Anadolu Rock - Rockmusik (und mehr) aus der Türkei

kingrandy

Moderator
Roadcrew
Prolog:

Der/dem aufmerksamen Leser*in ist vielleicht schon aufgefallen, dass ich seit geraumer Zeit eine gewisse Vorliebe für Musik aus der Türkei entwickelt habe. Das liegt daran, dass meine Frau türkische Wurzeln hat und mich irgendwann mit der Musik dieses Landes infiziert hat. Vorher kannte ich nur die türkischen Popsongs, die auch in Deutschland in den Charts vertreten waren, nämlich ‘Hadi Bakalım’ von SEZEN AKSU (1991) und die beiden TARKAN-Hits ‘Şımarık’ (1997) und ‘Şıkıdım’ (1998) - die alle drei bereits einen gewissen Reiz auf mich ausübten. Der nächste Kontakt, den ich mit Musik aus der Türkei hatte, waren die Heavy Metaller PENTAGRAM aka MEZARKABUL, die 1997 das Album “Anatolia” veröffentlichten, hierzulande kam es 1998 über Century Media und der Titeltrack war damals auf einer der RH-Dynamit-CDs. Gefiel mir auch gut, machte mich aber nicht zum Fan der Band.

Zeitsprung, 20 Jahre später. Ich lerne 2017 meine jetzige Frau kennen, wir kommen zusammen und es kommt, wie es kommen muss. Mir fällt auf, dass die türkische Musik, die sie oft und gerne hört (sie ist ansonsten auch Metallerin), mir auch zunehmend gefällt. Also fange ich an, in eine für mich weitestgehend neue musikalische Welt einzutauchen. Neu deshalb, weil Musik aus der Türkei in den meisten Fällen etwas sehr Eigenes mit sich bringt. Und zwar eine gewisse Schwermut und Melancholie, die ich in dieser Form noch nicht kannte. Und das spricht mich natürlich sofort an. Zugegeben, hier und da driftet das auch mal ins Kitschige ab, aber ich kann auch nicht verheimlichen, dass ich ein Faible für ein gewisses Maß an Kitsch habe. Ich bin kein Musiker und kenne mich mit Musiktheorie nicht sonderlich aus, aber irgendwann ist mir aufgefallen, dass die Wirkung, die türkische Musik auf mich hat, auch daran liegt, dass gerne mal "Rückwärts-Tonleitern-in-Moll" verwendet werden.

Relativ wenig Interesse habe ich an türkischer Musik, die einfach nur nach "normaler" Musik mit türkischen Texten klingt - auch wenn ich die türkische Sprache inzwischen liebe und es auch da Ausnahmen gibt. Für mich muss türkische Musik, egal ob es Metal, Rock oder Pop ist, auch wirklich türkisch sein, indem sie die entsprechenden Harmonien mit sich bringt oder auch das typische Instrumentarium und somit dieses spezielle Gefühl in mir auslöst.

So ziemlich jeder dürfte den "missionarischen Eifer" kennen, den ein Musikliebhaber irgendwann verspürt. Und so kam ich irgendwann auf die Idee, diesen Thread zu eröffnen. Vielleicht kann ich ja die/den eine/n von euch für die Musik, die ich inzwischen wirklich sehr liebe, begeistern. Und wenn nicht, dann habe ich zumindest nicht mehr den Druck dieses missionarischen Eifers auf mir lasten. :D

Ich werde also peu à peu diejenigen Bands und Künstler*innen, die es mir besonders angetan haben, mit entsprechenden Songbeispielen vorstellen.

Der Begriff "Anadolu Rock" ist der Oberbegriff für typisch türkische Rockmusik und entstand bereits in den 70ern. Zu der Zeit hatte Psychedelic und Progressive Rock in der Türkei einen hohen Stellenwert. Viele der damaligen Protagonisten kenne und liebe ich inzwischen auch, auch wenn ich mich bisher eher mit einzelnen Songs und nicht den kompletten Alben befasst habe, weil mir dafür bislang auch die Zeit fehlte. Es gibt also auch für mich noch viel zu entdecken.

Inhaltsverzeichnis:
DEDUBLÜMAN
ŞEBNEM FERAH
ALTIN GÜN
DER CLUB / KULÜP (Netflix-Serie)
BARIŞ MANÇO
ADAMLAR
 
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DEDUBLÜMAN

dedu.jpg


Los geht es mit einer Band, die unser Mitbewohner mal recht passend als "türkische Brüder von Villagers Of Ioannina City" bezeichnet hat - wobei DEDUBLÜMAN musikalisch deutlich massentauglicher daher kommen. Die 2010 gegründete Band aus Trabzon (Nordosten, am Schwarzen Meer) spielt Alternative Rock, dessen besonderes Merkmal die Verwendung der "G-Klarinette", die auch als "türkische Klarinette" bezeichnet wird, ist. Weiteres besonderes Merkmal ist der extrem eigenständige, leicht nasale Gesang von Sänger Mustafa Yavuz. Leider hat sich die Band anscheinend dem unschönen "Trend", keine Alben, sondern nur Singles zu veröffentlichen, verschrieben und somit muss man ihre Musik zwangsweise digital hören. Das tun bei Spotify ca. 4,6 Millionen Menschen im Monat und auch die Aufrufzahlen bei YouTube sind bisweilen beachtlich.

Einer ihrer besten, repräsentativsten und auch vergleichsweise härtesten Songs ist ‘Çözemezsin’, hier das Video dazu:


Mit der etwas ruhigeren, elektronischeren Nummer ‘Belki’ ist der Band letztes Jahr ein Riesenhit in der Türkei gelungen, das Lyricvideo zur akustischen Version hat inzwischen 68 Millionen Klicks auf YouTube, unterscheidet sich aber nicht so sehr vom Original, zu dem es dieses Video gibt:


Außerdem hat die Band ein besonderes Händchen für Coverversionen klassischer türkischer Songs. So ist zum Beispiel ihre Intepretation des Songs ‘Gamzedeyim Deva Bulmam’, geschrieben vom osmanischen Komponisten Tatyos Efendi (* 1855 in Istanbul; † 16. März 1913) und 1980 von Barış Manço neu aufgenommen, wirklich bewegend:


Und auch Sezen Aksus Klassiker ‘Firuze’ haben sie gekonnt ihren eigenen Stempel aufgedrückt:


Weitere Links:
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Tolle Thread-Idee, werd ich aufmerksam verfolgen. Bin in dem Thema bislang gar nicht drin, aber habe mich dieses Jahr mal ein bisschen mit der Musik von Haluk Levent beschäftigt, nachdem Kerem von Imha Tarikat eines seiner Alben im DF als für ihn wichtige Platte vorgestellt hat. Fand ich gut. Finde die Sprache allgemein sehr schön anzuhören und habe diesen Sommer auch selbst angefangen, sie mittels App ein wenig zu lernen (bin leider noch nicht sehr weit gekommen). Dedublüman werde ich mir auf jeden Fall mal aufmerksam anhören, find ich auf Anhieb sehr ansprechend.
 
Finde die Sprache allgemein sehr schön anzuhören und habe diesen Sommer auch selbst angefangen, sie mittels App ein wenig zu lernen (bin leider noch nicht sehr weit gekommen).

Ich hatte auch mit der Babbel-App angefangen, das hat zum Einstieg gut geklappt. Jetzt bin ich allerdings an einem Punkt, wo ich in der App nur noch Vokabeln lernen würde und keine Grammatik mehr - und die ist im türkischen extrem wichtig. Habe zwar auch zwei Lernbücher von Pons hier, aber ich müsste mich mal wieder dahinterklemmen. Wobei ich natürlich auch den großen Vorteil einer eigenen Privatlehrerin hier zuhause habe. :D
 
Schöner Thread, ich bin schon gespannt, was da noch an Tipps kommt!

Auf Musik aus der Türkei bin ich erstmals Anfang/Mitte der 2000'er bei einem Istanbulurlaub gestoßen; Plattenhändler und Urlaubsbekanntschaften haben mich damals mit reihenweise "Musst du hören!"-Empfehlungen überschüttelt und ich bin mit einer Reisetasche voller auf gut Glück zusammengekaufter CDs zurückgereist.
Und ebenfalls Mitte der 2000er kam der (immer noch sehr empfehlenswerte) Film "Crossing The Bridge" von Fatih Akin in die Kinos. Das war ein stimmungsvoller und weitgefächerter Einblick in die Musikszene Istanbuls, der hat mich u.a. auf Baba Zula gebracht, die ich seitdem, wann immer es geht, live gucke.
Einmal durfte ich danach Sezen Aksu mit großem Orchester live erleben. Das war schon ein Erlebnis, diese unglaubliche Liebe und Verehrung des Publikums für die Sängerin zu erleben - eine echte Messe.


Gar nicht aus der Türkei, sondern aus Hamburg (inzwischen Berlin), mit Bandmitgliedern aus England und Frankreich (?) kommt eine meiner Lieblingsmusikerinnen der letzten Jahre: Derya Yıldırım & Grup Şimşek.

Derya ist eine tolle Sängerin und Bağlamaspielerin (türkische Langhalslaute), und die Musik mit ihrer Band ist eine Art Psychedelic Rock/Folk, gemischt mit traditioneller anatolischer Folkmusik, Anadolu Rock meinetwegen.
Live absolut mitreissend und ergreifend, und ihre Platten sind ausnahmslos empfehlenswert, z.B. diese hier:

 
Schöner Thread, ich bin schon gespannt, was da noch an Tipps kommt!

Auf Musik aus der Türkei bin ich erstmals Anfang/Mitte der 2000'er bei einem Istanbulurlaub gestoßen; Plattenhändler und Urlaubsbekanntschaften haben mich damals mit reihenweise "Musst du hören!"-Empfehlungen überschüttelt und ich bin mit einer Reisetasche voller auf gut Glück zusammengekaufter CDs zurückgereist.
Und ebenfalls Mitte der 2000er kam der (immer noch sehr empfehlenswerte) Film "Crossing The Bridge" von Fatih Akin in die Kinos. Das war ein stimmungsvoller und weitgefächerter Einblick in die Musikszene Istanbuls, der hat mich u.a. auf Baba Zula gebracht, die ich seitdem, wann immer es geht, live gucke.
Einmal durfte ich danach Sezen Aksu mit großem Orchester live erleben. Das war schon ein Erlebnis, diese unglaubliche Liebe und Verehrung des Publikums für die Sängerin zu erleben - eine echte Messe.


Gar nicht aus der Türkei, sondern aus Hamburg (inzwischen Berlin), mit Bandmitgliedern aus England und Frankreich (?) kommt eine meiner Lieblingsmusikerinnen der letzten Jahre: Derya Yıldırım & Grup Şimşek.

Derya ist eine tolle Sängerin und Bağlamaspielerin (türkische Langhalslaute), und die Musik mit ihrer Band ist eine Art Psychedelic Rock/Folk, gemischt mit traditioneller anatolischer Folkmusik, Anadolu Rock meinetwegen.
Live absolut mitreissend und ergreifend, und ihre Platten sind ausnahmslos empfehlenswert, z.B. diese hier:

Baba Zula habe ich tatsächlich erst kürzlich kennengelernt, fand ich auch sehr cool. Derya Yıldırım & Grup Şimşek sind mir auch schon in einer Spotify-Playlist übern Weg gelaufen, wahrscheinlich in der "Psych Türk"-Playlist. Werde ich auch nochmal genauer reinhören, danke.

Und um das Konzerterlebnis von Sezen Aksu mit Orchester beneide ich dich sehr. :)
 
Oh toll, hier werde ich gern mitlesen. :) Die Türkei wirkt aus der Ferne (ich war nur mal mit vier oder fünf dort, das zählt nicht) mit ihrer Musik, Kulinarik, der schönen Sprache und vielen anderen Dingen wie ein sehr interessantes und sehr entdeckenswertes Land auf mich. Nächstes Jahr wären wir sehr gern hingegangen, aber solange der Verrückte dort herrscht, lassen wir es wohl bleiben ... Danke auf jeden Fall für die bisherigen Tipps, die mir schon mal sehr gut gefallen.

Eine Band kann ich hier auch beitragen: die in letzter Zeit recht gehypten Altın Gün. Strenggenommen keine türkische, sondern niederländische Band, mit teilweise türkischen oder türkischstämmigen Mitgliedern. Kennengelernt in einem türkischen Restaurant, wo sie liefen und sofort gesoundhounded wurden. Hier das Debut: https://altingunband.bandcamp.com/album/on

Ob die stilistisch so richtig hier reinpassen, weiss ich allerdings nicht, dafür kenne ich mich zu wenig aus.
 
Oh toll, hier werde ich gern mitlesen. :) Die Türkei wirkt aus der Ferne (ich war nur mal mit vier oder fünf dort, das zählt nicht) mit ihrer Musik, Kulinarik, der schönen Sprache und vielen anderen Dingen wie ein sehr interessantes und sehr entdeckenswertes Land auf mich. Nächstes Jahr wären wir sehr gern hingegangen, aber solange der Verrückte dort herrscht, lassen wir es wohl bleiben ... Danke auf jeden Fall für die bisherigen Tipps, die mir schon mal sehr gut gefallen.

Eine Band kann ich hier auch beitragen: die in letzter Zeit recht gehypten Altın Gün. Strenggenommen keine türkische, sondern niederländische Band, mit teilweise türkischen oder türkischstämmigen Mitgliedern. Kennengelernt in einem türkischen Restaurant, wo sie liefen und sofort gesoundhounded wurden. Hier das Debut: https://altingunband.bandcamp.com/album/on

Ob die stilistisch so richtig hier reinpassen, weiss ich allerdings nicht, dafür kenne ich mich zu wenig aus.

Altın Gün hab ich auf dem Zettel. :)
 
Passt vermutlich nur so halb hier her, und ich hab die Doku selber noch nicht gesehen (als ich wollte, lief das Video nicht, jetzt geht's aber offenbar wieder), aber über den Film "Songs of Gastarbeiter - Liebe, D-Mark und Tod" hab ich bei seinem Kinostart viel Positives gelesen. Und den gibt's aktuell in der arte-Mediathek:


Ist sicher nicht der Fokus dieses Threads, aber könnte für den einen oder die andere hier Mitlesende ja doch interessant sein.
 
Passt vermutlich nur so halb hier her, und ich hab die Doku selber noch nicht gesehen (als ich wollte, lief das Video nicht, jetzt geht's aber offenbar wieder), aber über den Film "Songs of Gastarbeiter - Liebe, D-Mark und Tod" hab ich bei seinem Kinostart viel Positives gelesen. Und den gibt's aktuell in der arte-Mediathek:


Ist sicher nicht der Fokus dieses Threads, aber könnte für den einen oder die andere hier Mitlesende ja doch interessant sein.

Oh super, den Film hatte ich im Kino leider verpasst und mich danach mächtig geärgert.
 
Passt vermutlich nur so halb hier her, und ich hab die Doku selber noch nicht gesehen (als ich wollte, lief das Video nicht, jetzt geht's aber offenbar wieder), aber über den Film "Songs of Gastarbeiter - Liebe, D-Mark und Tod" hab ich bei seinem Kinostart viel Positives gelesen. Und den gibt's aktuell in der arte-Mediathek:


Ist sicher nicht der Fokus dieses Threads, aber könnte für den einen oder die andere hier Mitlesende ja doch interessant sein.

Gestern geguckt, sehr interessant, aber auch mitunter bedrückend...
 

ŞEBNEM FERAH​

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Ein besonderes Faible habe ich für türkische Sängerinnen, denn sehr viele von ihnen haben eine kraftvolle, eher tiefe Stimme - helle "Pieps"stimmen findet man in der türkischen Musik eher selten. Und einer meiner liebsten Sängerinnen ist Şebnem Ferah, die 1972 in Yalova (südöstlich von Istanbul) geboren wurde und in einer musikalischen Familie aufwuchs. 1988 gründete sie die All-Girl-Hardrock-Band VOLVOX, die sich aber 1994 auflöste. Seit 1996 ist sie als Solokünstlerin unterwegs und hat seitdem acht Studioalben veröffentlicht, das neunte kommt 2024. Şebnems Musik liegt - je nach Album - zwischen Rock und Hardrock und punktet mit tollem Songwriting, vor allem aber mit ihrer sensationellen, kräftigen Stimme, die gleichzeitig einen verletzlichen Unterton hat. Das "türkische Element" in ihrer Musik ist vor allem die typische Dramatik und Emotionalität, weniger die Tonfolgen oder entsprechende Instrumente. Ihre ersten beiden Alben wurden von Demir Demirkan, der Ex- und Live-Gitarrist von PENTAGRAM ist, produziert, außerdem singt sie bei der Akustikversion von ‘Anatolia’ auf deren 2017er “Akustik”-Album mit. Und in ihrer Liveband finden sich ebenfalls (ehemalige) Musiker von PENTAGRAM.

Von den acht Studioalben sind tatsächlich alle empfehlenswert, die ersten drei Alben sind etwas "poppiger". Nach den ersten fünf Alben erschien 2007 das Livealbum “10 Mart 2007 İstanbul Konseri”, mit dem darauf enthaltenen Auftritt feierte sie ihr 10-jähriges Jubiläum. Das ist ein guter Einstieg, auch wenn die Show mit Orchester stattfand. Das verwässert die Musik jedoch nicht, sondern ist gut integriert. Vor allem zeigt sich hier aber, wie gut sie auch live singt. Und was ebenfalls besonders - und typisch türkisch - ist: das Publikum singt im Grunde genommen die ganze Zeit mit. Die Menschen dort haben eine viel größere Musikbegeisterung und gehen bei Konzerten viel mehr mit. Ich bekomme da schnell eine Gänsehaut. Die komplette Show kann man sich hier anschauen.

Hier ein paar Songs zum Antesten:

‘Can Kırıkları’, der Titeltrack ihres fünften Albums von 2005 ist eine dramatische Nummer mit laut/leise-Dynamik, bei der sie eindrucksvoll zeigt, was sie stimmlich drauf hat.


Wenn ich eine Doom-Band hätte würde ich den Titelsong ihres siebten Albums “Od” (2013) covern:


Ich liebe es, wenn in einem Song ein Akkordeon gekonnt eingesetzt wird, so wie in ‘Yalnız’, vom sechsten Album “Benim Adım Orman” (2009):


Und hier noch ‘Yağmurlar’, die Gänsehautballade vom ersten Album “Kadın”:


Ihre Alben sind nur in der Türkei auf CD erschienen und deshalb muss man ein bisschen suchen, um sie zu einem vernünftigen Kurs zu bekommen. Den Onlineshop, wo ich mal welche bestellt hatte, gibt es leider nicht mehr.

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Erkin Koray: Erkin Koray (1973, Türkei)

Tja, ich dachte bis eben, das hier wäre abgefahrenes Folk-Prog-Gemische...
Erkin Koray gilt als Mitbegründer des "Anatolian Rock" und ich habe ja auch im Metal eine Schwäche für so authentische Folkeinflüsse, die ja leider dann oft in so eine Methorn-Schunkelscheisse mutieren. Das ist hier natürlich nicht der Fall. Ich weiß nicht so viel über das Album, außer dass es laut Discogs über ein kleines Label in Istanbul veröffentlicht wurde, allerdings ohne Autorisierung des Künstlers.
Ich liebe das Album, ist sicherlich eines der Alben, das in den letzten Monaten (seit der Entdeckung halt) zusammen mit Le Orme und Konsorten am häufigsten abends bei mir gelaufen sind. Es ist sehr folkig, aber auch rockig und progressiv. Und düster. Das Ende des dritten Songs "Yagmur" zum Beispiel hält auch einiges an Dunkelheit für die geneigte Hörerschaft bereit.
"Silinmeyen hatiralar" im Anschluss bietet ziemlich psychedelischen Sound, der, sollte Herr Tarantino jemals dieses Album hören, mit Sicherheit in einem seiner Filme vorkommen wird. Das folgende "Istenem" ist ein kreischiger Psych-Hit. Somit entwickelt sich eine Bandbreite, der diese herrlich sehnsüchtige Grundstimmung zugrunde liegt, die diese Art von Musik irgendwie immer auf mich ausübt. Außerdem ist Herr Koray auch ein sehr guter Sänger und Songwriter, das ziemliche Hits. Alleine "Kizlari da alin askere"!
Ich fasse noch ein bisschen was von Wikipedia zusammen: Er lernte an einem Istanbuler Konservatorium Piano und entdeckte dann in Teenageralter die Rockmusik, so dass er aus beiden Welten Ideen fusionerte. Laut Discogs sind leider einige Veröffentlichungen ohne Einverständnis des Künstlers entstanden und er war wohl lange verkannt in der Türkei und veröffentlichte dann sogar recht viel auf deutschen Verlagen. In "Crossing The Bridge-The Sound Of Istanbul" würdigte der Regisseur Fatih Akin sein schaffen und ließ ihn zu Wort kommen.
Das darauffolgende "Elektonik Türküler" -Album ist etwas opulenter und würde vielleicht sogar besser hier in den Thread passen, aber das Debüt mag ich noch etwas mehr. Die letzte Veröffentlichung ist von 1999, keine Ahnung, ob er noch aktiv ist, mittlerweile ist er auch 81 Jahre alt.

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Ich hatte im Prog-Teil mal einen Post zu Erwin Koray erstellt, vielleicht passt das auch für Dich. Meines Wissens war er schon eine Art Vorreiter dieser Art Musik in der Türkei.
Hier nochmal ein Link: https://www.youtube.com/watch?v=mo6bLXH3jB8


Hier noch ein fantastisches Video aus dem türkischen Fernsehen: https://www.youtube.com/watch?v=F-k_Fr67bPQ
 
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ALTIN GÜN

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Weiter geht es mit den bereits von @Rada erwähnten ALTIN GÜN - die übrigens schon zweimal in unserem Heft vorkamen, denn Kollege Köhler hatte ihr Debütalbum “On” (2018) und ihr aktuelles Album “Aşk” (2023) jeweils im Jahrespoll. Zwar kommt die Band aus den Niederlanden, aber gehört trotzdem in diesen Thread, denn ihre Musik ist durch und durch türkisch und weil mit Sängerin Merve Daşdemir und Keyboarder, Sänger und Saz-Spieler Erdinç Ecevit Yıldız zwei türkischstämmige Musiker*innen an Bord sind, ist das Ganze auch entsprechend authentisch. Streng genommen sind ALTIN GÜN "nur" eine Coverband, denn sie machen nichts anderes, als türkische Volkslieder und Klassiker des "Anadolu Rock" in ein retro-modernes Soundgewand zu packen. Das machen sie jedoch so gut, dass sie inzwischen eine Grammy-Nominierung innehaben, weltweit auf Tour gehen und auch das Coachella Festival gespielt haben. Fun fact: meine Frau, die ihr ganzes Leben mit türkischer Musik verbracht hat, mag die Band zwar auch, manchmal ist ihr das jedoch zu viel Volksmusik.

Kommen wir zu den Hörbeispielen: ‘Goca Dünya’ (Original von Abdullah Nail Bayşu und Rhan Gencebay), erste Single, toller Song, toll gespielt, toll gesungen:


Performancevideo des türkischen Volkslieds ‘Badi Sabah Olmadan’, auch Opener des aktuellen Albums, bei dem Erdinç singt:


Video zum Song ‘Yüce Dağ Başında’ (ebenfalls ein Volkslied) vom dritten Album “Yol”, dessen Sound ein bisschen 80er-Pop-lastiger mit mehr Synthies ausfällt:


Lyricvideo zu ‘Süpürgesi Yoncadan’ von Mehmet Emmi, Single vom zweiten Album "Gece":


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Ach so: wenn eine/r von euch in dem Thema schon "drin" ist, nehme ich natürlich liebend gerne Tipps und Empfehlungen entgegen.

Toller Thread - leider eben erst entdeckt. Ich stimme da vollkommen mit Dir überein, diese Musik hat generell eine ganze Menge interessantes.
Los ging das bei mir (bitte nicht lachen) mit Hakki Bulut. Tarkan war mir zu "wesentlich orientiert", mainstreamig und auch austauschbar.

Ich werde hier gerne mal öfters reinschauen und mir Tipps holen.

Unangenehm: Ich hatte gestern das Demotape einer türkischen Black Metal-Band entdeckt und mich gefragt, ob das wirklich ernst gemeint (und letztendlich nicht sogar böse Folgen für die Urheber haben könnte).

Kannst ja mal was zu schreiben, wenn Du magst bzw. aus Deinen Erfahrungen sprechen. Ich hab hier zwar auch einige Freunde/Kumpel/-innen mit entsprechenden Wurzeln, aber das ist eher ein Reizthema.
 
Meine persönlichen Favoriten aus der Türkei sind die Darkwave/Goth Rocker She Past Away

Gegründet 2006 in Bursa und stark beeinflusst von 80er Sachen wie Sisters Of Mercy oder Joy Division. Mittlerweile haben sie 3 grossartige Studioalben aufgenommen, aber auch das Remix-Album "X", auf dem Genregrössen wie Boy Harsher, The Soft Moon, Front 242 oder Lebanon Hanover den She Past Away-Songs ihren eigenen Stempel aufdrücken, ist empfehlenswert.

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Super Threadidee. Ich habe - ohne mich in dem Bereich auch nur ansatzweise auszukennen - eine Neigung zu griechischer Rembetiko-Musik, die ja eine Kreuzung aus griechischer und türkischer Musiktradition ist. Der Nerv, der bei Rembetiko vibriert, hat nun auch bei Altin Gün sofort zu beben begonnen. Werde das, was hier passiert, gespannt verfolgen (ohne selbst was beitragen zu können).
 
Unangenehm: Ich hatte gestern das Demotape einer türkischen Black Metal-Band entdeckt und mich gefragt, ob das wirklich ernst gemeint (und letztendlich nicht sogar böse Folgen für die Urheber haben könnte).

Kannst ja mal was zu schreiben, wenn Du magst bzw. aus Deinen Erfahrungen sprechen. Ich hab hier zwar auch einige Freunde/Kumpel/-innen mit entsprechenden Wurzeln, aber das ist eher ein Reizthema.

Um welche Band geht es und warum empfandest du das als unangenehm?

Aufgrund meiner persönlichen Beziehung zum Land freue ich mich natürlich immer, wenn ich eine gute Metalband aus der Türkei finde (wie z.B. dieses Jahr Serpent Of Old), wirklich interessant wird es für mich aber erst dann, wenn die Band auch türkisch klingt und nicht nur nach "normalem" Metal.
 
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