Ich ziehe meine Antworten mal in den dafür vorgesehenen Thread. Es sollte sowieso mehr über KISS diskutiert werden, da macht ein bisschen Leben in der Bude gleich was her.
Ich bin ganz sicher kein Zungenfanatiker. Ich finde die Außendarstellung von Simmons häufig extrem unsympathisch, insbesondere seine immer wieder kokettierend zur Schau gestellte Geld- und Geltungssucht. Aber er war eine treibende Kraft hinter KISS. Alle anderen Bandmitglieder berichten übereinstimmend, dass zu Beginn vor allem Genes Penetranz in Umgang und Werben um Leute aus der Plattenindustrie den Unterschied ausgemacht hat.
Und so unangenehm es kurzzeitig ist: Bei näherem Nachdenken wird klar, dass ohne Bock auf "Geld verdienen, Weiber abschleppen und Show" mindestens 50% des KISS-Image wegbröseln würden. Es machte doch gerade einen der entscheidenden Unterschiede aus, dass die vier Gründungsmitglieder eben anders sein wollten, als die Hippie-Rock-Generation (Wicked Lester). Und dafür ist Gene, meintwegen auch nur der Charakter des "Demon",
das Sinnbild, quasi das imageträchtige, optische Aushängeschild des "Wir sind anders, wir sind das Spektakel".
Über die musikalischen Beiträge müsste man im einzelnen sprechen. Da gab es sicher auch Ausfälle. Gerade in den 80ern hat Stanley den Laden zusammengehalten. Aber zu Beginn waren Stanley und Simmons quasi "Lennon und Mccartney light", das musikalische Rückgrat der Band.
Ich habe ein wenig das Gefühl, dass das Kleinreden von Genes Beitrag meist auf (teilweise nachvollziehbarer) persönlicher Abneigung basiert. Und die wiederum darauf, dass Gene kaum eine Gelegenheit auslässt, das "Superheldenimage" zu demontieren, das uns doch wahrscheinlich zu Beginn alle (zusätzlich zur Musik) fasziniert hat. Die Aussage "Wenn es ihm nur um Musik gegangen wäre, hätte er auch bei Wicked Lester bleiben können" ist ziemlich nah an Polemik.
Ich finde die Verallgemeinerung unpassend. Was ist ein "richtiger Musiker"? Das ist wohl vor allem Sache der persönlichen Einschätzung.
Und wie kommst du darauf, dass Paul keine Gitarre spielen kann? Er hat z.B. das großartige Solo zu "I Pledge Allegiance..." eingespielt, das ich zu meinen Lieblingssoli zähle. Die klare Arbeitsteilung auf der Bühne, an der du das Argument wohl festmachst, ist genauso Ausdruck des Konzepts von KISS. Paul ist halt der Showman, der in erster Linie singt, gockelt und das Publikum bezirzt. Dafür kann der jeweilige Leadgitarrist eben in seiner Rolle glänzen, weil sämtliche "Wer spielt das Solo in dem Song"-Probleme gelöst sind. Das Paul keine Gitarre spielen kann, ist Blödsinn.
Und darauf wollte ich insgesamt, auch mit meiner vorherigen Antwort, schon hinaus: KISS ist eben nicht nur eine Band, es ist auch ein Konzept, bei dem die Rädchen sorgfältig austariert sind und ineinandergreifen. Wenn es funktionieren soll, brauch man ein Kollektiv aus Menschen, die die jeweiligen Rollen gut ausfüllen können. Das hat nach der ersten Besetzung nie wieder so gut funktioniert. Bruce Kulick und eventuell auch Vinnie Vincent waren sicher "bessere", technisch versiertere Gitarristen als Atze, waren aber entweder zu blass um gegen die anderen Charismatiker zu wirken (Bruce), oder ZU irre (Vincent). Ace strahlt auf den Alben der 1970er, aber er strahlt nicht nur aufgrund seiner eigenen Fähigkeiten, sondern auch aufgrund der Rahmenbedingungen, die ihm das Kollektiv geboten hat.
Ach, KISS.