Der letzte angekündigte "Sommertag" vorläufig - und den im Büro! Na, denn hätten wir wenigstens etwas musikalische Untermalung mit:
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Oftmals neige ich dazu, hier mein "Einstiegsalbum" in den Bandkosmos einer Kapelle vorzustellen - bei Dream Theater war dies "Images and Words", dennoch sei hier das Debut mal aufgelegt - ist mir einfach gerade nach ;-).
Anders als "Images...." verfügt "When Dream and Day unite" noch über keine Hochglanzproduktion, auch ist hier mit Charlie Dominici noch ein Vokalist am Werk, dessen stimmliche Klangfarbe (ein wenig Joey Lynn Turner meets Joey Belladonna mit einer Prise mehr Theatralik) eher weniger in meine persönliche Geschmackskerbe schlägt - beides Gründe, warum das Album am Ende nicht mit einer "10" durch meine persönliche Wertung fällt, sondern eher mit einer 9 - wobei an manchen Tagen der Hang zur Höchstnote durchaus trotzdem vorhanden ist.
Warum ist das so? Einige wichtige Punkte: Nie mehr danach klangen Dream Theater so "unkalkuliert", sondern einfach frei heraus. Hier wurden noch Songs aus reiner Leidenschaft komponiert und dennoch ist dabei ein Kleinod nach dem Anderen herausgekommen. Man nimmt trotz der eher dürftigen Produktion wahr, dass DT über einen BASSISTEN verfügen - und über was für einen! Und auch wenn die Stimmfarbe wie schon angesprochen eigentlich nicht "meine" ist, so passt der Gesang als solcher (im Übrigen aus technischer Sicht tadellos!) einfach hervorragend zu den Songs, wenn man sich von einem James LaBrie löst, der in der "Images...."-Phase noch durchaus zu überzeugen wusste. Und zu jener Phase lernte ich dann, angefixt durch eben jenes "Images..." auch "When Dream and Day unite" kennen - und später auch lieben.
"A Fortune in Lies", der wohl auch heutzutage noch am häufigsten live dargebotene Opener des Debuts, ist Progmetal vom Feinsten und das in kompakter Form. Schon hier wünscht man sich mehr "Wums" hinter der Produktion, das Stück selbst ist dabei über jeden Zweifel erhaben und bis heute eine Referenz. "Status Seeker" verweist dann schon ein wenig auf die Vorliebe der New Yorker für Journey (später durch diverse Coverversionen belegt), hier ist die Grenze zwischen Prog und AOR ein wenig verwischt, was aber hervorragend funktioniert und tatsächlich sehr gut zur Stimme von Dominici passt. Über das instrumentale "Ytse Jam" noch große Worte zu verlieren wäre groß angelegter Unsinn: DT haben danach NIE wieder ein vergleichbares Instrumental hinbekommen, hier ist frei von Kitsch einfach eine musikalische Achterbahnfahrt am Start, die ihresgleichen sucht und trotz aller Komplexität einen immensen Wiedererkennungswert aufweist. Ich erinnere mich nur zu gern an die Liveaufführung auf der 93er Deutschlandtour, denn egal was Rudess auch anstellen mag: an die genialen Keyboardlinien eines Kevin Moore wird er nie heran kommen. Viel zu prägend sind die Läufe, das Zusammenspiel mit Petrucci ist hier absolut auf dem Punkt und innovativ, quasi Purple in Formvollendung und auf der Stufe der späten 80er. Unnötig zu erwähnen, dass ich auch Myung hier am Bass mal austoben darf - und das vor allem auch hörbar
. "The Killing Hand", ebenfalls auf der 93er Tour seinerzeit live dargeboten, ist und bleibt ein spannendes Epos, ein Beweis dafür, welche Art Stücke Dream Theater schreiben
könnten, wenn sie es denn heute auch noch wollten: auch hier Metal und kein Kitsch, dennoch eine Dramaturgie mit einem spannenden Aufbau, ein Soundgerüst, dass in epischem US-Power Metal fußt und sicherlich die ein- oder andere Zutat aus dem frühen Fates-Warning-Baukasten verwendet. Ein echter Crossover aus Metal und Progressive Rock, ganz stark! "Ligth fuse and get away" hat eine leicht jazzige Note und baut auf die noch heute oft verwendeten, bandtypischen DT-Breaks. Grundsätzlich scheinen auch hier wieder frühe FW-Einflüsse durch, das einzigartige Keyboardspiel von Moore baut eine spezielle Atmosphäre auf, das Drumming von Portnoy ist überirdisch und innovativ zugleich, sein ihm ureigener Stil kommt hier voll zur Geltung. Eine unterschätzte Perle im DT-Songkatalog, eine Art "kleiner Bruder" des unmittelbaren Vorgängertracks, wenn auch mit etwas weniger Dramatik dargeboten.
"Afterlife" ist dann speziell in Sachen Chorus wieder eine Verbindung zwischen AOR und Progmetal. Erneut wünscht man sich hier eine stärkere Produktion. Ungewöhnlich eingängig und geradlinig für DT-Verhältnisse und für mich persönlich ein Stück, das aus heutiger Sicht eine Schwachstelle des ansonsten bärenstarken Albuns darstellt. Mit "The Ones who help to set the Sun" geht es dann eher epischer weiter: fast ein wenig psychedelisch und auch recht lang das Intro, dann starten rund 5 Minuten Progmetal im Midtempo. Nicht so stark wie "The Killling Hand" oder "Light fuse and get away", aber auch kein wesentlicher Abfall, der "Wundertüteneffekt", den die genannten Tracks erzielen ist hier nicht
so präsent, dafür entschädigt ein recht eingängiger, aber intelligent arrangierter Refrain, der überdies auch gesanglich noch sehr überzeugend dargeboten wird. Auf die Gesamtdauer ist das Stück dennoch ein wenig schleppend. Mit dem Rausschmeißer "Only a Matter of Time" gibt es dann noch einmal Prog-Metal in Reinkultur: wirkt das Stück im ersten Durchlauf vielleicht noch ein wenig unsortiert, so fällt im späteren Verlauf auf, dass hier eine Vielzahl an Melodien einfach miteinander verschmelzen und in einem fast schon stadionrockkompatiblen (manchmal habe ich Angst vor meinen eigenen Wortschöpfungen....) Chorus gipfeln. Kurzum: eine tolle Reise durch progressiven Metal und auch hier fällt noch einmal extrem auf, wie vielseitig und innovativ ein Kevin Moore die Keyboards in einer Metalband integrieren konnte.
Heißt: "When Dream and Day unite" ist ein Meilenstein für den Progressive Metal. Hier noch weit entfernt von überflüssigem Kitsch und Bombast haben DT hier eine Symbiose aus klassischem Progrock/US-Metal/Hardrock/AOR erschaffen, die später in dieser Form kaum mehr erreicht wurde. "Images and Words" war dann eigentlich eine logische Konsequenz, aber das steht auf einem anderen Blatt. Wünschenswert wäre, dass sich die Herren Petrucci & Co. für ihr neues Werk also nicht nur "I&W", sondern auch "WDaDu" noch einmal sehr gut anhören
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