Dune: Part One
Der Wüstenplanet Arrakis im Jahre 10191. Eine scheinbar tote Ödnis bedeckt mit Sand so weit das Auge reicht. Hier herrschen Sandstürme, dessen kinetische Energie sogar Metall zerbersten lässt. Die einzigen sichtbaren Lebewesen die hier existieren sind riesige Sandwürmer, die bis zu vierhundert Meter groß werden können und alles verschlingen, was rhythmische Geräusche auf dem Sand hinterlässt. Ausgerechnet hier, an diesem unwirtlichen Ort befindet sich das im Universum einzige Vorkommen der wichtigsten Ressource überhaupt. Das Spice. Um jenes zu gewinnen, wurde vor achtzig Jahren dem Haus Harkonnen dieser Planet als Lehen überlassen. Sie herrschen dort mit eiserner Hand und unterdrücken das einheimische Wüstenvolk der Fremen. Nun aber soll Frieden auf Arrakis einkehren und zu diesem Zwecke beauftragt der Imperator das mächtige Haus Atreides damit, die Harkonnen abzulösen. Ein Konflikt scheint unausweichlich und mittendrin befindet sich der begabte Junge Paul, der eine Rolle aufgedrückt bekommt, die er niemals übernehmen wollte.
An Frank Herberts Science Fiction Klassiker „Dune: Der Wüstenplanet“ biss sich schon so mancher die Zähne aus. Sei es Alejandro Jodorovski, der nicht einmal mit dem Dreh beginnen konnte, David Lynch, der mit seinen kruden Ideen und dem Zwang das komplette erste Buch in einen Film zu pressen von vorn bis hinten scheiterte oder auch die Serien zu den ersten drei Büchern, die an miesen Effekten und Kostümen litten, die eher nach einer albernen Karnevalsveranstaltung aussahen. Nun aber versucht sich, mit dem Frankokanadier Denis Villeneuve, einer der aktuell besten Regisseure Hollywoods an dem Stoff.
Villeneuve, der bereits mit seinem beiden vorangegangenen Filmen „Arrival“ und „Blade Runner 2049“ das Science Fiction Genre mit seiner besonderen Stilistik bereicherte, beweist einmal mehr sein Gespür für tiefsinnige Erzählungen und große Momente.
Das Wort „Groß“ trifft es hier übrigens verdammt gut. Denn selten hat man im Kino solch gewaltigen Bilderwelten sehen dürfen. Brutalistische Gebäude und Raumschiffe, zwischen denen die Menschen wie winzige Ameisen aussehen und weite Flächen, riesige Hallen und weitläufige Korridore, in denen die Figuren beinahe verloren wirken, bestimmen, die Optik des Filmes. Die Bilder, die Kameramann Gregg Frasier hier einfängt, hat man so noch nie gesehen. Sowohl durch die Entscheidung größtenteils auf den Greenscreen zu verzichten und an realen Orten zu drehen, als auch Miniaturmodelle der riesigen Städte anzufertigen und diese abzufilmen, entsteht ein äußerst realistisch greifbarer Look, in dem sich die Computereffekte wunderbar einfügen. Doch ist es nicht nur die grandiose Bildästhetik die „Dune“ auszeichnet, es ist auch die Art und Weise wie es Regisseur Villeneuve durch seine Inszenierung schafft den Zuschauer in diese mysteriöse, fremdartige Welt zu ziehen. Er verschafft diesem Blockbuster eine Ästhetik, die man sonst eher vom Arthouse Kino gewohnt ist und bringt somit einen gewissen metaphorischen Anspruch in den Film, ohne jedoch den Zuschauer zu überfordern. Ebenso erzeugt er mithilfe des sowohl stilistisch interessanten als auch verdammt brachialen Soundtracks Hans Zimmers eine dichte, relativ düste Atmosphäre, die von Anfang an zu packen weiß.
Auch die zwingend notwendige Exposition funktioniert im Zusammenspiel mit einer, für Blockbuster untypischen, ruhigen Erzählweise. Man findet die richtige Balance zwischen Exposition in Gesprächen der Figuren und dem „Show, don't tell“ Prinzip. Es reichen teilweise nur kurze, aber dafür starke Szenen um die Beziehungen zwischen den Charakteren offenzulegen und die Darsteller schaffen es durch nur kleine gestische oder mimische Feinheiten ihre Gedanken darzustellen.
Generell muss man festhalten, dass „Dune“ durch die Bank weg grandios besetzt wurde. Allen voran überzeugt der junge Timothée Chalamet in der Hauptrolle als Paul Atreides. Sein Gesicht liest sich wie ein Buch und er strahlt fast durchgehend die immense Unsicherheit und Einsamkeit aus, die er aufgrund seiner aufgezwungenen Rolle als Pseudo-Messias und Thronfolger der Atreides verspürt.
Er allein könnte im Prinzip den kompletten Film tragen, doch haben wir es hier mit einem Schauspielerensemble zu tun, das seinesgleichen sucht. Sei es Rebecca Ferguson, die Lady Jassicas innere Zerrissenheit zwischen ihren Pflichten für den Bene Gesserit Orden und ihrer Liebe zu ihrem Sohn Paul und Leto jederzeit grandios rüberbringt, Stellan Skarsgård der mit seiner Leinwandpräsenz nur wenige kurze Sätze benötigt, um die Bosheit und Bedrohlichkeit des Antagonisten Baron Vladimir Harkonnen greifbar zu machen, Oskar Isaac als liebevoller Vater und ehrbarer Herzog Atreides oder auch Jason Momoa als sympathische Kampfmaschine. Jede noch so kleine Rolle ist grandios besetzt.
Ideologisch betrachtet kommt „Dune“ zu der genau richtigen Zeit. Das tragische Scheitern der westlichen, militärischen Intervention in Afghanistan offenbart einen Machtverlust, den Autor Frank Herbert bereits in seinem Originalroman thematisierte. Gleichzeitig sehen wir hier aber auch eine generelle Kritik am Kapitalismus mit seiner ausbeuterischen Natur, sowohl was natürliche Ressourcen als auch Menschen betrifft. Hier sollte man sich keine Illusionen machen. Zwar sind die Harkonnen brutale Mörder, die ihren Vorteil um jeden Preis durchsetzen wollen, doch sind die Atreides in der Geschichte auch keine Helden in goldener Rüstung, die das einheimische Volk befreien möchten. Sie sind eben nur gütigere, menschlichere Ausbeuter und das wird auch ganz klar so formuliert. Leto interessieren weniger die Schicksale der Menschen als viel mehr ihre „Wüstenmacht“.
Hier spielt ein weiterer Bezug eine wichtige Rolle.
Menschen entwickeln in unsicheren Zeiten, starke Zukunftsängste und innere Unsicherheiten. Dies führt laut dem Soziologen Wilhelm Heitmeyer dazu, dass die sogenannte Ambiguitätstoleranz in der Bevölkerung immer weiter abnimmt, wodurch immer mehr Menschen auf die leeren Versprechungen falscher Propheten hereinfallen. In unserer Realität zeichnet es sich dadurch aus, dass rechtsextreme, populistische Parteien immer mehr Wähler mobilisieren können und insbesondere auch dadurch, dass sich immer mehr Menschen dubiosen Verschwörungsideologen anschließen.
Die Bene Gesserit nutzen diese Unsicherheiten im Volk der einheimischen Fremen aus, um die falsche Prophezeiung des „Lisan Al Gaib“ der „Stimme der Aussenwelt“ zu sähen. Diese Prophezeiung trifft natürlich nicht zufällig genau auf Paul zu, so wird er doch von der geheimnisvollen Schwesternschaft als ihr Machtwerkzeug Nummer eins angesehen. Durch den gestreuten Aberglauben erhofft man sich würden sich die Fremen leichter beherrschen und ausbeuten lassen. Dies alles wird in einer solchen Klarheit dargestellt, wie es für solche Filme eher untypisch ist.
Dune ist also keine Geschichte eines Auserwählten, sondern ein klarer Gegenentwurf zu solch fatalistischen Erzählungen und eine interessante Parallele zu unserer heutigen Wirklichkeit.
Negative Kritikpunkte bei diesem Film zu finden ist keine leichte Aufgabe, wenngleich der größte Elefant im Raum unübersehbar ist. „Dune“ ist nur die Verfilmung des ersten Teils des ersten Buches. Das hat zur Folge, dass der Film antiklimaktisch endet. Was wiederum bedeutet, dass die Geschichte quasi mittendrin vorbei ist und es kein wirkliches Finale gibt. Viele der Handlungsstränge werden erst in einem zweiten Film fortgesetzt, wodurch ein Cliffhänger entsteht, der eher typisch für moderne Serien wie „Game Of Thrones“ ist, aber nicht für einen Kinofilm. Davon ab könnte man sich als Fan spektakulärer Actionszenen wünschen, dass Villeneuve die seinen etwas mehr auskostet und vielleicht auch etwas drastischer inszenieren würde. Hier und da merkt man dem Film die geringe Altersfreigabe durchaus an. Das ist allerdings Kritik auf sehr hohem Niveau.
Dune ist nicht nur ein grandioser Film, sondern auch ein spektakuläres Kinoerlebnis, das man sich nicht entgehen lassen sollte. Die letzten Worte im Film lauten „Das ist erst der Anfang“. Sowohl für uns Filmfreunde als auch für das Blockbusterkino an sich kann man nur hoffen, dass dies der Wahrheit entspricht.
9/10