Gerade über sowas kann man aber diskutieren - gerade auch weil, z.B. "Größe der Gigs" ein Umstand ist, den die Bands selber ja gar nicht beeinflussen, sondern in dem sich Erfolg oder Misserfolg mit den jeweils gewählten musikalischen und außermusikalischen Mitteln widerspiegeln. Natürlich wirkt es sympathischer und ergo authentischer, wenn man sich hinterher als der standfeste Verlierer, der niemals aufgegeben hat, präsentieren kann. Das erlaubt es umgekehrt sogar noch, die Versuche, bei denen man sich erfolglos irgendeiner Mode angebiedert hat, schönzureden (was natürlich andererseits überhaupt nicht nötig gewesen wäre, wenn man damit denn eben den erhofften Erfolg gehabt hätte...). Und Jammern? Selbst das kann man noch als "streitbar, direkt und nie ein Blatt vor dem Mund" verkaufen - manche Leute mögen wahrscheinlich schon Markus Jüllichs letztjährige Aufreger-Aktion als "authentisch" empfinden.
Nun aber ausgerechnet zu den von dir genannten Bands: Overkill beispielsweise waren ja auch nicht frei von Einflüssen. "I Hear Black" beispielsweise wird ja gerne als Rückbesinnung auf bluesig-rockig-doomige, i.e. Black-Sabbath-beeinflusste Klänge interpretiert, die Overkill im Soge des Erfolgs von Metallicas "Black Album" (und vielleicht sogar des Grunge) angeschlagen hätten - natürlich erfolglos, aber das Kalkül muss wohl da gewesen sein. Ebenso hängt "From The Underground... And Below" sowie "Necroshine" bis heute dieser Industrial/Neo-Thrash-Ruch an, also wiederum eine Anbiederung an etwas, das damals - im Gegensatz zu Overkill - kommerziell erfolgreich war (Pantera, Fear Factory). Später gab's dann Ende der 00er Jahre dieses Retro-Thrash-Revival, in das Overkill mit "Ironbound" perfekt passen.
Und Purple? Ian Gillan wird ja nicht müde zu betonen, die Band habe damals die unterschiedlichsten Hintergründe der jeweiligen Mitglieder berücksichtigten müssen, weshalb auch so außergewöhnliche Nummern wie "Anyone's Daughter" auf den Platten gewesen seien. Und trotzdem: Die zunehmende Funk- und Soul-Tendenz auf den Alben mit Hughes, Coverdale und später Bolin kann man sicher nicht damit erklären, das wirkt eher wie eine Art bewusste Entwicklung. Genau, wie umgekehrt die 80er-Rückkehr mit Hochglanz-Bombastrock sicherlich auch zu einem Gutteil auf Kalkül basiert haben dürfte (man vergesse nicht, dass insbesondere Lord und Gillan [zu Zeiten der Ian Gillan Band] wenige Jahre zuvor noch ganz andere Musik gemacht hatten. Und dann noch die ersten Alben mit Steve Morse später, die ebenfalls nicht frei von Trends waren...
Na ja, "Authentizität" ist auch hier offenbar wieder eine auf ziemlichem romantischen Wunschdenken basierende Zuschreibung. Und auch hier lässt sich mit genug gutem Willen noch alles einem positiven Image anhängen. Statt "Anbiederung" kann man auch sagen: Die Band versteht es eben, mit der Zeit zu gehen bzw. modern/jung und damit "relevant" zu bleiben - das sind alles so ein oft und gerne von diversen Szene-Sprachrohren verwendeter Trend-Floskeln. Und das ist vielleicht auch der Kern dieses Problems: "Authentizität" kommt niemals von innen, sondern wird viel zu oft von außen zugeschrieben und behauptet. Das alleine macht es schon schwierig, sowas überhaupt als "Wert" zu akzeptieren.