Daft Punk

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deleted_76

Guest
...brauchen schon einen eigenen Thread. Ich bin großer Fan aller Outputs und hab grad ein Review zum dritten Album "Human After All" geschrieben.

Ich war dieses Jahr auf dem Vainstream. Als ich fröhlich und voller Zustimmung bei den Antilopen mitwippte, bei ca. 50 Grad in der Clubstage (indoor!) bei Red Fang zufrieden vor mich hinschmolz und dauergrinsend und verbrennend den Architects-Gig verfolgte, stellte ich überrascht fest, dass mich Konzerte doch noch aufrichtig berühren können und es nicht die Regel sein muss, dass ich mich zwinge, nicht früher zu gehen. Ich bin also doch noch flashable.
Anderes Thema, gleicher Ort: Als ich mir Burton C. Bells schiefes Geseier und kraftloses Geblöke anhörte und dann am Merch-Stand auch noch ein Fear Factory-Cover mit Terminator 2-Motiv entdeckte, dachte ich zum x-ten Mal: wie hängengeblieben 80er kann man heutzutage eigentlich noch versuchen, das Verhältnis Mensch zu Maschine zu verhandeln?
Zusammengenommen: Die Überlegungen zu meiner mangelnden Begeisterungsfähigkeit in den letzten Jahren (ich suchte Musik wie ein Irrer, aber emotional berührt mich kaum etwas) + dieses Mensch-und-Maschine-Ding bringen mich jetzt dazu, endlich mal wieder was zu schreiben, und zwar über die Platte, die mich, unter den wenigen, die wirklich reingehauen haben, am meisten berührt hat. Die Rede ist von Daft Punks „Human After All“

Es gibt gar nicht mal so wenige Hörer*innen, die das Output als schwächstes betrachten. Es kooperiert sicher wie kein anderes DP-Album mit dem großen Feind der Popkultur: Rockmusik. Ferner ist die Scheibe deutlich düsterer als ihre Vorgängerin: die beats sind härter, die Songs straighter, die verhandelten Themen möglicherweise kritischer. Man zweifelte bereits daran, dass nach dieser destruktiven Überraschung überhaupt noch ein Album folgt. Betrachtet man „Human After All“ in Hinblick auf den von Daft Punks produzierten Film Electroma (https://www.youtube.com/watch?v=1WgIRXm19pY), in dem zwei Roboter versuchen, zu Menschen zu werden, ergibt sich jedoch auch eine mögliche Lesart, die gar nicht mal so negativ ist, sondern auf eine putzige Art rührend.

Demzufolge stellt der Titeltrack die Ausgangs- (oder, je nachdem: Suggestiv-)frage. Letzten Endes doch Mensch jetzt, oder nicht? Wenn ihr euch mal entspannen wollt, schaut euch das fangemachte Video an (sinnstiftend zusammengeschnitten aus dem Electroma-Film). Zwei Roboter, die Auto fahren, Herkunft unbekannt, Ziel erst recht – abgesehen vom Hinweis auf dem Nummernschild: „Human“. Vielleicht ist es auch nicht die Zielrichtung, sondern es wird vorgegeben, bereits menschlich zu sein – simuliert u.a. durch so banale menschliche Tätigkeiten wie das Auto fahren - obwohl man es offensichtlich (noch) nicht ist. Die Weitläufigkeit der Kameraführung erweckt den Eindruck, dass die Suche nach dem Menschsein zwar rastlos ist, tragischwerweise aber auch völlig verloren und ohne Anhaltspunkte. Zwei Roboter mit einer Idee von etwas Fremden auf dem Weg irgendwohin. Der eine zerstört sich schlussendlich selbst, der andere findet etwas in den Einzelteilen, während sich das „Human“-Sample immer stärker zu einem beständigen, anhaltenden Geräusch verdichtet. Keine Antwort, nur eine Spur.



Hier kann man übrigens schon mal auf die tollen Variationen hinweisen, die man auf der „Alive 2007“ findet (und weshalb die sich total lohnt): Beginnend wird mit dem Publikum kommuniziert, indem das „Human“-Sample im Wechsel mit dem „Robot“-Sample moduliert wird. Entsprechend stehen jeweils die Roboter oder die Menschen im Spotlight. Mit zunehmendem Metrum werden die Samples nach und nach zusammengemixt und überlagern sich synchron in einem Loop, der dann in dem Song „Robot Rock“ mündet. Wobei die Samples natürlich übereinander laufen und nicht eins werden: Mensch und Maschine können sich erneut nur annähern.

https://www.youtube.com/watch?v=ULGyHfEzjYY

[ab 01:14. Btw.: Das ist kein offizielles Material von der CD, die hat einen bombigen Sound. Leider gibt es kein Bild dazu, dieses Video besteht aber aus Amateuraufnahmen derselben Tour.]

„Prime Time Of Your Life“ bietet sich an, als reiner Partysong genommen zu werden:

Now, (and) live it (today), the prime time of your life
(do it)
Now, (and) live it (today), the prime time of your life
(come on and do it)
Now, (don't wait and) live it (today), the prime time of your life


Spontaneität und Gegenwärtigkeit, keine Berechnungen über Vergangenheit und Zukunft. Party machen ist bestenfalls bedingungsloses Aufgehen im jetzt – für eine künstliche Intelligenz, deren Grundfunktionen ohne Rechner außer Kraft gesetzt sind, leider unmöglich. Aber man kann's ja versuchen. Abgehackt zwar – ein Fuß, noch ein Fuß – Stocken – Arm hochreißen – versuchen, nicht zu berechnen – den anderen Arm hochreißen – Stocken – und immer wieder der Imperativ: Now! Do it! Live! Auf Befehl! Kalkuliere Intuition! Ach nee! Ach, scheisse! Irgendwann tauchen Dissonanzen auf, es wird hektischer – Flow ist was anderes, man muss wohl eher aufpassen, nicht zu überhitzen. Oder liegt gerade darin jetzt die menschliche Kunst? Zappelzappelzappel – aus.

https://www.youtube.com/watch?v=oZ3LgqQW64o

Nachdem das mit dem Feiern nicht so klappt, versucht man es als prolliger Rockstar mit einem Knallertrack und zweihalsiger Gitarre auf der Bühne, Größenwahn und Geltungsdrang sind schließlich auch sehr menschliche Eigenschaften. Man ist sogar so groß, dass man ein offizielles Video dazu dreht:

https://www.youtube.com/watch?v=r2tYJoocSgg

Es wird sich auch wirklich um authentische Dicke-Eier-Posen bemüht, aber es wirkt immer noch alles etwas unbeholfen, statisch, kalkuliert, mechanisch. Wenigstens das lässige Kopfwackeln des Drummers ist schon ganz authentisch. Auch wichtig: kein Publikum im Video, das traut man sich noch nicht zu – oder man hat noch nicht ganz geschnallt, wie Rockmusik funktioniert. Egal, läuft eh von selbst, weil hauptsache das knallt. Bei der Gitarre handelt es sich übrigens auch um die einzige klar erkennbare Abbildung im Booklet: Auf dem Cover sieht man einen Fernsehbildschirm mit dem DP-Logo, auf Seite 1 dasselbe Bild entfremdet und verzerrt, danach den Albumtitel in John Carpenter-Optik, einen leeren Bildschirm, einen Bildschirm mit den beiden Gitarren, wieder einen leeren Bildschirm und zuletzt ein Störbild mit dem Vermerk der Aufnahmezeit und „All Guitars By Daft Punk“. Rockmusik als Mittel zur Menschwerdung? Vielleicht fühlt sich ein Roboter von allen Instrumenten zum Spielen „handgemachter“ Musik der E-Gitarre noch am nächsten, immerhin wird sie elektrisch verstärkt.
Vielleicht stellt die Erkundung der Rockmusik aber auch einen Versuch da, die eigene Herkunft freizulegen: handgemachte Musik wurde durch elektronische Hilfsmittel zum mensch-maschinellen Hybriden, ein paar Dekaden später leisten DP einen großen Beitrag zur Etablierung komplett elektronischer Musik (weshalb später auch „Random Access Memories“ einen bemerkenswert konsequenten Schritt in diverse Richtungen darstellt, weil erstmals sehr viel direkt eingespielt und eingesungen wurde). Mit „Steam Machine“ wird noch weiter nach hinten geschaut: Ich dachte im ersten Moment an den Trockeneisnebel auf der Tanzfläche, weil ich gar nicht darauf kam, den Titel einfach 1:1 zu übersetzen. Der beat schleppt sich beharrlich in gebremstem Industrial-Tempo vorwärts, das geflüsterte, gestreckte Gesangssample klingt selbst nach Dampf. Daft Punk unternehmen eine Zeitreise zum Ausgangspunkt der Moderne und damit ihrer eigenen Steinzeit.

https://www.youtube.com/watch?v=NkEYnXd5VkY

Kontrasprogramm: Nach gewohntem, heimeligen Terrain begibt man sich mit „Make Love“ in die große Herausforderung. Es mag abgedroschen und kitschig werden, aber die Frage, inwiefern künstliche Intelligenz zum Lieben in der Lage sein könnte, wird schon seit Dekaden in verschiedenen Formen durchgespielt (ein relativ aktuelles Filmbeispiel wäre "Her" mit Joaquin Phoenix). Der Titel lässt auch die Deutungsmöglichkeit des Versuchs, Liebe zu „machen“ im Sinne eines Produktionsprozesses zu. Also eben nicht Sex, sondern das Gefühl der Liebe – naheliegenderweise als Zusammensetzung verschiedener elektrischer Impulse – selbst zu künstlich herzustellen. Die musikalische Umsetzung dieses Themas ist rein instrumental, dezent, funky, fluffig, leicht melancholisch. Für sich betrachtet einer der unscheinbareren Tracks des Albums, aber für DP-Verhältnisse ging es bisher erstaunlich wenig funky zu, weshalb man trotzdem aufhorcht.

https://www.youtube.com/watch?v=UeZG0viNAjM

Repetitiver Uptempoeat, aggressive Samples, rockiger Vibe, eine verzerrte Stimme stellt sich als „The Brainwasher“ vor, bevor sich in „On/Off“ 19 Sekunden durch verschiedene Fernsehkanäle gezappt wird. In gemäßigterem Tempo setzt der Beat ein, bevor uns mitgeteilt wird: „Television Rules The Nation“. Der Song klingt ein wenig wie eine gebremstere, vom Enthusiasmus befreite Variante von „Robot Rock“: die negativen Seiten medialer Kommunikation werden erkannt, Lethargie und Resignation sind die Folge. Sogar für einen Roboter klingt die Stimme träge, die Melodie ein lässt wenig Traurigkeit vermuten. Künstliche Intelligenz mit einem kritischen Sinn für die dunkle Seite der Moderne.

https://www.youtube.com/watch?v=DeWLi9TROtE
https://www.youtube.com/watch?v=PS_b6TthSGQ

Nachdem sich soviel Mühe gegeben wurde, die Menschen zu verstehen, muss aber auch mal was von der anderen Seite kommen. Zugehört Leute, jetzt lernt ihr was über Arbeitsprozesse:

Buy it, use it, break it, fix it, trash it, change it, mail, upgrade it
Charge it, point it, zoom it, press it, snap it, work it, quick erase it
Write it, cut it, paste it, save it, load it, check it, quick rewrite it
Plug it, play it, burn it, rip it, drag it, drop it, zip - unzip it
Lock it, fill it, call it, find it, view it, code it, jam, unlock it
Surf it, scroll it, pause it, click it, cross it, crack it, switch, update it
Name it, read it, tune it, print it, scan it, send it, fax, rename it
Touch it, bring it, pay it, watch it, turn it, leave it, stop, format it


Möglicherweise ist das die Art, wie Daft Punk Songs machen. Ebenso können es auch – etwas allgemeiner – die Optionen sein, die eine Maschine hat, um mit Material umzugehen. Und ganz sicher muss man sich dann die Frage stellen, wie weit der Mensch sich in dieser prozesshaften Handlungsweise von der Maschine unterscheidet. Wer hat sich eigentlich wen untertan gemacht? Wie lange ist die Idee, dass die Maschine dem Menschen dienen soll und nicht umgekehrt, eigentlich schon obsolet? Natürlich eine rhetorische Frage, die auch deskriptiv und nicht normativ gestellt wird, indem eben nur die Arbeitsschritte dargelegt werden, in denen sich zeigt: in dem – für unsere Gesellschaft immerhin konstitutiven – Bereich Arbeit sind robot und human sich recht ähnlich. Und letztendlich ist ja auch der menschliche Bedarf nach effizienten Arbeitsprozessen ein wesentlicher Antrieb für technologischen Fortschritt.

Wobei man dazusagen muss, dass das gruselige Video einen deutlich stärkeren Fokus auf den Befehlston setzt: Ein Roboter gibt über das Fernsehen Anweisungen an die Zuschauer durch, die selbst ebenfalls Roboter sind.

https://www.youtube.com/watch?v=YtdWHFwmd2o

Aus dieser kühlen Atmosphäre der Albummitte heraus kommt es wieder zu einem Kontrast. „Emotion“ nimmt das Tempo und die Hektik heraus und gibt sich sphärisch, ausgeladen und verträumt. Zu smoothen Waberbässen und Synthies wiederholt sich in melancholischem Klang des Titelwortes. Hat's jetzt geklappt? Haben die Roboter einen Weg gefunden, Emotionen zu entwickeln und ihre Maschinenhaftigkeit darüber zu verlieren, um endlich Mensch zu werden, oder wird (an)erkannt, dass Gefühle doch mehr sind als imitierbare, elektrische Impulse? Je nachdem, wie stark man den Film in die Deutung einschließt, ist die Antwort möglicherweise eine andere. Mit dem zutiefst emotionalen, lebendigen und menschlichen Nachfolgealbum „Random Access Memories“ hingegen gibt es wohl nur eine Möglichkeit, nämlich dass – Gott sei Dank – brav der Finger weggelassen wurde vom Selbstzerstörungsknopf.

https://www.youtube.com/watch?v=8uam7HVNvrk
 
Darkside haben sich unter dem Namen Daftside das letzte DP-Album vorgenommen:

 
Ich warte echt drauf, dass jemand mal nen Bruno Mars-Thread aufmacht. :hmmja:

Klar, aber solange die Remixes so einen eigenen Charakter haben, finde ich das schon sinnvoll. Bei deiner Liste muss ich wiedersprechen, bei mir kommt "Human After All" vor "Discovery". Ist halt Geschmackssache.
 
@1984
Hatte den Beitrag von dir damals nicht gesehen, sehr schön umschrieben. Musikalisch mal wieder eher was Erfrischendes im Forum.

Muss zugeben, dass mir die Musik der Jungs durchaus gefällt und gerne in einer meiner Playlisten bei Spotify landet, aber ein Album würde ich mir von denen nicht in den Schrank stellen. Definitiv mit das Beste, was in den letzten 20 Jahren veröffentlicht worden ist und auch im Radio laufen darf.
 
Toller Text, hatte ich damals gar nicht gesehen, den Thread.

Mit den älteren Sachen kann ich bis heute nichts anfangen, aber ich war eine der Arschkrampen, welche Schuld dran waren, daß "Random Access Memories" im RHF-Poll so weit oben gelandet ist. :D

Hätte bis dato niemals gedacht, daß ich in meinem Leben jemals freiwillig D.P. hören würde, geschweige denn einen Tonträger von ihnen besitzen. Aber die Lobeshymnen im RHF u.a. von Dir haben mich damals dann doch neugierig gemacht, so daß ich mich dann doch mal drangetraut habe. Und was soll ich sagen, das wurde dann mein Sommeralbum 2013! :) Wie es damals jemand treffend schrub, das Ding ist einfach eine einzige Liebeserklärung an tolle Musik.

Ich glaub, ich nehm mir gleich nach Feierabend an der Tanke ein Bier mit und mache meinen Nachbarn noch eine kleine Freude. :)
 
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