Albi
Till Deaf Do Us Part
absolut richtig bis auf Remedy LaneEs gibt für mich persönlich kaum ein anderes Album mit so vielen "Gänsehaut-Momenten" wie The Perfect Element.
Folge dem Video um zu sehen, wie unsere Website als Web-App auf dem Startbildschirm installiert werden kann.
Anmerkung: Diese Funktion erfordert derzeit den Zugriff auf die Seite über den integrierten Safari-Browser.
absolut richtig bis auf Remedy LaneEs gibt für mich persönlich kaum ein anderes Album mit so vielen "Gänsehaut-Momenten" wie The Perfect Element.
absolut richtig bis auf Remedy Lane
nicht nur toll, die ist gigantisch!!!aha, Remedy Lane ist natürlich auch toll!
This.die ersten 4 und ganz besonders The Perfect Element + Remedy Lane!!! Die 2 Alben sind mit das beste was je im Progressive Metal veröffentlicht wurde!!!
and this.absolute Denkmäler Wobei Remedy Lane noch einen Ticken mehr herausragt
and that.nicht nur toll, die ist gigantisch!!!
fantastisches ReviewEin großes Album verdient eine angemessene Würdigung. Auch wenn auf den letzten Seiten völlig zurecht das Gros des Backkatalogs gefeiert wurde, möchte ich nachfolgend versuchen, das aktuelle Werk "In The Passing Light Of Day" greifbar zu machen. Ich hoffe, es gefällt euch.
___________________________________________________________________________________________________________________
Was passiert mit einem Menschen, wenn er sich mit dem eigenen Tod auseinandersetzen muss? Wenn man den Schranken des eigenen Lebendigseins unmittelbar gewahr wird? Wenn dem Erwachen am kommenden Morgen die Selbstverständlichkeit abhanden kommt?
Daniel Gildenlöw erkrankte im Jahr 2014 an nekrotisierender Fasziitis, die ihn beinahe das Leben gekostet hätte und gesundheitlich für lange Zeit schwer beeinträchtigte. Ähnlich wie bereits "Remedy Lane" folgt das Album daher einem autobiographischen Konzept: Es geht um die Krankheit, den Tod, Vergänglichkeit, Ängste, die Familie und Freunde.
Entsprechend düster und schwer fällt "In The Passing Light Of Day" insgesamt aus, insbesondere die erste Hälfte. Das einleitende "On A Tuesday" nimmt Aufbau und Spannungsbogen des Gesamtwerks in groben Zügen vorweg und vermittelt ein eindrückliches Bild von dem, was folgen soll.
I was born in this building
It was the first Tuesday I'd ever seen
And if I live to see tomorrow
It will be my Tuesday number: 2119
Gildenlöw sah sich dem zynischen Schicksal ausgesetzt, im Krankenhaus seiner Geburt gegen die lebensbedrohliche Infektion ankämpfen zu müssen. Einleitend wird bereits dieses zentrale Motiv – Leben und Tod – herausgearbeitet, versinnbildlicht im "Lord of 'come what may'". Und obwohl der Protagonist der Geschichte deutlich Bezug nimmt zum typisch menschlichen Verhalten im Angesicht der eigenen Vergänglichkeit, verzichtet er auf den Rückgriff auf das Religiöse.
I close my hands, not in prayer, not in prayer – into fists
Die Atmosphäre pendelt von bedrohlichen Klängen zu einem beinahe sakral anmutenden Abschluss der ersten 10 Minuten, in denen bereits so viel passiert ist, dass sich der Eindruck erweckt, das Album (das Leben?) könnte so auch enden – dabei folgen noch 60 Minuten…
Und die haben es in sich: "Tongue Of God" startet zunächst ruhiger, bäumt sich jedoch ebenfalls zu einem schweren, treibenden Stück auf, das mehrfach zwischen mehrstimmigem Gesang, Gildenlöws Flüstern und seinem Sprechgesang wechselt. "Meaningless" verkörpert pure Verzweiflung und die Machtlosigkeit, in einem dahinsiechenden Körper gefangen zu sein. Aus der schlicht ausweglos erscheinenden Lage steigert sich der Song immer weiter bis zum Höhepunkt, um dann abrupt zu enden. Es folgt das ruhigste und kürzeste Stück der Platte, "Silent Gold", das den perfekten Kontrastpunkt zum aufbrausenden Anfang bildet und den Spannungsbogen im Zeichen ständiger Kontraste von laut und leise, aufgewühlt und ruhig weiterspinnt.
Mit "Full Throttle Tribe" verarbeitet Gildenlöw die zwischenmenschlichen Krisen sowohl hinsichtlich der Band als auch mit Blick auf seine eigene Familie, welche durch die physisch wie auch psychisch kräftezehrende Krankheit ausgelöst wurden. Der Song besticht durch eine phänomenale Dynamik, die Zerrissenheit und Verzweiflung symbolisiert. Zu Beginn sind medizinische Geräte zu hören, das Schlagzeug erinnert an Herzschläge; später kommen elektronische Einsprengsel im Hintergrund hinzu. Der erste Teil des Songs folgt nahezu einem klassischen Strophe-Refrain-Schema, bricht dann aber aus. Im zunächst ruhigen Mittelteil baut sich allmählich Spannung auf, die sich im Refrain erneut entlädt und zum Abschluss erneut von tonnenschweren Riffs erdrückt wird.
Das ebenfalls vorab bekannte "Reasons" fügt sich anschließend perfekt in den Albumkontext ein. Die harten, stakkatoartigen Attacken voriger Stücke werden hier auf die Spitze getrieben, während Gildenlöw ein sehr persönliches Zwiegespräch führt:
Are you true? – True to me or you?
Are you free? – I thought I used to be
Are you mine? – You know I'll always be
Are you happy? – Well, are you blind?
"Angels Of Broken Things" fährt Tempo und Härte deutlich zurück, verfolgt aber weiterhin das sehr rhythmusbetonte Motiv mit Taktwechseln und
-verschiebungen, wie es auch in "Full Throttle Tribe" ausführlich praktiziert wird. Der Song baut langsam Spannung auf und gipfelt in einem phänomenalen Zusammenspiel der Musiker, die sich immer weiter gegenseitig aufschaukeln.
Trist und kühl geht es zunächst mit "The Taming Of A Beast" weiter, das sich im Refrain jedoch zu einem Doom-Rock-Monster entwickelt – inklusive geflüsterter Passagen von Gildenlöw. Die Abfolge von reduzierten Strophen und dem fulminanten Chrous sorgt für einen fantastischen Spannungsbogen und schafft eine düster-bedrohliche Kulisse, die bis zum – ebenfalls ziemlich abrupten – Ende bestehen bleibt.
"If This Is The End" – damit beginnt der Abschluss des Albums. Zarte Gitarrentupfer, in der Ferne ein Akkordeon. Der Hörer wird zunächst in Sicherheit gewogen und Daniel Gildenlöw spricht (wir erinnern uns an den eingangs erwähnten "Lord of 'come what may'"):
All has been weighed
All measured and paid
No aces left
No prayers prayed
[…]
Flowers are dead
Petals all spread
Over the pills
Aside my bed
We had our good run
Our days in the sun
So come what may
Ein letzter Ausbruch, Schreie, die Befreiung. Der Kreis zum ersten und zum 2119. Dienstag schließt sich.
Es bleibt: der Titeltrack. Mit seinen gut 15 Minuten übrigens der längste Song, den Pain Of Salvation bislang auf einem Studioalbum verewigt haben.
Vorsichtig, behutsam, ja geradezu zerbrechlich beginnt "The Passing Light Of Day". Erst nach der Hälfte des Songs wird sukzessive der Bogen zum Einstieg gespannt. Ein letztes Mal nimmt die Musik Fahrt auf und steuert auf einen letzten Höhepunkt zu. Lyrisch unendlich kitschig, instrumentell maximal effekthaschend – und wunderschön. Analog zu den Ereignissen, die hier verarbeitet werden, endet das Album (zum Glück) völlig anders, als es angefangen hat: Ruhig, gesetzt, befreit.
Und es lässt den Hörer völlig geplättet zurück. Überwältigt von einer Achterbahnfahrt der Gefühle, einem Kaleidoskop emotionaler Stadien und unzähligen Eindrücken; geprägt von Turbulenzen und Konflikten, aber auch von Lichtblicken und kämpferischer Entschlossenheit. Und das alles in 71 Minuten. Meine Fresse!
Versuchen wir, ein Fazit zu ziehen:
Was passiert nun mit einem Menschen, der er sich mit dem eigenen Tod auseinandersetzen muss? Und mit denen, die die betroffene Person begleiten? Eine pauschale Antwort darauf kann es nicht geben. Pain Of Salvation haben ihre jedoch gefunden: Sie verarbeiten das Erlebte, indem sie ein gigantisches Stück Musik komponieren.
"In The Passing Light Of Day“ ist ein Meisterwerk. Es ist laut und leise; schnell und langsam; aufwühlend und verträumt; trist, brutal, traurig und schön. Zerrissen und harmonisch. Es ist fordernd und es belohnt. Es tut weh und es tut gut. Dieses Album verlangt dem Hörer alles ab, so wie es der Band alles abgefordert hat. Es ist – mit einem Wort – Sensationell.
Dankeschönfantastisches Review
Vielen Dank für die lieben WorteGanz großes Kino, lieber Parallax. Ein wahrhaft würdiges Review. Hätte spontan sofort das Album auflegen wollen, leider muss ich noch vier Stunden arbeiten.
REVIEW
Ein großes Album verdient eine angemessene Würdigung. Auch wenn auf den letzten Seiten völlig zurecht das Gros des Backkatalogs gefeiert wurde, möchte ich nachfolgend versuchen, das aktuelle Werk "In The Passing Light Of Day" greifbar zu machen. Ich hoffe, es gefällt euch.
___________________________________________________________________________________________________________________
Was passiert mit einem Menschen, wenn er sich mit dem eigenen Tod auseinandersetzen muss? Wenn man den Schranken des eigenen Lebendigseins unmittelbar gewahr wird? Wenn dem Erwachen am kommenden Morgen die Selbstverständlichkeit abhanden kommt?
Daniel Gildenlöw erkrankte im Jahr 2014 an nekrotisierender Fasziitis, die ihn beinahe das Leben gekostet hätte und gesundheitlich für lange Zeit schwer beeinträchtigte. Ähnlich wie bereits "Remedy Lane" folgt das Album daher einem autobiographischen Konzept: Es geht um die Krankheit, den Tod, Vergänglichkeit, Ängste, die Familie und Freunde.
Entsprechend düster und schwer fällt "In The Passing Light Of Day" insgesamt aus, insbesondere die erste Hälfte. Das einleitende "On A Tuesday" nimmt Aufbau und Spannungsbogen des Gesamtwerks in groben Zügen vorweg und vermittelt ein eindrückliches Bild von dem, was folgen soll.
I was born in this building
It was the first Tuesday I'd ever seen
And if I live to see tomorrow
It will be my Tuesday number: 2119
Gildenlöw sah sich dem zynischen Schicksal ausgesetzt, im Krankenhaus seiner Geburt gegen die lebensbedrohliche Infektion ankämpfen zu müssen. Einleitend wird bereits dieses zentrale Motiv – Leben und Tod – herausgearbeitet, versinnbildlicht im "Lord of 'come what may'". Und obwohl der Protagonist der Geschichte deutlich Bezug nimmt zum typisch menschlichen Verhalten im Angesicht der eigenen Vergänglichkeit, verzichtet er auf den Rückgriff auf das Religiöse.
I close my hands, not in prayer, not in prayer – into fists
Die Atmosphäre pendelt von bedrohlichen Klängen zu einem beinahe sakral anmutenden Abschluss der ersten 10 Minuten, in denen bereits so viel passiert ist, dass sich der Eindruck erweckt, das Album (das Leben?) könnte so auch enden – dabei folgen noch 60 Minuten…
Und die haben es in sich: "Tongue Of God" startet zunächst ruhiger, bäumt sich jedoch ebenfalls zu einem schweren, treibenden Stück auf, das mehrfach zwischen mehrstimmigem Gesang, Gildenlöws Flüstern und seinem Sprechgesang wechselt. "Meaningless" verkörpert pure Verzweiflung und die Machtlosigkeit, in einem dahinsiechenden Körper gefangen zu sein. Aus der schlicht ausweglos erscheinenden Lage steigert sich der Song immer weiter bis zum Höhepunkt, um dann abrupt zu enden. Es folgt das ruhigste und kürzeste Stück der Platte, "Silent Gold", das den perfekten Kontrastpunkt zum aufbrausenden Anfang bildet und den Spannungsbogen im Zeichen ständiger Kontraste von laut und leise, aufgewühlt und ruhig weiterspinnt.
Mit "Full Throttle Tribe" verarbeitet Gildenlöw die zwischenmenschlichen Krisen sowohl hinsichtlich der Band als auch mit Blick auf seine eigene Familie, welche durch die physisch wie auch psychisch kräftezehrende Krankheit ausgelöst wurden. Der Song besticht durch eine phänomenale Dynamik, die Zerrissenheit und Verzweiflung symbolisiert. Zu Beginn sind medizinische Geräte zu hören, das Schlagzeug erinnert an Herzschläge; später kommen elektronische Einsprengsel im Hintergrund hinzu. Der erste Teil des Songs folgt nahezu einem klassischen Strophe-Refrain-Schema, bricht dann aber aus. Im zunächst ruhigen Mittelteil baut sich allmählich Spannung auf, die sich im Refrain erneut entlädt und zum Abschluss erneut von tonnenschweren Riffs erdrückt wird.
Das ebenfalls vorab bekannte "Reasons" fügt sich anschließend perfekt in den Albumkontext ein. Die harten, stakkatoartigen Attacken voriger Stücke werden hier auf die Spitze getrieben, während Gildenlöw ein sehr persönliches Zwiegespräch führt:
Are you true? – True to me or you?
Are you free? – I thought I used to be
Are you mine? – You know I'll always be
Are you happy? – Well, are you blind?
"Angels Of Broken Things" fährt Tempo und Härte deutlich zurück, verfolgt aber weiterhin das sehr rhythmusbetonte Motiv mit Taktwechseln und
-verschiebungen, wie es auch in "Full Throttle Tribe" ausführlich praktiziert wird. Der Song baut langsam Spannung auf und gipfelt in einem phänomenalen Zusammenspiel der Musiker, die sich immer weiter gegenseitig aufschaukeln.
Trist und kühl geht es zunächst mit "The Taming Of A Beast" weiter, das sich im Refrain jedoch zu einem Doom-Rock-Monster entwickelt – inklusive geflüsterter Passagen von Gildenlöw. Die Abfolge von reduzierten Strophen und dem fulminanten Chrous sorgt für einen fantastischen Spannungsbogen und schafft eine düster-bedrohliche Kulisse, die bis zum – ebenfalls ziemlich abrupten – Ende bestehen bleibt.
"If This Is The End" – damit beginnt der Abschluss des Albums. Zarte Gitarrentupfer, in der Ferne ein Akkordeon. Der Hörer wird zunächst in Sicherheit gewogen und Daniel Gildenlöw spricht (wir erinnern uns an den eingangs erwähnten "Lord of 'come what may'"):
All has been weighed
All measured and paid
No aces left
No prayers prayed
[…]
Flowers are dead
Petals all spread
Over the pills
Aside my bed
We had our good run
Our days in the sun
So come what may
Ein letzter Ausbruch, Schreie, die Befreiung. Der Kreis zum ersten und zum 2119. Dienstag schließt sich.
Es bleibt: der Titeltrack. Mit seinen gut 15 Minuten übrigens der längste Song, den Pain Of Salvation bislang auf einem Studioalbum verewigt haben.
Vorsichtig, behutsam, ja geradezu zerbrechlich beginnt "The Passing Light Of Day". Erst nach der Hälfte des Songs wird sukzessive der Bogen zum Einstieg gespannt. Ein letztes Mal nimmt die Musik Fahrt auf und steuert auf einen letzten Höhepunkt zu. Lyrisch unendlich kitschig, instrumentell maximal effekthaschend – und wunderschön. Analog zu den Ereignissen, die hier verarbeitet werden, endet das Album (zum Glück) völlig anders, als es angefangen hat: Ruhig, gesetzt, befreit.
Und es lässt den Hörer völlig geplättet zurück. Überwältigt von einer Achterbahnfahrt der Gefühle, einem Kaleidoskop emotionaler Stadien und unzähligen Eindrücken; geprägt von Turbulenzen und Konflikten, aber auch von Lichtblicken und kämpferischer Entschlossenheit. Und das alles in 71 Minuten. Meine Fresse!
Versuchen wir, ein Fazit zu ziehen:
Was passiert nun mit einem Menschen, der er sich mit dem eigenen Tod auseinandersetzen muss? Und mit denen, die die betroffene Person begleiten? Eine pauschale Antwort darauf kann es nicht geben. Pain Of Salvation haben ihre jedoch gefunden: Sie verarbeiten das Erlebte, indem sie ein gigantisches Stück Musik komponieren.
"In The Passing Light Of Day“ ist ein Meisterwerk. Es ist laut und leise; schnell und langsam; aufwühlend und verträumt; trist, brutal, traurig und schön. Zerrissen und harmonisch. Es ist fordernd und es belohnt. Es tut weh und es tut gut. Dieses Album verlangt dem Hörer alles ab, so wie es der Band alles abgefordert hat. Es ist – mit einem Wort – Sensationell.
DankeTolle Kritik!
Auch hier vielen DankSchönes Review, komplett zutreffendes Fazit, lediglich die Texte, insbesondere den von 'Meaningless' empfinde ich teilweise anders.
Ersteres war mir nicht bekannt, das passt ohne Frage perfekt zusammen."Meaningless" befasst sich meiner Meinung nach sehr deutlich mit Gildenlöws Neigung, außerhalb der Beziehung mit anderen Frauen in die Kiste zu steigen und den daraus resultierenden Schuldgefühlen und dem inneren Zwiespalt, den er damit hat. Das Zwiegespräch in "Reasons" ist für mich eher eine vertonte Diskussion zwischen Gildenlöw und seiner Frau, in dem die helle Stimme von Ragnar Zolberg für die Frau steht.
Ein großes Album verdient eine angemessene Würdigung. Auch wenn auf den letzten Seiten völlig zurecht das Gros des Backkatalogs gefeiert wurde, möchte ich nachfolgend versuchen, das aktuelle Werk "In The Passing Light Of Day" greifbar zu machen. Ich hoffe, es gefällt euch.
___________________________________________________________________________________________________________________
Was passiert mit einem Menschen, wenn er sich mit dem eigenen Tod auseinandersetzen muss? Wenn man den Schranken des eigenen Lebendigseins unmittelbar gewahr wird? Wenn dem Erwachen am kommenden Morgen die Selbstverständlichkeit abhanden kommt?
Daniel Gildenlöw erkrankte im Jahr 2014 an nekrotisierender Fasziitis, die ihn beinahe das Leben gekostet hätte und gesundheitlich für lange Zeit schwer beeinträchtigte. Ähnlich wie bereits "Remedy Lane" folgt das Album daher einem autobiographischen Konzept: Es geht um die Krankheit, den Tod, Vergänglichkeit, Ängste, die Familie und Freunde.
Entsprechend düster und schwer fällt "In The Passing Light Of Day" insgesamt aus, insbesondere die erste Hälfte. Das einleitende "On A Tuesday" nimmt Aufbau und Spannungsbogen des Gesamtwerks in groben Zügen vorweg und vermittelt ein eindrückliches Bild von dem, was folgen soll.
I was born in this building
It was the first Tuesday I'd ever seen
And if I live to see tomorrow
It will be my Tuesday number: 2119
Gildenlöw sah sich dem zynischen Schicksal ausgesetzt, im Krankenhaus seiner Geburt gegen die lebensbedrohliche Infektion ankämpfen zu müssen. Einleitend wird bereits dieses zentrale Motiv – Leben und Tod – herausgearbeitet, versinnbildlicht im "Lord of 'come what may'". Und obwohl der Protagonist der Geschichte deutlich Bezug nimmt zum typisch menschlichen Verhalten im Angesicht der eigenen Vergänglichkeit, verzichtet er auf den Rückgriff auf das Religiöse.
I close my hands, not in prayer, not in prayer – into fists
Die Atmosphäre pendelt von bedrohlichen Klängen zu einem beinahe sakral anmutenden Abschluss der ersten 10 Minuten, in denen bereits so viel passiert ist, dass sich der Eindruck erweckt, das Album (das Leben?) könnte so auch enden – dabei folgen noch 60 Minuten…
Und die haben es in sich: "Tongue Of God" startet zunächst ruhiger, bäumt sich jedoch ebenfalls zu einem schweren, treibenden Stück auf, das mehrfach zwischen mehrstimmigem Gesang, Gildenlöws Flüstern und seinem Sprechgesang wechselt. "Meaningless" verkörpert pure Verzweiflung und die Machtlosigkeit, in einem dahinsiechenden Körper gefangen zu sein. Aus der schlicht ausweglos erscheinenden Lage steigert sich der Song immer weiter bis zum Höhepunkt, um dann abrupt zu enden. Es folgt das ruhigste und kürzeste Stück der Platte, "Silent Gold", das den perfekten Kontrastpunkt zum aufbrausenden Anfang bildet und den Spannungsbogen im Zeichen ständiger Kontraste von laut und leise, aufgewühlt und ruhig weiterspinnt.
Mit "Full Throttle Tribe" verarbeitet Gildenlöw die zwischenmenschlichen Krisen sowohl hinsichtlich der Band als auch mit Blick auf seine eigene Familie, welche durch die physisch wie auch psychisch kräftezehrende Krankheit ausgelöst wurden. Der Song besticht durch eine phänomenale Dynamik, die Zerrissenheit und Verzweiflung symbolisiert. Zu Beginn sind medizinische Geräte zu hören, das Schlagzeug erinnert an Herzschläge; später kommen elektronische Einsprengsel im Hintergrund hinzu. Der erste Teil des Songs folgt nahezu einem klassischen Strophe-Refrain-Schema, bricht dann aber aus. Im zunächst ruhigen Mittelteil baut sich allmählich Spannung auf, die sich im Refrain erneut entlädt und zum Abschluss erneut von tonnenschweren Riffs erdrückt wird.
Das ebenfalls vorab bekannte "Reasons" fügt sich anschließend perfekt in den Albumkontext ein. Die harten, stakkatoartigen Attacken voriger Stücke werden hier auf die Spitze getrieben, während Gildenlöw ein sehr persönliches Zwiegespräch führt:
Are you true? – True to me or you?
Are you free? – I thought I used to be
Are you mine? – You know I'll always be
Are you happy? – Well, are you blind?
"Angels Of Broken Things" fährt Tempo und Härte deutlich zurück, verfolgt aber weiterhin das sehr rhythmusbetonte Motiv mit Taktwechseln und
-verschiebungen, wie es auch in "Full Throttle Tribe" ausführlich praktiziert wird. Der Song baut langsam Spannung auf und gipfelt in einem phänomenalen Zusammenspiel der Musiker, die sich immer weiter gegenseitig aufschaukeln.
Trist und kühl geht es zunächst mit "The Taming Of A Beast" weiter, das sich im Refrain jedoch zu einem Doom-Rock-Monster entwickelt – inklusive geflüsterter Passagen von Gildenlöw. Die Abfolge von reduzierten Strophen und dem fulminanten Chrous sorgt für einen fantastischen Spannungsbogen und schafft eine düster-bedrohliche Kulisse, die bis zum – ebenfalls ziemlich abrupten – Ende bestehen bleibt.
"If This Is The End" – damit beginnt der Abschluss des Albums. Zarte Gitarrentupfer, in der Ferne ein Akkordeon. Der Hörer wird zunächst in Sicherheit gewogen und Daniel Gildenlöw spricht (wir erinnern uns an den eingangs erwähnten "Lord of 'come what may'"):
All has been weighed
All measured and paid
No aces left
No prayers prayed
[…]
Flowers are dead
Petals all spread
Over the pills
Aside my bed
We had our good run
Our days in the sun
So come what may
Ein letzter Ausbruch, Schreie, die Befreiung. Der Kreis zum ersten und zum 2119. Dienstag schließt sich.
Es bleibt: der Titeltrack. Mit seinen gut 15 Minuten übrigens der längste Song, den Pain Of Salvation bislang auf einem Studioalbum verewigt haben.
Vorsichtig, behutsam, ja geradezu zerbrechlich beginnt "The Passing Light Of Day". Erst nach der Hälfte des Songs wird sukzessive der Bogen zum Einstieg gespannt. Ein letztes Mal nimmt die Musik Fahrt auf und steuert auf einen letzten Höhepunkt zu. Lyrisch unendlich kitschig, instrumentell maximal effekthaschend – und wunderschön. Analog zu den Ereignissen, die hier verarbeitet werden, endet das Album (zum Glück) völlig anders, als es angefangen hat: Ruhig, gesetzt, befreit.
Und es lässt den Hörer völlig geplättet zurück. Überwältigt von einer Achterbahnfahrt der Gefühle, einem Kaleidoskop emotionaler Stadien und unzähligen Eindrücken; geprägt von Turbulenzen und Konflikten, aber auch von Lichtblicken und kämpferischer Entschlossenheit. Und das alles in 71 Minuten. Meine Fresse!
Versuchen wir, ein Fazit zu ziehen:
Was passiert nun mit einem Menschen, der er sich mit dem eigenen Tod auseinandersetzen muss? Und mit denen, die die betroffene Person begleiten? Eine pauschale Antwort darauf kann es nicht geben. Pain Of Salvation haben ihre jedoch gefunden: Sie verarbeiten das Erlebte, indem sie ein gigantisches Stück Musik komponieren.
"In The Passing Light Of Day“ ist ein Meisterwerk. Es ist laut und leise; schnell und langsam; aufwühlend und verträumt; trist, brutal, traurig und schön. Zerrissen und harmonisch. Es ist fordernd und es belohnt. Es tut weh und es tut gut. Dieses Album verlangt dem Hörer alles ab, so wie es der Band alles abgefordert hat. Es ist – mit einem Wort – Sensationell.
[...] Gildenlöws Neigung, außerhalb der Beziehung mit anderen Frauen in die Kiste zu steigen [...]
Davon lese ich zum ersten Mal.
Meines Wissens nach ist Gildenlöw seit mehreren Jahren mit einer durchaus autonomen Frau, Johanna Iggsten, die nach meiner Kenntnis bei einem schwedischen Radiosender oder als Journalistin arbeitet, verheiratet und glücklicher Vater von drei Kindern.
Dass Gildenlöw diese Beziehung wegen bedeutungslosem Sex aufs Spiel setzt, konnte ich bislang nirgendwo vernehmen.
Nichtsdestotrotz ließe sich diese Annahme durchaus aus dem Text zum Song "Meaningless" ableiten.
Ich weiß nicht, ob es schon genannt wurde, aber der Song stammt ja ursprünglich von Ragnar Zolberg.
Eventuell ist diese Möglichkeit der Interpretation eher aus seinem Leben gewonnen. Jedoch ist das nur eine Spekulation von meiner Seite.
Es ist ja nicht so, als würde Gildenlöw das zum ersten Mal thematisieren. Siehe auch "Ending Theme". Zumal auch Songs wie "Undertow" und "Taming Of A Beast" diese Seite von ihm beleuchten. Und ich vermute einfach mal, dass seine Frau sich mit dieser Seite seiner Persönlichkeit arrangiert hat.
Lohnen sich eigentlich die Demo-Versionen der Bonus-CD? Das Album ist so großartig, dass ich mir glatt die noch zum Vinyl stellen würde...
Wir verwenden essentielle Cookies, damit diese Website funktioniert, und optionale Cookies, um den Komfort bei der Nutzung zu verbessern.
Siehe weitere Informationen und konfiguriere deine Einstellungen