@wrm ich habe Deine Doppelseite inzwischen 3x gelesen und 1x drüber geschlafen. Deinem Worten ist nichts hinzu zu fügen und keine einzige Silbe überflüssig.
Ich habe als Selbständiger ebenfalls die Delle im ersten Lockdown knallhart erlebt und von heute auf morgen keine Aufträge mehr gehabt - nix ging mehr. Bis ca. Juni. Seitdem erholt es sich. Und dennoch habe ich nen klaren Kopf behalten, Ruhe bewahrt und mit viel Empathie aber auch Ratlosigkeit und Respekt vor den Regierenden und der Unglaublichkeit der Last, die völlig unvorbereitet auf ihnen lag, akzeptiert, dass es im Ergebnis keine wirkliche Alternative zu den getroffenen Maßnahmen gibt - auch wenn die Umsetzung sicherlich nicht immer optimal war/ist, aber von welcher historischen Bedienungsanleitung "Pandemiebekämpfung in demokratischen Staaten unter Wahrung der Bürgerrechte" sollte man sich auch bedienen, wenn man eben nicht mal wie in China ganze Provinzen einsperren will?
Was mich aber ebenso wie Dich sehr beschäftigt ist die Frage nach dem "danach". Wie begegnet man Menschen, die sich seit März 2020 immer mehr dem Frust, Hass, Verschwörungstheorien, Menschenverachtung etc. hingeben? Um einen blöden Vergleich zu ziehen (mir fällt spontan kein besserer ein): Wird es eine Art "Entnazifizierung" geben? Und ab 2022, wenn alle wieder "frei atmen" können, sich niemand mehr wegen des Tragens von Masken wie Sophie Scholl fühlt, es keinerlei "Einschräkungen der Menschenrechte" mehr geben und es womöglich keine "Corona-Diktatur" mehr zu hassen gibt - wird man dann den großen Mantel des Schweigens über 2020/21 hüllen, und wer sich damals wo/wie geäußert hat? Kann man einfach so weiter machen, wenn man Menschen in einer gesellschaftlichen Extremsituation so erlebt hat, wie man sie eigentlich nicht erleben möchte?
Jon Schaffer kann ich gut ignorieren. Den kenne ich nicht persönlich und seine Musik lege ich einfach nicht mehr auf. Auch mit meinen teilweise recht wirren Mandanten muss ich nicht über Corona sprechen. Aber was ist mit Freunden/Bekannten in sicherer Festanstellung, die immer mehr in einen difusen Hass (nicht mal Coronaleugnung - einfach nur Wut, Gleichgültigkeit durch Gewöhnung an die Dauerausnahmesituation und Lagerkoller) abdriften, obwohl sie doch maximal ins Kurzarbeitergeld rutschen und weit davon entfernt sind existenziell bedroht zu sein, wenn sie entweder im Homeoffice oder freigestellt zuhause behütet sitzen dürfen? Es sind zum Glück nicht viele, aber bis zum Sommer(?) können ja noch weitere abdriften und es sind teilweise über viele, viele Jahre sehr lieb gewonnene Menschen.
Ja, diese Frage treibt mich echt um... danke, dass Du u.a. diesen Gedanken aufgegriffen hast.
P.S. Ach so... und danke, dass ich mein Heft immer schon donnerstags im Briefkasten habe