BANG YOUR HEAD 2018 12.-14.07.2018 in 72336 Balingen

Mit reichlich Verspätung hier noch mein musikalisches Review - der Vollständigkeit halber. ;)

Mein 10. Bang your Head war wieder eine Freude, der Donnerstag war nicht das Wahre, aber Freitag und Samstag haben das locker entschädigt. Im Detail:

Warm-Up Show: hab ich mir geschenkt. Auch erst im Nachhinein gesehen, dass der Sänger der Motörhead Coverband "Bömbers" Abbath ist. Das wäre eigentlich fast schon wieder ein Grund gewesen, hinzugehen. Zumal das richtig gut gewesen sein soll. Wiedemauchsei, wir haben die Stellung auf Zeltplatz gehalten, grilliert und ordentlich vorgeglüht. Der eine Kollege hat zwar noch Laufstörungen und Lebensmittelhusten bekommen nachdem wir innert 2 Stunden etwas mehr als eine Flasche Whiskey runtergespült haben, aber insgesamt war's dennoch mehr als spassig im Partyzelt auf dem Camping. Irgendwann in den frühen Morgenstunden ins Zelt gekrochen...
Der Freitag ging dann gut los, wir waren aber deutlich gezeichnet von der durchzechten Nacht. Mitcamper gebührend in Empfang genommen und ab vor die Bühne:

Black Diamonds: leider noch verpasst. Deswegen Standpauke vom Kollegen erhalten. Sollen sehr gut gewesen sein.
Burning Witches: letzte 20 Minuten gehört. Coole Stimme, das tönte über weite Strecken sehr gut, auch was die Gitarrenarbeit anging. Leider nicht viel davon gesehen, weil Bons und Verpflegung beschafft werden mussten.
Eclipse: Meine Meinung zu der Band ändert sich wohl nicht mehr. Trotzdem tolle Partyband fürs übrige Publikum. Hätten aber locker 2-4 Positionen höher spielen dürfen.
Reckless Love: Unerhofftes erstes Highlight. Bühnenpräsenz mehr als vorhanden und die untervertretene Hard Rock Fraktion hatte was abzufeiern. Insgesamt positiv, aber das Songmaterial ist nicht durchgehend gleich stark. Beginn und Schluss waren stark. In der Mitte war mir das zu Kissin' Dynamite-ig mit den extrem poppigen Melodien. Mich erinnerte die Band stärker an Def Leppard als (wie andere) an Mötley Crüe.
Alestorm: Wollte ich mir nicht antun. Das Bühnenbild hat mich aber überzeugt. Was für ein Quark. Die Erinnerung an mein 2. BYH und den spassigen Partygig am damaligen Vormittag kam aber hoch und auch dieses mal wurde der Gig zur unerwartet kurzweiligen Party. Tanzende Berner Campingkollegen-Schar inklusive. An einem sonnigen Festivaltag nicht verkehrt.
Exodus: Das pure Gegenteil. Machte Spass, war aber weder lustig, noch locker, noch ironisch. Thrashgitarren par excellence. Zu Beginn aber grottiger Sound ohne Bass und jeglichen Druck, weswegen ich mich dann zum Shoppen begab. Der Toxic Waltz tönte aus der Ferne aber sensationell.
Amorphis: Akademiker-Metal. Das mag melodisch und gut sein, stelle ich überhaupt nicht in Frage. Aber mir ist das alles zu ruhig, klinisch und idyllisch. Bei aller musikalischen Klasse ist mir das auch dieses mal viel zu langweilig, wenn ich da bei 25°+ auf die Bühne sehe und langsam von unten die Eier durch die vom Asphalt abgestrahlte Hitze gekocht bekomme. Vielleicht sind Amorphis auch einfach zu anspruchsvoll für mich. Die anderen waren jedenfalls schwer begeistert ("diese Melodien").
Doro: Langsam verschwand die Sonne und ich wollte mir primär nicht die heisse Halle und Refuge antun, weshalb ich vor der Bühne blieb. Dass mir Doro dieses Mal so gut gefallen würde, hätte ich nicht für möglich gehalten. Die alte Blondine war energietechnisch das Gegenteil von Amorphis und vom ersten Ton voll da. Klar, die Ansagen sind zum Fremdschämen. Aber irgendwo kaufe ich ihr das, was sie sagt, auch ab. Sonst wäre die nach all den Jahren nicht mehr dermassen motiviert. Jedenfalls erteilt die Truppe eine Lehrstunde in Sachen Heavy Metal und sogar die Balladen funktionieren. Das ich das mal schreiben muss: Doro war mein Tageshighlight am Donnerstag.
Europe: Die können mit dem Backkatalog zwar nicht viel falsch machen, aber heute ziehen sie trotzdem deutlich den Kürzeren gegen Doro. Das liegt nicht an den Songs (die Setlist gefiel mir viel besser als beim letzten BYH Auftritt, aber da fehlte noch einige…), sondern an der offensichtlichen Routine. Joey Tempest ist eigentlich ein Charmeur und hat das Charisma, um das Publikum in seinen Bann zu ziehen. Aber das war ja gar nichts. Er klapperte seine Wege ab und war zwar bei seinen Mitmusikern und sah die an, aber es gab kaum einen Blick ins Publikum. Das Ganze bekam für mich den Charakter eines Routineauftritts. Nicht falsch verstehen: musikalisch war der Gig spitze und die Vocals auf den Punkt. John Norums Gitarrenarbeit der Wahnsinn. Aber die Verbindung zwischen Publikum und Band kam für mich zu wenig zustande. Und ich weiss, dass die Band das schon besser konnte.

Die übliche Truppe verzog sich nach Europe noch zu Insomnium in die Halle, während ich mit dem gut angeheiterten Zeltnachbarn den Weg zum Zeltplatz antrat. Weltklasse, wie man im einen Moment den vollgestopften Bus zum Singen animieren und keine halbe Minute später im Stehen einschlafen kann. (Könnte auch am Freitag gewesen sein…) Ein paar Absackerchen beim Zelt und dann geschätzt um 03.00 ab in die Heia, der härteste Tag der BYH Geschichte (?) stand an.

Freitag:
Alpha Tiger: Verpasst. Das Frühstück mit allerhand Fleisch vom Grill uferte etwas aus :D.
Striker: Zum Glück von Anfang an gesehen. Absolut grossartig. Die Kanadier haben schön abwechslungsreichen Heavy/Power/Thrash Metal abgeliefert und sollten mein Tageshighlight werden. Jetzt heisst es CDs kaufen. Schade, dass das gelb-schwarze Baseballshirt schon ausverkauft war. Backkatalog erarbeiten.
Monument: Im gleichen Akkord weiter! Haben sie den Running Wild Coversong gespielt? Wenn ja, so hab' ich's nicht gemerkt. Bruce Dickinson und Co. waren natürlich an jeder Ecke präsent, allen voran Vocals und Gestik des Sängers. Geile Songs, sehr kurzweiliger Auftritt. Hätte gerne noch etwas länger dauern dürfen. Backkatalog erarbeiten. Geht ja schnell.
Night Demon: Die Dämonen habe ich nun doch schon einige Male gesehen, weswegen sich langsam eine gewisse Sättigung bemerkbar macht. Insgesamt war das für mich wohl der bisher durchschnittlichste Gig der Kalifornier, auch das "In Trance" Cover der Scorpions half nicht. Im Gegenteil, der Song nahm irgendwie den Schwung aus der Setlist.
Jag Panzer: Joa, ich bin dann nach den ersten Songs mal gemütlich auf dem Platz rummarschiert und habe nach Merchandise (anderer Bands) gesucht. An "Warfare" und "Generally Hostile" erinnere ich mich noch gut, tönte auch wie ab Platte. Aber Jag Panzer sind bei mir so eine Tageslaune-Band.
Coreleoni: Ich hatte mich im Vorfeld am meisten auf dieses Konzert gefreut. Völlig zurecht. Party pur zu grossartigen Songs. Solchen Hard Rock (à la Great White, Thunder, Krokus, etc.) braucht das BYH genau so sehr wie die Heavy und Thrash Kapellen. Das sah man auch an dem Publikumsaufmarsch zu dem Gig. Romeros Stimme war richtig gut und Leonie's Ansagen insgesamt ok. Hoffentlich schaff' ich es noch einmal zu einem kompletten Konzert der Band. Schweizer-Bonus hat die Band übrigens keinen gehabt bei mir. ;)
Abbath: Stilistisch etwas anders. Der Gig hatte zwar nicht ganz den Spasslevel von Immortal (BYH 2011), aber ich fand ihn insgesamt doch noch ganz passabel. "Fucking Sun" ist der einzige witzige Kommentar von Abbath, den ich noch im Kopf habe. Der Gute scheint aber seinen Spass gehabt zu haben und war voll da. Grinsebacken und Krabbengang inklusive.
Overkill: Der Overblitz ist in Balingen eingeschlagen. Ansagen als auch Songs wurden nur so ins Publikum gekreischt und der Gig machte ordentlich Laune. Da war Druck dahinter, weswegen der Gig härtetechnisch mit Exodus und Abbath den Boden kehrte. Davon, dass es Blitz gesundheitlich nicht sehr gut gegangen sein soll, merkten wir etwas vor dem Mischpult überhaupt nichts. Einziger Wermutstropfen: die Band war unerträglich laut (der Sound war ab Overkill unerklärlicherweise bis Powerwolf anderntags insgesamt um einiges lauter als zuvor).
Accept: Doch schon einige Male gesehen, weswegen ich den Gig mal am Standardplatz, mal hinten sitzend mitverfolgt habe. Richtig coole Setlist, die Band kann nicht schlecht. Aber die Sättigung nahm den Gig dann das Zwingende. Insgesamt war es bei Accept aber wesentlich weniger voll als noch vor ein paar Jahren, als der Platz wirklich gefüllt war.
Annihilator: Zwischendurch wechselte ich mal in die Halle, wo Annihilator sich anschickten, das Dach hoch zu jagen. Prompt zum Anfang von "Set the World on Fire" und das anschliessende "W.T.Y.D." war ich dann auch vor der Bühne. Im Prinzip möchte ich nicht schon wieder rummotzen. Aber es ist, was es ist. Eine kastrierte Band ohne Sänger und ohne Flitzebogengitarrist. Hol dir einen Sänger, Jeff. Das wird in diesem Leben nichts mehr mit Singen. Man kann doch nicht einfach die mitunter wahnwitzigsten Vocals der Metalgeschichte in seinen Alben haben und dann live auf die hohen Screams verzichten und die tiefen Töne da so larifari nebenbei ins Mikro sprechen. Für mich bleibt das Thema Annihilator bis auf weiteres uninteressant. Weckt mich, wenn er wieder einen Sänger an Bord hat.

Selbstredend ging es daraufhin zurück zum Campground, wo mit reger Beteiligung noch der ein oder andere Absacker verschwunden wurde.

Samstag:
Evertale: Verpasst. Vormittags-Metal mit Kitschallüren hätte mein Magen wohl auch nicht vertragen.
Cloven Hoof: Bloss noch die letzten Töne gehört, war aber ganz ok. Müsste mal in deren Backkatalog hören, stilistisch müsste das ja voll meine Schiene sein. Tipps, anyone?
Tygers of Pan Tang: Geil wie eh und je. Schande über mein Haupt, dass ich sie schon wieder ein paar Jahre nicht mehr gesehen habe, aber die Songs sind eh zeitlos gut. Ähnlich wie bei Europe halt. Bloss war hier die Motivation eine ganz andere! Originalgitarrist und Charmebolzen Robb Weir und der Sänger Jacopo Meille (danke, Wikipedia) zeigten, wie man einen Festivalauftritt auch zu früher Stunde zum Highlight werden lässt. Dazu braucht es nicht den besten Sänger, sondern den Spirit und die Freude, die man auch als Zuschauer mitbringt. Wie gesagt: tolle Songs, super Stimmung: ein weiteres Highlight des dreitägigen Events.
Girlschool: Die Mädels sind schon ok, aber musikalisch halt schon ziemlich simpel gestrickt. Rock'n'Roll muss nicht kompliziert sein, aber das 3-Akkord-Geschwurbel der Britinnen repetierte sich recht bald. Nach der Hälfte des Gigs machte ich mich dann wieder mal ans Geld ausgeben.
Primordial: Zum zweiten Mal gesehen. Immer noch so pathetisch wie damals. Gefiel mir diesmal aber deutlich besser als 2009. Einzig das Black Metal Instrumentgeschwurbel war (wie fast immer) nichts für mich. Aber Gestik und Emotion in der Stimme sprach schon von einiger Leidenschaft. Die Band lebt von ihrem Sänger. Konnte ich diesmal viel besser hinnehmen. Ein Konzert würde ich aber dennoch nicht besuchen.
Loudness: Leider war der Sound auf unserer Seite nicht so klar und gitarrendominiert, wie das bei einem Ausnahmekönner wie Akira Takasaki nötig wäre. So war der Gig zwar gut, aber nicht der erhoffte Hammer. Gesanglich war auch nicht alles das Gelbe vom Ei. Unterm Strick sind die Japaner etwas hinter meinen Erwartungen geblieben. Vielleicht wird es nächstes Mal wieder besser. So wie bei ihrem letzten Auftritt in Balingen, als sie das Festivalhighlight waren.
Mystic Prophecy: Die letzten 10 oder 20 Minuten gesehen und die Halle hat gekocht. Sehr mitreissend. Eigentlich schade, dass sie in der Halle verheizt wurden. Das war eindrücklich.
Pretty Maids: Future World im Gepäck. Was soll man dazu noch sagen? Vielleicht, dass die Maids ihre Setlist vielleicht immer um ein paar weitere FW Songs erweitern sollten? Dass "Love Games" und "Rodeo" eigentlich die Lowlights der Platte sind und deshalb auch mal rausfliegen dürften? Needles in the Dark und Yellow Rain waren jedenfalls absolute Nackenbrecher, vom Titletrack ganz zu schweigen. Die Maids hätten mit dieser Setlist auch den Headlinerslot prächtig besetzt, aber ich will mich nicht beklagen. Richtig, richtig gut.
Powerwolf: Anfang und Ende gesehen. Eindrückliches Bühnenbild, das sah schon rattenscharf aus. Musikalisch nicht ganz meine Baustelle, aber eindeutig der würdige Headliner. Attila macht seinen Job perfekt, die Band ist eingespielt wie ein Schweizer Uhrwerk und die Songs bieten sich zum Mitgröhlen an. Wer Dream Theater Qualität im Headlinerslot des BYH erwartet, hat das Business nicht verstanden. Von dem her bin ich (im Nachhinein, ich habe ja auch schon genörgelt) sehr zufrieden mit dem Samstagsheadliner, von dem ich vielleicht knapp die Hälfte gesehen habe.
Visigoth: Zwischendurch ging's in die relativ dürftig gefüllte Halle, wo Jake & Co. den Heavy Metal zelebrierten. Weitere Infos entnehme man bitte den übrigen Reviews, die begeistert genug formulieren, was geboten wurde. Ich bin immer noch kein ausgemachter Fan der Band, dafür ist mir der Gesang einfach zu klar. Aber vor der Leistung kann man echt nur seinen Hut ziehen. Als zukünftigen Headliner (wenn man Horst Glauben schenken darf) würde ich mir das wieder ansehen. Jake's dahingekrächzte Sprechsstimme war allerdings auch in Balingen gruslig.
Crashdiet: Als Absacker noch die letzten 20 Minuten Crashdiet in der Halle angesehen. Die haben ihren Job auch mehr als passabel verrichtet und waren nochmal eine Spur weniger nah an den 80er Originalen (Skid Row) dran als Reckless Love am Donnerstag. Sie schafften es, dem Glam einen zeitgemässen Touch zu verleihen und das Publikum schien auch einige Songs gut zu kennen.

Dann zurück aufs Camp, wo wir im Kreise unserer Truppe nochmal auf Sau(f)tour über den Platz gingen und schliesslich im Partyzelt den Tag zur Nacht machten. Oder so. Gute und weniger gute Songs (die 0815 Metalsetlist schlechthin) wurden nochmal gefeiert und irgendwann ging man dann zurück in die Zelte, wo man (ich) anderntags noch mit deutlich bemerkbarem Restalkohol im Blut aufstand, zusammenpackte und schliesslich die Heimreise von einem sehr gelungenen und wie immer äusserst amüsanten BYH voller kindischer Witze antrat. See you next year vermutlich, cheers!


Kurzer Nachtrag zu Horst's Statement muss noch sein: ENDLICH hat er mal klaren Tisch gemacht. Bestes Statement, das ich von ihm bisher gehört habe. Ich bin ja auch einer der angesprochenen Nörgler. Aber dank dem Statement kann jetzt jeder Fan das Booking einigermassen nachvollziehen und abgesehen von den 20 Euro extra stelle ich dahinter auch keine Fragezeichen. Bin gespannt, wohin die Reise mit dem BYH geht. Aber die Probleme wurden scheinbar erkannt und jetzt kann sich jeder drauf einstellen oder halt dem Festival fernbleiben. Simple as that.
 
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