Grunge und Rockmusik in den 90ern - Erbe einer musikalischen Revolution

Grunge … „Incesticide“ von Nirvana war das erste Album, das ich bewusst gehört habe und hören wollte. Immer wieder, mit „Dive! Dive! Dive with me!“ ging‘s los. Ich war vier. Bei so einer Frühprägung ist es wohl klar, dass es für mich nach wie vor das Nirvanaalbum schlechthin ist … auch wenn es sich eigentlich um eine Ferner Liefen-Compilation handelt. Wobei sich natürlich die Frage stellt, ob Sub Pop und Geffen auch wussten, was wirklich gut war :) Relativ bald hatte ich auch die gemäßigtere und deutlich musikalischere „Nevermind“, und ich verehrte sie als perfekt. Niemand konnte mir die Texte erklären, aber ich wusste auch so, dass Kurdt beiläufig ultimative Wahrheiten über das Universum rausklopfte, die Normalsterbliche nur erahnen konnten. Kurzer Cut in die Gegenwart: heute ist mir „Nevermind“, trotz Nähe zur Perfektion, etwas zu gefällig geraten, und beim Betrachten der Texte ist die mystische Tiefe, die diese einmal für
mich hatten nur mehr eine ferne - aber sehnsuchtsvolle - Erinnerung. Kürzlich habe ich zum ersten mal seit vielen Jahren - ich hab die abgenudelte CD mit seinem aus vielen Einzelteilen und einem vergilbten Aufkleber bestehenden Jewelcase nie ersetzt - die „Incesticide“ wieder gehört. Diese rohe, ungezähmte, im wahrsten Sinn des Wortes asoziale Power - perfekt! Besser als in „Turnaround“, „Mexican Seafood“, „Aero Zeppelin“ und meinem Lieblingssong von Nirvana, „Aneurysm“, waren sie für mich nie. Apropos „Aero Zeppelin“ - der Song von 1988 klärt das Verhältnis zum längst mit der Musikindustrie eins gewordenen Classic Rock ganz gut (wenn auch wenig subtil):

„What's the meaning in a crime? It's a fan if anything
Where's the meaning in a line? It's a brand, it's a brand

How a culture comes again, it's a plan of yesterday
And you swear it's not a trend, doesn't matter anyway
They're only here to talk to friends, nothing new is everyday
You could shit upon the stage, they'll be fans
They'll be fans, they'll be fans
They'll be fans“


Autsch! Wenn Grunge irgendwas ermordet hat, dann rhetorisch.
Zu Pearl Jam habe ich nie einen Zugang gefunden- zu rockig, zu allgemein beliebt. Rock war in meinen Augen für die Allgemeinheit, ich wollte was Härteres, und was, das nicht „für jedermann“ war. (Nirvana-Shirts habe ich in meiner Stadt nicht bei Teenagern und Studenten in Erinnerung, sondern bei den Punks, Junkies und Alkoholikern vom Hauptplatz. Mann, wollte ich sein wie die.)
Jahre später wurde das Eddie Vedder-Album zum Film Into the Wild eine Art Konsensalbum in der Familie, was bei mir bis heute zu Übersättigungsgefühlen mit seiner Stimme führt. Temple of the Dog haben mir nicht gefallen, zu Soundgarden bestand eine wohlwollende Nähe über den Freundeskreis, auch wenn ich nie so richtig eingetaucht bin. Die andere große Band waren Alice in Chains, die auch eine wichtige gemeinsame Leidenschaft mit der ersten Freundin waren. Andererseits hatte ich bei AiC immer Schwierigkeiten, sie mit Grunge in Verbindung zu bringen: zu fuckin‘ heavy! Zu fuckin‘ Sabbath! Emotional war das für mich die längste Zeit eine „sowas-wie-Metal“-Band. Ironischerweise sind es heute nur die ruhigen Sachen - „Jar of Flies“ und die Unplugged - die ich mir von AiC noch regelmäßig auflege.
Als etwas älterer Teenager musste ich Grunge aus meinen Hörgewohnheiten verbannen. Nicht, weil mir die Musik nicht mehr wichtig gewesen wäre, im Gegenteil - ich fand mich von der Wucht aus Teenage Angst und Nihilismus in den Texten so überwältigt, dass ich nicht wusste, wie ich weiter in die Schule gehen und meinen Shit machen soll, wenn ich mir das täglich reinpfeife. Ich fand mich dem beängstigend ausgeliefert. Da musste was anderes her, enter Metal übrigens - immer noch anti, aber mehr auf Power und weniger auf im Eck liegen und alles in Flammen aufgehen lassen.
Vor etwa 13, 14 Jahren gab‘s noch mal ein gewaltiges Flashback, als ich über eine Freundin aus Neuseeland Mad Season kennenlernte. Wahnsinn, auch das Cover zu der Musik. Argh! Das Rerelease ist der einzige RSD-Release, den ich mir je gekauft habe.
 
Zuletzt bearbeitet:
King's X......Jeff Ament hatte das auf seinem Handrücken geschrieben und das hat mich neugierig gemacht....Heraus kam eine musikalische Liebe fürs Leben.
Jeff Ament hat sogar mal gesagt, dass King's X den Grunge erfunden haben! Wenn man sich das grandiose Album "Out of the Silent Planet" (1988) genauer anhört, erkennt man gewisse Riffs, Rhythmen und Gesangslinien, die auch später im Grunge wieder auftauchen.

 
Zuletzt bearbeitet:
Eine Band, welche die Rock- und Grunge-Szene der 90er Jahre aufgewirbelt hat, ist L7. Sie waren aggressiv bis zum Anschlag, spielten authentischen Fast Forward Punk Rock im abgefuckten Low-Fi Grunge Sound, nahmen Einflüsse aus Hard Rock und Metal auf und waren dazu noch politisch sehr aktiv.

proxy-image


Album | L7 - Smell The Magic (1990)

Live

Dokumentation
 
Vor etwa 13, 14 Jahren gab‘s noch mal ein gewaltiges Flashback, als ich über eine Freundin aus Neuseeland Mad Season kennenlernte. Wahnsinn, auch das Cover zu der Musik. Argh! Das Rerelease ist der einzige RSD-Release, den ich mir je gekauft habe.

Vor einigen Jahren konnte ich mir die erweiterte Deluxe-Edition von Above (Label: Legacy Recordings) als 3-Disc-Box mit zwei CDs und einer DVD sichern. Ich hüte sie wie den heiligen Gral. Die Box enthält das Original-Studioalbum und eine Reihe von Extras, insbesondere einige unveröffentlichte Tracks des unvollendeten zweiten Albums der Band mit Texten und Gesang von Mark Lanegan, den kompletten Audio-Mitschnitt des „Live at The Moore“-Konzerts der Band vom 29. April 1995 und die erste offizielle DVD-Veröffentlichung von „Live at The Moore“, einschließlich eines bisher unveröffentlichten kompletten Konzertvideos des Silvester-Auftritts der Band im inzwischen nicht mehr existierenden Seattler Club RKCNDY. Wer diese Version irgendwo sichtet, sollte sofort zuschlagen!
 
Ein typischer Grunge-Vertreter mit deutlich mehr Heavy Metal im Sound, sind Gruntruck aus Seattle. Ähnlich wie My Sister's Machine sind Gruntruck richtig Heavy mit thrashigen Querverweisen. Beim Hören von Inside Yours (1990) und Push (1992) fühlte ich mich u.a. wegen des Gesangsstils an John Bush und die aktuellen Armored Saint erinnert.

Besetzung:
  • Ben McMillan - Vocals (Skin Yard)
  • Norman Scott - Drums (Skin Yard)
  • Tommy Niemeyer - Gitarre (The Accüsed)
  • Tim Paul - Bass (Final Warning)

Gruntruck1991.jpg


Gruntruck - Inside Yours (1990)

Gruntruck - Push (1992)
 
Zuletzt bearbeitet:
Seit einiger Zeit habe ich mich in den halben Backkatalog von Stone Temple Pilots erneut verknallt. Gerade die ersten 3 Alben sind sowas von Gott.

Komischerweise sind die Stone Temple Pilots bei mir immer unter dem Radar geflogen. Ich kann mir nicht erklären, warum. Danke für den Hinweis. Ich werde mich die Tage mal mit den ersten drei Alben beschäftigen.

Hach... das macht gerade richtig Spaß. Hätte nicht gedacht, dass in so kurzer Zeit so viele tolle Beiträge hier reinkommen.

@all: Vielen Dank an alle, die sich hier beteiligen!!!
 
Grunge kam für mich damals genau zur richtigen Zeit. Zarte Bande zur harten Musik waren bereits über die Scorpions geknüpft, ansonsten liefen die EAV oder Roxette. Dann kam 1991 und musikalisch war das für mich damals eine Offenbarung im zarten Alter von 14. Gefühlt lernte man täglich (ja, auch und v.a. über MTV) neue, spannende Musik kennen. Genrezuweisungen waren mir damals egal und so hatte ich innerhalb kürzester Zeit mit Metallica, Guns`N`Roses und Nirvana ein Erweckungserlebnis, das bis heute anhält. Ich weiß noch, dass damals wahnsinnig viel Undergroundzeug abends auf MTV lief, Zeug wie The Breeders oder Dinosaur Jr. War nicht so meine Baustelle, aber spannend allemal. AIC sind eine weitere Band, die ich bis heute sehr mag. Waren damals mit Dirt Album des Monats im MH, das weiß ich noch. Bei PJ bin ich irgendwie raus, klar, Alive ist ein Jahrhundertsong, aber ich habe die Band irgendwie nie kapiert. Im Nachhinein habe ich von den typischen Grungevertretern eigentlich nur Nirvana und AIC intensiv gehört, aber das damit auch medial transportierte Lebensgefühl sprach mich irgendwie an, auch wenn das natürlich im Nachhinein Quatsch ist, dafür war das alles viel zu inhomogen und unterschiedlich, was da in den Topf "Grunge" geworfen wurde. Hatte aber natürlich auch eine Holzfällerjacke, die meine Eltern mir nach langem Betteln beim C&A gekauft hatten. Schöne Zeit!
 
Hm, dieses Lebensgefühl, welches mit "Grunge" in Verbindung gebracht wird, war bei mir nie vorhanden. Vielleicht lag es daran, dass ich 1991 mit 24 Jahren zu alt war, oder weil mich dieser "Grunge"-Hype völlig kalt gelassen hat, da ich die Bands und deren Wegbereiter, die dann in diese Schublade gepackt wurden, schon davor gehört habe.
 
Als Anfang der 90er die gr0ßen Alben von Soundgarden, AIC, Pearl Jam oder Nirvana erschienen, ging ich schon stramm auf die 30 zu, hatte 78 meine ersten Hardrockplatten gekauft und die Metal-80er in Echtzeit erlebt. Ich war daher schlicht zu alt dafür, als dass Grunge für meine musikalische Sozialisation irgendwie relevant oder Kurt Cobain für mich ein Jugendidol gewesen wäre. Für mich war das in erster Linie eine weitere Variante der Weiterentwicklung der harten Gitarrenmusik, neben z. B. dem neuen Groove-Thrash von Pantera, der ungefähr zur selben Zeit aufkam. So interessierten mich auch hauptsächlich die von Black Sabbath oder Led Zeppelin beeinflussten härteren Grunge-Acts wie eben Soundgarden oder AIC. Das sind auch die einzigen Bands, von denen ich heute noch Tonträger in meiner Sammlung habe (und die auch auch immer noch regelmäßig und gerne aufgelegt werden). Ansonsten wandte ich mich zu diesen Zeiten des "toten Metal" zunächst eher dem Death Metal und dann vor allem dem Black Metal zu. Denn da waren sie wieder, die zu dieser Zeit allgemein verpönten Insignien des 80er Metal: schwarzes Leder, Nieten, Kreuze, Pentagramme und Schwerter.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein typischer Grunge-Vertreter mit deutlich mehr Heavy Metal im Sound, sind Gruntruck aus Seattle. Ähnlich wie My Sister's Machine sind Gruntruck richtig Heavy mit thrashigen Querverweisen. Beim Hören von Inside Yours (1990) und Push (1992) fühlte ich mich u.a. wegen des Gesangsstils an John Bush und die aktuellen Armored Saint erinnert.

Besetzung:
  • Ben McMillan - Vocals (Skin Yard)
  • Norman Scott - Drums (Skin Yard)
  • Tommy Niemeyer - Gitarre (The Accüsed)
  • Tim Paul - Bass (Final Warning)

Gruntruck1991.jpg


Gruntruck - Inside Yours (1990)

Gruntruck - Push (1992)
Die hab ich als Vorgruppe von Pantera 92 in Frankfurt in der Music Hall gesehen...fand ich live sehr geil, hat mich aber auf Platte nicht sooo gepackt....aber ne Hammer Live Band gewesen
 
Grunge kam für mich damals genau zur richtigen Zeit. Zarte Bande zur harten Musik waren bereits über die Scorpions geknüpft, ansonsten liefen die EAV oder Roxette. Dann kam 1991 und musikalisch war das für mich damals eine Offenbarung im zarten Alter von 14. Gefühlt lernte man täglich (ja, auch und v.a. über MTV) neue, spannende Musik kennen. Genrezuweisungen waren mir damals egal und so hatte ich innerhalb kürzester Zeit mit Metallica, Guns`N`Roses und Nirvana ein Erweckungserlebnis, das bis heute anhält. Ich weiß noch, dass damals wahnsinnig viel Undergroundzeug abends auf MTV lief, Zeug wie The Breeders oder Dinosaur Jr. War nicht so meine Baustelle, aber spannend allemal. AIC sind eine weitere Band, die ich bis heute sehr mag. Waren damals mit Dirt Album des Monats im MH, das weiß ich noch. Bei PJ bin ich irgendwie raus, klar, Alive ist ein Jahrhundertsong, aber ich habe die Band irgendwie nie kapiert. Im Nachhinein habe ich von den typischen Grungevertretern eigentlich nur Nirvana und AIC intensiv gehört, aber das damit auch medial transportierte Lebensgefühl sprach mich irgendwie an, auch wenn das natürlich im Nachhinein Quatsch ist, dafür war das alles viel zu inhomogen und unterschiedlich, was da in den Topf "Grunge" geworfen wurde. Hatte aber natürlich auch eine Holzfällerjacke, die meine Eltern mir nach langem Betteln beim C&A gekauft hatten. Schöne Zeit!
Ich muss zugeben, dass ich "Plush" von STP wg Viva-MTV einfach nicht mehr sehen und hören konnte, weil der Clip gefühlt fünfmal täglich lief. Heute hingegen kann ich das STP-Debüt gar nicht oft genug hören.
 
Scott Weiland war mit einer der für mich schönsten Stimmen des Rock gesegnet. Egal ob auf seinen Soloalben, mit Velvet Revolver und natürlich den Pilots hat er auch durchschnittliche Nummer immer ein Stück besser gemacht.


 
Als zu spät Geborener hab ich den Grunge leider nicht direkt mitbekommen. War dem als Jugendlicher schon sehr abgeneigt gegeüber, war relativ leicht zu beeinflussen und habe das ''Grunge hat den Metal umgebracht'' vieler Musiker im RH für bare Münze genommen. Bis mir dann Jemand die Nevermind auf den Laptop überspielt hat (Smells Like Teen Spirit kannte ich ja schon dank des Radios), mit der ich sofort Frieden mit der Musik geschlossen habe. Nachwievor eine Musik die mich sehr berührt, weil für mich persönlich näher am ''normalen'' Leben ist als vieles Anderes. Pearl jam mag ich, bis auf die Ten habe ich leider noch kein Album ausgiebig gehört und besitze nur die Lets Play Two. Zu meiner Schande muss ich aber auch gestehen dass überwiegend nur die großen Namen kenne, außer Mother Love Bone sind kein großer Name. mein Lieblingsalbum aus dem Bereich aber bleibt die In utero, weil ich bei ihr viele Parallelen zu meinem Lieblingsalbum Filth pig erkenne (oder mir einbilde): beide Alben sind nach einem sehr erfolgreichen Album enstanden, beide in sehr destruktiven Phasen und beide haben sich kein Stück darum geschert dass die Fans lieber Hits haben wollten und sie mit ner ordentlichen Portion Selbstverachtung zugebombt. Wo jetzt aber die Grenze von Grunge zu Noise Rock ist hätte ich gerne mal erklärt, sowas wie Nirvana hat doch was ziemlich noisiges.
 
Was ich von Grunge jedenfalls nachhaltig mitgenommen habe, war, dass Frontman auch anders geht. Verglichen mit den Frontern im klassischen Rock und den Metal-80er-Genres, in denen die Frontleute on stage idR affektiert und selbstdarstellerisch, auf jeden Fall aber: schauspielerisch agierten, waren die Grunge-Sänger ein krasser Gegensatz. Anti-Rockstars und Anti-Helden, gleichzeitig wütend und cool wie emotional, gerne auch politisch, aber immer auf Augenhöhe mit dem Publikum, nie von der Kanzel herab. Das fand und finde ich schon gut. Also ich liebe den RnR-Zirkus, nicht falsch verstehen, aber es ist eben Zirkus, und an Grunge habe ich gesehen, dass für
mich „wahre Coolness“ was anderes bedeutet.
 
Was ich von Grunge jedenfalls nachhaltig mitgenommen habe, war, dass Frontman auch anders geht. Verglichen mit den Frontern im klassischen Rock und den Metal-80er-Genres, in denen die Frontleute on stage idR affektiert und selbstdarstellerisch, auf jeden Fall aber: schauspielerisch agierten, waren die Grunge-Sänger ein krasser Gegensatz. Anti-Rockstars und Anti-Helden, gleichzeitig wütend und cool wie emotional, gerne auch politisch, aber immer auf Augenhöhe mit dem Publikum, nie von der Kanzel herab. Das fand und finde ich schon gut. Also ich liebe den RnR-Zirkus, nicht falsch verstehen, aber es ist eben Zirkus, und an Grunge habe ich gesehen, dass für
mich „wahre Coolness“ was anderes bedeutet.
Erfrischend finde ich auch den Umgang mit den eigenen Dämonen, keine Maskerade oder dergleichen im übertragenen Sinne.
 
Ich muss sagen den Prä-Nevermind nie gehört zuhaben, wie unterscheidet der sich von der Hochphase der Band?
 
Ich habe den Song damals hoch- und runtergehört.

Der Part wo Kurt mit der Stimme in den hohen Schreigesang geht ist ein echtes Highlight. Der hatte schon ein sehr instinktives Gespür dafür, auch in schlichten Songs kleine Momente ganz groß zu machen.
 
Zurück
Oben Unten