Ladies and Gentleman:
Eine Episode aus der vierten Staffel von TNG habe ich bisher noch nicht besprochen (warum eigentlich?), obwohl sie zu meinen absoluten Lieblingsepisoden überhaupt zählt.
"The Wounded" (dt. "Der Rachefeldzug")
Im Star Trek Kosmos ist das eigentlich eine sehr wichtige Schlüsselepisode, weil sie das erste Auftreten der Cardassianer markiert. Geheimnisvolle und und auf subtile Weise ziemlich finstere Gesellen, nachdem man die Borg und Romulaner als Hauptgegner nicht überreizen wollte, die Ferengi sich in der 1. Staffel als lächerliche Giftzwerge entpuppt haben - nur nicht als Antagonisten - und die Klingonen als Gegner nicht mehr in Frage kamen, brachte man diese Schlangenhälse ins Spiel
Der Frieden mit den Cardassianern nach einem kurzen, aber sehr brutalen Krieg ist noch sehr brüchig und ein Kapitän der Sternenflotte sinnt auf Rache für den Tod seiner Familie, die während des Krieges durch cardassianische Hände bei dem Überfall auf den Außenposten Setlik III ums Leben gekommen ist. Mit dem Kommando über ein waffenstarrendes Schiff der Nebula-Klasse pulverisiert er einen cardassianischen Außenposten nach dem Anderen und das lassen sich gewitzten Löffelgesichter (rassistische Beleidigung für Cardassianer durch die Menschen) nicht auf sich sitzen. Chefdiplomat Captain Picard ist zur Stelle, um den Frieden zu sichern.
Zum ersten Mal in der Geschichte von Star Trek bekommt Chief Miles O'Brien (Colm Meaney) eine zentrale und für die Handlung tragende Rolle, die über das hochkonzentrierte und zugleich routinierte Bedienen des Beamvorgangs hinaus geht. Frisch verheiratet mit der Schiffsbotanikerin Keiko Ishikawa (Rosalind Chao) bekommt man sowohl Einblicke in seine düstere Vergangenheit als Soldat im Krieg gegen die Cardassianer, als auch in sein Familienleben als Ehemann, der Kartoffelbrei mit Kapern mehr liebt, als Algensalat mit Sushi.
Herausragend ist auch Bob Gunton (Shawshank Redemption) als freidrehender Captain Maxwell, der tief in sich ein gebrochener Mann ist, der am Verlust seiner Familie zu Grunde gegangen ist und Frieden hin oder her nun mit einem ziemlich großen Waffenarsenal großes Unheil anrichtet. Chief O'Brien hat übrigens früher unter Maxwell gedient.
Der Killcount in dieser Episode ist sehr hoch, hunderte Cardassianer werden von der USS Phoenix unter Noch-Captain Maxwell atomisiert. Aber man bekommt keine Raumschlachten direkt zu sehen, was ich sehr lobenswert finde. Alles spielt sich auf dem taktischen Display der Langreichweiten-Sensoren ab als rote und blaue Punkte auf einem Gitternetz, quasi wie Schiffeversenken, während Commander Data detailliert die Manöver der Phoenix und die hilflosen Ausweichmanöver der Cardassianer beschreibt und die Kamera die entsetzten Gesichtsausdrücke von Captain Picard, Commander Riker und Gul Macet eindringlich filmt.
Letzterer wird hier als erster Cardassianer in der Geschichte von Star Trek hervorragend portraitiert von Marc Alaimo, der wenige Jahre später in Deep Space Nine als gerissener Opportunist und Space Trump Gul Dukat brillieren konnte. Laut Non-Canon Quellen sind beide Charaktere entfernte Cousins.
Die Uniformen der Cardassianer sehen hier noch etwas anders aus, als später bei Deep Space Nine, wie Rüstungen. Für die Schauspieler war das aber zu unbequem (zusätzlich zum aufwändigen Make Up von Michael Westmore), so dass man später auf einfachere Uniformen zurück gegriffen hat, die aber ähnlich eindrucksvoll waren (ab "Geheime Mission auf Celtris III" und zeitgleich mit dem Pilotfilm Deep Space Nine, so um 1993 herum). Non Canon Quellen zufolge sind diese alten Uniformen lediglich von cardassianischen Soldaten und Milizen im Grenzkonflikt gegen die Föderation und die Talarianer eingesetzt worden, nie aber von Offizieren oder auf Bajor. Daher sieht man in Deep Space Nine Episoden, die chronologisch vor "Der Rachefeldzug" spielen nach wie vor die "neuen" Uniformen.
Wundervollste Szene: O'Brien versucht seinen ehemaligen Captain Maxwell zum Aufgeben zu bewegen und beide singen das traurige Lied vom Sängerknaben, der in den Krieg zieht und dort außer dem Tod nichts findet, was ihm vorher versprochen wurde.
Eine wundervolle Episode, die ganz auf große Spezialeffekte verzichtet, einen neuen und nachhaltig ebenbürtigen Gegner einführt und zugleich tiefere Einblicke in die Rolle von Chief O'Brien erlaubt, was quasi als Vorbereitung zu betrachten ist für seine spätere Hauptrolle in Deep Space Nine. Diese Episode ist ein Plädoyer für den Frieden, für Diplomatie und Verständigung und gegen Rache und Selbstjustiz. Dass die Cardassianer trotz des Friedensabkommens keine Engel sind, stellt sich erst später heraus
10/10