Für alle Lesewilligen:
Shalom, Ola! Euer Demo wurde in einer sehr geringen Auflage veröffentlicht, genauer gesagt gibt es nur 78 Kopien davon. Warum gerade eine solch geringe Stückzahl und noch dazu solch eine krumme Zahl? Höchstwahrscheinlich werden wir zwar in nicht allzu ferner Zeit die beiden Lieder nochmals auf CD und auf Vinyl wiederfinden, aber weshalb habt ihr mit nur 78 Exemplaren begonnen? Oder besser gesagt 98, weil du ja noch 20 weitere Kopien nachträglich angefertigt hast, die aber von der Gesamtgestaltung her nicht so aufwendig sind.
Grüß dich Philipp, der Grund ist recht schnell erklärt: Ich konnte nur so viele herstellen. Ursprünglich waren 100 Stück geplant und ich habe auch dementsprechend viel Material bestellt, aber während des Herstellungsprozess haben sich meinerseits einige Fehler eingeschlichen. Das Resultat entsprach nicht mehr dem von mir selbst gesetzten Standard und wurde deshalb vernichtet. Da es eine Mindestmenge gab, musste ich 100 CD-Rs bestellen, weshalb ich am Ende nur noch 22 Kopien für diese weniger umfangreiche Version zur Verfügung hatte. Diese Fassung wird nun Ende Juli 2016 erscheinen. Und wie du richtig vermutet hast, „Den Förste“ wird über Ván Records im Herbst als 12“LP, CD und vielleicht auch als MC noch einmal veröffentlicht.
Und weshalb habt ihr euch dazu entschieden diese zwei Lieder abermals in allen nur denkbaren Formaten zu veröffentlichen? Die Motivation seitens des Labels ist klar, die Nachfrage muss ja gedeckt werden, aber ihr als Musiker müsst niemandem Rechenschaft ablegen. Warum habt ihr also das Demo – da es ja grundsätzlich nur ein Demo ist – nicht auf einem Magnetband belassen bzw. in diesem Fall auf CD?
Wir möchten von so vielen wie nur irgend möglich gehört werden und überhaupt glaube ich, dass es großartig ist, wenn „Den Förste“ in allen verfügbaren Formaten erhältlich sein wird. Es sei auch gesagt, dass ich es bevorzugt hätte, wenn diese Wiederveröffentlichung dem Original in nichts nachstehen würde - handgemacht und in großer Stückzahl, aber das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Die zweitbeste Lösung des Problems ist es also Ván die Arbeit zu übertragen, damit sie ihren Zauber vollführen. Ich werde sie das machen lassen, was sie am besten können: Gut aussehende Produkte in hoher Qualität für das richtige Publikum veröffentlichen. Und ja, es ist ein Demo, aber warum deshalb ein gutes Angebot ausschlagen?
Ich denke, in Zeiten des Überflusses, ist es gut, sich selber Grenzen zu stecken, um damit Dingen mehr Bedeutung zu geben.
Unser Ziel ist es, Kunst zu erschaffen, die nicht an Wert verliert, nur weil man sie vielen zugängig macht. Ob wir erfolgreich waren oder nicht, weiß ich nicht, darüber wird uns die Zeit aufklären.
Okay, ein anderes Thema: Du hast dich für eine eigenhändig produzierte, und damit auch sehr arbeitsintensive, Verpackung von „Den Förste“ entschieden. Der Schritt an sich ist vollkommen nachvollziehbar, da die Haptik, der Geruch und die Gestaltung das bisherige Bild zur Musik positiv ergänzen. Leider kommen aber nur 78 Leute in den Genuss, das Demo auf diese Weise in seiner Gesamtheit zu erfahren. Könntest du bitte den Entstehungsprozess beschreiben?
Falls ich unbegrenzt Zeit und vor allem finanzielle Mittel gehabt hätte, wären es sicherlich mindestens doppelt so viele geworden. Ich denke, dass die Präsentation durch ein handgemachtes Booklet, das sich auf seine ganz eigene Art anders anfühlt, anders aussieht und anders riecht, die einzig angemessene Präsentation für Dautha darstellt. Zu gerne würde ich jedem, der Interesse an Dautha zeigt, die Möglichkeit bieten, die Band als Ganzes zu erfahren, aber wie ich bereits gesagt habe, ist das leider nicht möglich. Ich möchte ganz klar betonen, das ich elitäres Denken und limitierte Auflagen aus reinen Marketinggründen NICHT unterstütze. Das ist meine Art gegen die moderne Welt zu agieren. Ich bin bereits zweimal durch diesen kompletten Prozess gegangen, zum einen mit meiner ersten Band The Doomsday Cult und zum anderen mit Griftegård. Für TDC machte ich damals 93 Kopien, für Griftegård 81. Von Anfang an wusste ich also sehr genau worauf ich mich einlassen würde und zögerte deswegen auch. Irgendwann fühlte ich aber, dass es der einzig mögliche Weg sei, Dautha so zu präsentieren, wie sie es verdient hat, und ich begab mich, ich nenne es zumindest so, in „die Zone“. Wenn das Ziel, das Eintreten in diese Zone ist, dann müssen alle anderen Dinge beiseite stehen. Ich glaube, der mentale Prozess dahinter ist der gleiche, wie bei einem Athleten, einem Maler oder Handwerker oder Musiker. Es ist ein Segen, aber zugleich die Hölle. Der ganze Herstellungsvorgang dauerte von Anfang bis Ende 10 Wochen, in denen ich meine Freizeit komplett aufgab und nichts anderes machte, als diese Booklets. Zunächst fertigte ich die Grafiken in Photoshop an und alleine das dauerte schon einen ganzen Monat. Danach begann erst die eigentlich Handarbeit. Ich begab mich zunächst auf eine Einkaufstour um das nötige Material zu besorgen, als da wären Karton, Leder, Papier, Klebstoff etc. Als erstes musste der Karton zugeschnitten werden, wobei mir glücklicherweise ein Freund unter die Arme griff. Er übernahm dann auch den Druck für das Artwork. Währenddessen begann ich mit dem patinieren des Kartons, der sich in mehreren Schritten vollzog, da die einzelnen Schichten erst richtig austrocknen mussten. Dann klebte ich den Karton zusammen mit einem Einsatz auf die Lederstreifen, die danach geprägt wurden – eine schweißtreibende und vor allem zeitaufwendige Prozedur. Dann musste nur noch das Artwork im Booklet eingesetzt werden, was wiederum aber auch mit viel Schneidearbeit, falten und natürlich auch kleben zu Buche schlug... Ich habe jetzt viele Zwischenschritte ausgelassen, weil es einfach zu viele sind, wirklich. Innerhalb dieser 10 Wochen war ich vermutlich noch weniger umgänglich wie normalerweise – Ich habe Mitleid mit meiner Partnerin...
Und jede Sekunde war es wert davon, vielen Dank für deine Bemühungen! Ich verstehe deine Intention und ziehe deine Ausführungen zum Thema „elitärem Denken“ nicht in Zweifel, aber paradoxerweise unterstützt du ja dennoch die gedankenlosen Sammler damit. Es ist ein zweischneidiges Schwert, das du führt.
Vielen Dank. Tatsächlich ist das ein delikates Problem, das leider nicht vermieden werden kann, schätze ich, außer jemand zahlt mir ein dreimonatiges Gehalt, so dass ich in Ruhe eine entsprechend große Stückzahl anfertigen kann. Ich würde es tatsächlich sehr begrüßen, wenn ich dieses Handwerk dazu nutzen könnte, meine Rechnungen zu zahlen. Solang ich natürlich auch mitentscheiden kann, für welche Bands ich arbeite. Ein Traum von mir, den ich schon lange hege, wäre es beispielsweise die Wiederveröffentlichungen von „The Moon Lay Hidden Beneath A Cloud“ mit einer besonderen Verpackung zu veredeln. Vorausgesetzt, Alzbeth entscheidet sich jemals für eine Wiederveröffentlichung. Ich hab bereits probiert mit ihr Kontakt aufzunehmen, aber sie scheint komplett vom Erdboden verschwunden zu sein. TMLHBAC gehört zu meinen persönlichen Top-5-Künstlern aller Zeiten. Sie ist total einzigartig.
Bietet denn auch Dautha dem Hörer etwas Einzigartiges?
Unsere Rezeptur ist beim besten Willen nicht einzigartig, da müssen wir niemanden etwas vorspielen. Wir sind eine Doom-Metal-Band, die ihre Inspiration aus dem Mittelalter zieht. Dennoch streben wir danach, im Laufe der Zeit eine einzigartige Atmosphäre zu erschaffen.
Und wie würdest du die Atmosphäre beschreiben wollen? Versuch bitte dabei nicht das Wort „einzigartig“ zu verwenden.
Wir wollen, dass Dautha klingt wie ein mittelalterliches Moorleichen-Quintett, das seine unerwartete Wiederauferstehung mit Doom Metal verschwendet.
Wenn ich mir ein Foto der „A Language for Sad Spirits“-Demo deiner früheren Band „The Doomsday Cult“ anschaue, fallen mir da einige Gemeinsamkeiten auf. Es scheint beinahe so, als wäre Dautha die natürliche Entwicklung dieser Bandidee gewesen. Und wie ich gerade in der dritten Ausgabe vom Elysium-Zine gelesen habe, seid ihr damals sogar mit TDC in mittelalterlicher Kleidung auf die Bühne gegangen.
Ich kann nachvollziehen, weshalb du in Dautha die Weiterentwicklung bzw. Fortführung von TDC siehst, weil wir uns im gleichen Fahrtwasser bewegen. Aber dennoch soll man nicht den Fehler machen und Dautha als TDC 2.0 sehen, sondern viel mehr als eigenständige Band. Ich bin das einzige Bandmitglied, das damals bei TDC war und Dautha wird was seine musikalischen Ansprüche anbelangt, progressiver sein (auch wenn das Demo es noch nicht vermuten lässt), wohingegen TDC sehr orthodoxer Doom Metal spielten. Die gemeinsame Schnittstelle beider Bands ist, das wir unsere Inspiration aus dem Mittelalter bezogen bzw. beziehen.
Das liegt wohl daran, das ich versuche in einer Art Blase, einem Paralleluniversum zu existieren, das mich dauerhaft mit Inspiration versorgt und meinen Geist ständig mit Kreativität befeuert. Und dieses Ding, dieser Funken ist die Vergangenheit und da vorzugsweise das Mittelalter. Verdammt, ich kann nicht nachvollziehen, warum Menschen fiktionale Texte lesen oder sogar schreiben, wo doch unsere Geschichte so vielmehr fantastischer ist, als alles, was sich ein Mensch je ausdenken kann. Okay, es gibt auch einige Ausnahmen in der fiktionalen Literatur, aber das sind nur wenige.
Um das Lied „Benandanti“ in seiner Gänze zu verstehen, muss sich der Hörer mit einer bestimmten Personengruppe auseinandersetzen – und ab jetzt kannst du mich gerne korrigieren, falls notwendig. Verallgemeinert gesprochen, waren die Benandanti Mitglieder eines Fruchtbarkeitskults, der sich im 16. und 17. Jahrhunderts im Nord-Osten Italiens angesiedelt hatte. Aus eigenem Bestreben heraus konnte ein Mensch kein Teil dieser Gemeinschaft werden, da bereits seine Geburt unter einem besonderen Stern stehen musste. Als Zeichen dieser Vorankündigung interpretierte man es, wenn ein Teil der Fruchtblase sich bei der Geburt wie eine Haube um sein Köpfchen gelegt hatte. Erst danach konnte das Kind unterrichtet werden. Sinn und Zweck seines zukünftigen Lebens war nun die Sorge um das Wohlergehen der Gemeinschaft. Wissen alleine genügte dafür aber bei weitem nicht aus. Zu den Quatembertagen, also während vier bestimmter Donnerstage im Jahr, war der Benandanti in der Lage, seine menschliche Hülle zu verlassen und in Gestalt eines Tieres – einer Katze, Maus, Hase aber auch als Schmetterling oder Wolf – den Kampf gegen die bösartigen Malandanti aufnehmen. Die Benandanti bewaffneten sich dafür mit Fenchel und flogen hin in die Wolken, Wälder und Felder und suchten die direkten Konfrontation mit den bösartigen Malandanti, die sich dort zu ihrem Sabbath zusammengefunden hatten. Und es stand viel auf dem Spiel, denn falls das Böse triumphieren sollte, würden Tiere und Kinder verenden und das Getreide würde auf dem Feld verderben, aber wenn die Benandanti obsiegen sollten, würden die Felder in voller Blüte stehen und die Nachkommenschaft sich bester Gesundheit erfreuen. Unter Führung einer Äbtissin waren die Frauen aber nicht minder untätig, da sie bei geheimen Versammlungen die Zukunft der Gemeinschaft weissagten. So weit, so gut?
Soweit ich das mit meinem Wissen bezüglich des Benandanti/Malandanti-Kult sagen kann, würde ich behaupten, dass es weitestgehend korrekt ist. Allerdings waren die Hexen selbst wohl nicht dazu in der Lage, sich in Tiere zu verwandeln, vielmehr nutzen sie diese als Reittiere. Während der Quatembertagen verliefen dann die Kämpfe ungefähr so, wie du es beschrieben hast, aber waren wohl bei weitem nicht so heftig, sondern trugen eher einen zeremoniellen Charakter, als einen martialischen. Niemand wurde tatsächlich dabei verletzt. Nachdem die Inquisition einige Hexen verhört hat, gaben diese zu Protokoll, dass es nach den „Kämpfen“, Einbrüche in Häuser von Unbeteiligten gab, an denen wohlgemerkt Malandanti, als auch die Benandanti teilnahmen. Es wurde Eigentum entwendet und lautstark herumgepoltert. Während dieser nächtlichen Überfälle wurde auch der Wein des Hausherren getrunken und gelegentlich auch in selbigen uriniert. Die Benandanti behaupteten im Nachhinein, dass dies nur das Werk der Malandanti sei... Wie du siehst, ist die Grenze zwischen Gut und Böse fließend, und das ist besonders faszinierend.
Und woran glaubst du? Verfügten die Benandanti über solche Kräfte oder war es nur eine gute Inszenierung?
Ich glaube, sobald jemand behauptet, übernatürliche Kräfte zu besitzen, es auch immer Scharlatane und ebenso richtige Magier gibt – und auch alles dazwischen. Außerdem denke ich, dass diese Linie, die die beiden Lager in richtig und falsch trennt, fließend ist. Dem Weisen ist bewusst, wann der richtige Zeitpunkt gekommenm ist, seine wahren Fähigkeiten zu offenbaren und wann es genügt, einfache Trickserei zu präsentieren.
Am Ende dieses Liedes, scheint die Inquisition dann dennoch einen der Benandanti erfolgreich in ihre Fänge gelockt zu haben. Ist das also nun das unrühmliche Ende von jemandem, der anders war und nur helfen wollte?
Das ist eine mögliche Sichtweise dessen, aber unsere Intention mit dem dramatischen Zwischenspiel aus Texte und der Musik war es, die Verbindung des Benandanti- und Malandanti-Kults mit älteren, heidnischen Traditionen und vor allem mit der wilden Jagd im besonderen aufzuzeigen.