei bemerkt lässt sich auch eine Analogie zu Unternehmen feststellen, die aus wirtschaftlichem Interesse eine Art Antikapitalismus simulieren, einfach weil das „Gefühl“ Antikapitalismus sich wohl recht gut verkaufen lässt. „Letzten Endes ist es immer das eine Ende der Nahrungskette, die versucht uns die Nahrungskette als Modeschmuck zu verkaufen.“, wie ein deutscher Rapper mal formuliert hat.)


Ich kann verstehen, dass in solch öffentlichkeitswirksamen Interviews ein Druck auf einem lastet, keinen Fehler zu machen; dass man nicht in eine Ecke gedrängt werden möchte; dass man sich rechtfertigen muss. Wenn man wie ich, die Moderne radikal ablehnt, bleibt einem gewissermaßen nur der Rückzug ins Apolitische, in ein Traumeuropa, wie man es gerne hätte, ein Europa der Mythen und Sagen. Es ist ein Europa, das realpolitisch nicht umgesetzt wurde und schwer umzusetzen wäre, aber das macht geradezu die Magie aus. Aber es zwingt mich in eine Antihaltung, die all jenen, die Europa für sich vereinnahmen wollen, kritisch gegenübersteht. Gerade dann, wenn es aus der Ecke kommt, die es eigentlich in der Hand hätten, etwa zu verändern: Also Parteien, Wirtschaftsbosse, EU. Die EU ist deswegen nicht mein Europa, weil sie „zu“ modern ist. Ohne mich jetzt an der eigenen „edgyness“ zu ergötzen, möchte ich diese Einstellung doch als recht radikal bezeichnen. 180 Grad gegen den Zeitgeist – egal von wo man den jetzt verortet.


Mit Provokation hat das nichts zu tun: Aber wäre es nicht besser gewesen, „radikale“ Forderungen an Europa auszusprechen? Warum diese Zuversicht, dass die Kreise, die mehr auf messbare Geldflüsse als auf europäisches Fühlen schielen, in der Lage wären, diese europäische Krise zu überwinden? Was wurde denn in der Vergangenheit dafür getan? Hängt diese aktuelle Krise (und die Tatsache, dass dem Themenkomplex eine so prominente Stelle im Interview eingeräumt wird, bestätigt, dass eine Krise vorliegen muss) nicht mit dem sinnentleerten realexistierenden Europa zusammen?


Letztendlich ist das, was mich an diesem Interview am meisten schockiert hat, die Gewissheit, dass wenigstens eines unaufrichtig ist: Entweder sind es die Kodex-Texte über ein geheimes Europa, weil man sich in Wirklichkeit einem sehr realen Europa anbiedert, oder es sind die Interview-Aussagen, die in diesem Fall nur getroffen wurden, um bloß nicht anzuecken. Aber wozu?


Uropia O Morte!
 
@Voljinslayer: Ohne mich mit AK auszukennen, wäre meine Vermutung ganz einfach: Weil dich dieses europäische Thema ganz offensichtlich sehr beschäftigt, hast du die Texte der Band deiner eigenen Überzeugung entsprechend interpretiert. Dass das Interview für dich enttäuschend war, heißt aber wahrscheinlich nicht, dass die Band sich nicht getraut hat, zu sagen, was sie meint. Ich glaube, dass man nur enttäuscht werden kann, wenn man davon ausgeht, dass die Texte einer Band genau die eigene Weltsicht spiegeln. Gerade, wenn diese so speziell ist. Man kann ja vieles aus Texten ziehen, das ist sicher auch im Sinne der Band, aber man sollte sie nicht als Sprachrohr der ganz eigenen, individuellen Überzeugung deklarieren, man könnte auch sagen: missbrauchen. ;-) Um den Satz mit der Vermutung zu Ende zu führen: Vielleicht hast du Band und Texte einfach ein bisschen falsch verstanden. Oder zu viel deiner eigenen Gedanken reingesteckt, um die Band und ihr Werk jetzt noch mit der nötigen Distanz zu sehen. Die Herren von AK werden die Antworten auf die Fragen aber auf jeden Fall nicht aus Versehen gegeben haben.
 
Zurück
Oben Unten