Gestern Abend habe ich eine für zahlreiche spätere Star Trek Episoden (TNG / DS9) wichtige Schlüsselepisode geschaut, die ein neues Licht auf die Kultur der Klingonen, auf Picard und natürlich auf Worf wirft:
"Reunion" (dt. "Tödliche Nachfolge", 4. Staffel) bietet ein Wiedersehen mit Worfs ehemaliger halbklingonischen Gefährtin Botschafterin K'ehleyr und dem verschlagenen schildkrötengesichtigen Duras, der Worf eine Staffel zuvor im Hohen Rat die Entehrung und Ausstoßung eingebrockt hat und ein schmieriger romulanischer Kollaborateur ist - für Klingonen ein Unding. Weiterhin hat hier Charles Cooper als fettwanstiger klingonischer Kanzler K'Mpec seinen zweiten und leider letzten Auftritt, er wurde vergiftet. Auch ein Unding für Klingonen, die doch eher den blutigen Zweikampf vorziehen.
Worf erfährt in dieser Episode, dass er mit K'Ehleyr einen Sohn namens Alexander hat, der in einigen späteren Episoden von TNG und auch Deep Space Nine auftauchen sollte.
Weitere Premieren: Robert O'Riley als späterer Kanzler Gowron und die aerodynamische Standartwaffe der Klingonen, das Bat'Leth. O'Riley verkörpert Gowron mit einem spitzbübischen irischen Charme, typisches Markenzeichen: Die Glupschaugen und der manische Blick:
Picard ist mal wieder ein Musterbeispiel an Diplomatie, intergalaktischer Politik und inzwischen ausgewiesener Kenner der Klingonen. Wenn man bedenkt, wie ahnungslos Picard noch in der 2. Staffel war, wenn es um Klingonen gint (siehe "A Matter Of Honour", dt. "Der Austauschoffizier"), ist es schon erstaunlich, wie schnell und gründlich er sich mit der Kultur und Sprache der Klingonen vertraut gemacht hat und aufgrund seines mutigen Einsatzes während Worfs "Prozess" vor dem Hohen Rat solchen Eindruck hinterlassen konnte, dass K'mpec ihn als Mediator auserkoren hat, den nächsten Kanzler des Hohen Rates auszuwählen, bevor er im Suff und angereichert mit radioaktiven Schwermetallen dahinsiecht.
Die Episode bietet eine hintergründige und unaufdringliche Spannung, die sich am Ende entlädt, weil Kehleyr von Duras bestialisch ermordet wird, da sie zu viele Fragen im Hinblick auf Worfs Entehrung und der angeblichen Verwicklung von Worfs Vater in den romulanischen Angriff auf den Khitomer-Außenposten gestellt hat. Worf ist außer sich vor Trauer und Wut und beraubt in einem schönen Schwertkampf Duras seiner Lebendigkeit - die große Premiere der klingonischen Standart-Zweikampfwaffe. Duras benutzt nur ein schnödes Samurai-Schwert. Da sieht man schon, welche Wertschätzung Duras für klingonisches Erbe übrig hat.
Jedenfalls ist für Worf schon zu Beginn klar, dass nur Duras K'mpec vergiftet haben kann, aber auch Gowron bekleckert sich gegenüber Kehleyr nicht mit Ruhm, in dem er versucht, sie zu bestechen und anschließend auf subtile Weise mit dem Tode bedroht, so dass für den Zuschauer ziemlich unklar ist, wer K'mpecs Mörder ist. Zumindest den Bombenanschlag auf K'mpecs "Todeszeremonie" konnte man aufgrund der einwandfreien Spuren romulanischer Sprengstofftechnik Duras nachweisen.
Diese Episode ist nicht nur ein spannender Krimi, sondern auch ein Meilenstein für die weitere Handlung von TNG und Deep Space Nine, da sie einerseits nicht nur den Charakter Gowrons einführt, sondern auch seinen Weg zur Kanzlerschaft über das Klingonenreich ebnet. Man bekommt auch zum ersten Mal die Vor'Cha Schiffsklasse zu sehen, ebenso wie das o.g. Bat'Leth. Insofern wird hier das Klingonentum um viele interessante technologische und kulturelle Facetten bereichert.
Sehr rührend sind auch die Szenen mit Worfs kleinem Sohn Alexander, der so gar nichts mit dem klingonischen Erbe anfangen kann und den Worf zunächst nur widerwillig als Sohn akzeptiert, erst nach Kehleyrs Tod bekennt er sich zu ihm.
Zum letzten Mal sehen wir in dieser Episode die ominösen Klingonischen Schmerzstöcke, durch die Worf sich schon in der 2. Staffel ("Rikers Vater", orig. "Icarus Factor") grillen lies, Kehleyr hätte man als charismatisches Bindeglied zwischen den Klingonen und der Föderation auch noch gerne einige weitere Auftritte gegönnt. Suzie Plakson hat die Halbklingonin ziemlich überzeugend und mit einem Hauch unterschwelligem Sexappeal dargestellt. Kein Wunder, dass Worf ihr verfallen war.
Mit Ausnahme von Picard und Worf verkommen eigentlich alle anderen Crewmitglieder der Enterprise zu Komparsen.
Diese Episode ist spannend, vielschichtig und rührend. Die schauspielerischen Leistungen aller beteiligten Darsteller - Charles Cooper als K'mpec, Suzie Plakson als Kehleyr, Patrick Masset als Duras, Robert O'Riley als Gowron und natürlich Michael Dorn und Patrick Stewart als Worf bzw. Picard sind unübertrieben überragend und überzeugend. Charles Cooper spielte übrigens auch den klingonischen Trunkenbold General Korrd in Star Trek V - "Am Rande Des Universums" an der Seite mit David Warner, der später als cardassianischer Verhörspezialist Picard beinahe gebrochen hat (Da sind VIER LICHTER!).
Interessant ist, dass Picard Worf durchgehen lässt, dass er auf eigene Faust Duras umgebracht hat - nach klingonischen Maßstäben im ehrlichen und berechtigtem Zweikampf - aber im Kontext eines korrekten Sternenflottenoffiziers doch unwürdig. Immerhin hat Duras die Botschafterin der Föderation ermordet, insofern ist es schon richtig, dass Picard da große Nachsicht walten lässt. Schön auch, wie forensisch Dr. Crusher, Data, Geordie und Riker herausfinden, wie die Bombe gezündet wurde und welche Technologie dahinter steckte, während das den Klingonen trotz ihrer gewohnten Sorgfalt offenbar entgangen ist.
10/10