Über die erste Edition von Age Of Sigmar habe ich tatsächlich noch gar nichts Positives gehört...wieso haben sie Warhammer Fantasy denn eingestellt?
Weil sie sich aus reiner Großkotzigkeit und Geldgier ins eigene Knie geschossen haben. Aber der Reihe nach:
Um die Jahrtausendwende war GW quasi auf dem Höhepunkt angelangt. Sämtliche ernstzunehmende Konkurrenz auf dem Tabletopmarkt war ausgeschaltet, die Spiele und Miniaturen verkauften sich wie warme Semmeln, neue Märkte wurden erobert und mit dem Erwerb der Exklusivlizenz zum "Herr der Ringe"-Tabletop konnte man sich zusätzlich noch ein dickes Stück vom damaligen Hype um die Filmtrilogie abschneiden.
Die Folge war - wie so oft im Kapitalismus - dass man den Hals nicht voll kriegen konnte und sich für unfehlbar und unangreifbar hielt. Altgediente Mitarbeiter, die z.T. noch in den Garagen-Anfangstagen das Hobby mitentwickelt hatten, wurden reihenweise an die frische Luft gesetzt und durch irgendwelche windigen Wirtschaftsheinis und "Marketingexperten" ersetzt, die vom WH-Hobby und dessen Community nicht den blassesten Schimmer einer Ahnung hatten.
Von jetzt an zählten nur noch die Dollarzeichen - Wünsche der Community wurden ignoriert, unliebsame (weil kritische) Foren drangsaliert oder geschlossen, ja, es wurden angeblich sogar Mitarbeiter eingestellt, die auf Ebay nach allzu eifrigen GW-Gebrauchtverkäufern fahndeten.
Die Kundschaft wurde offenbar als geistig minderbemitteltes, fanboyhaftes Melkvieh angesehen, dem man auch mit den fadenscheinigsten Argumenten die Kohle aus der Tasche ziehen konnte. So wurde z.b. das Metall (aus dem der Großteil der Miniaturen damals bestand) durch das berühmt-berüchtigte "Finecast"-Resin ersetzt (in Communitykreisen eher als "Failcast" oder "Finecrap" bekannt). Zum zweieinhalbfachen des ursprünglichen Preises erhielt man nun eine (angeblich viiieeel detailreichere) Figur, deren fragile Teile (z.b. Speerschäfte) schon beim Anschauen abbrachen oder sich bei sommerlichen Temperaturen spontan verbogen. Außerdem war die Gusstechnik so unausgereift, dass ungefähr jede vierte Miniatur schwere Gussfehler aufwies und reklamiert wurde. Fast jede Finecrap-Mini hatte kleine Löcher von Luftbläschen, die aber zur Reklamation nicht ausreichten. Stattdessen entblödete GW sich nicht, zusätzlich eine flüssige Modelliermasse anzubieten, die "ideal" war, eben diese Löcher professionell zuzustopfen...
Nunmehr wandten sich die Wirtschaftsexperten der restlichen Produktpalette zu und stellten fest, dass die Verkäufe von WH40K um einiges höher waren als bei WHF. Wie ließ sich das Problem also aus BWLler-Sicht lösen?
Na, man wies die Spielentwicklung an, die neue Auflage so zu konzipieren, dass man zum Spielen MEHR Modelle in Form von möglichst großen Regimentern benötigte. Und da der gemeine GW-Kunde ja nunmal doof wie Brot ist, würde man gleich doppelt gut verdienen, wenn man auf diese dringend benötigten Rank & File-Modelle noch einen kräftigen Preisaufschlag draufknallen würde. Pay to Win vom Allerfeinsten...
Überflüssig zu erwähnen, dass diese Milchmädchenrechnung natürlich nicht aufging. Die Verkäufe von WHF sanken in unterste Untiefen, weil sich ein normaler Schüler oder Student (als klassische Zielgruppe) nie und nimmer mehr eine spielfähige Armee leisten konnte.
Natürlich war man zu arrogant, um sich einen Fehler eingestehen zu können, also machte man die Gründe für das Scheitern woanders fest:
Die mit Anstand beliebtesten GW-Miniaturen sind WH40K Space Marines. Die gibts aber nicht in WHF, also ist es "logisch" (und der EINZIGE Grund^^), dass es sich schlechter verkauft.
Also musste man nur mit der Brechstange ein Space Marine-Äquivalent in das Fantasy-Universum reinprügeln (die höchst albernen "Stormcast Eternals" - in Communitykreisen treffenderweise nur als "Sigmarines" bekannt) und die Börsenkurse würden durch die Decke gehen. Um es aber ganz sicher zu machen, müssten sämtliche Faktoren, die möglicherweise irgendwelche 12jährigen Doofkiddies sonst noch vom Kauf abhalten würden, entsorgt werden.
Die Spielwelt war viiieeel zu negativ und düster (und für den typischen, minderbemittelten GW-Konsumenten auch zu kompliziert) und sollte durch etwas ersetzt werden, das eben jene Doofkiddies schon aus ihren früheren Hobbies her kennen. Ein kunterbuntes, nicht zu kompliziertes Multiversum im Stil von WOW oder vergleichbaren PC-Games musste her, mit großen, mächtigen Helden und abgundtief üblen Schurken. Der Chaosgott Slaanesh aus dem WHF-Universum (Herr der Lüste und Perversionen) sollte bei dieser Gelegenheit am besten direkt mit über die Klinge springen, schließlich könnte der Anblick einer entblößten weiblichen Brustwarze ja zutiefst verstörent auf die angepeilte Kundschaft wirken.
Und natürlich durften die Regeln nur so komplex sein, dass man auch mit lediglich einer Gehirnzelle nicht überfordert ist. Sinnvolle Armeezusammenstellung? Geschenkt - die Kiddies sollen einfach alles was sie haben auf den Tisch klatschen und sinnlos ein paar Würfel werfen können.
So wurde also AoS aus der Taufe gehoben - vorher konnte man sich aber nicht verkneifen, den alten, knauserigen Säcken aus der WHF-Community ein letztes Mal an den Geldbeutel zu gehen. Die Pläne für AoS wurden erstmal zur Geheimsache erklärt und stattdessen eine große "Endzeit"-Kampagne für WHF ins Rollen gebracht, in dessen Rahmen ein Sack voll von zusätzlichen Regelbüchern und Miniaturen veröffentlicht wurde. Am Ende der Kampagne, als viele nochmal tief in die Tasche gegriffen hatten, explodierte die alte Welt (im wahrsten Sinne des Wortes) "right in their face" und AoS erschien auf der Bildfläche. Die "Regeln" wurden freundlicherweise umsonst per Download zur Verfügung gestellt (exakt VIER Seiten!), der Inhalt der Grundbox bestand nur aus den beiden Grundarmeen und einem Hintergrundbuch zur neuen "Spielwelt" und "Lore". Spätestens jetzt wusste jeder alteingesessene WHF-Veteran, dass der Großteil seiner Miniaturensammlung jetzt nur noch für die Vitrine verwendbar war, weil eine echte Kompatibilität nicht gegeben war.
Der darauf folgende Shitstorm in der Community war gigantisch. Mit Recht. Natürlich war die Diskrepanz im Umsatz zwischen 40K und AoS NOCH eklatanter als zuvor, die Aktionäre waren stinksauer und GW war nah dran, komplett in die Knie zu gehen. Also tat man das einzig Richtige - man zeigte den ganzen "Experten" im Management die Tür und besetzte die wichtigen Posten wieder mit Hobbyisten, die die Wünsche und Bedürfnisse der Community kennen und - tatsächlich - neuerdings auch auf diese hören. GW hat seit diesem Schritt einen wundersamen, nicht mehr für möglich gehaltenen Wandel vollzogen. Sämtliche Fehlentscheidungen wurden, soweit wie möglich, zurückgerudert und es wurde endlich erkannt, dass eine zufriedene Community der einzige Garant für wirtschaftlichen Erfolg ist.
- die Preise wurden wieder auf ein vernünftiges Maß zurechtgestutzt
- die Community wird bei der Entwicklung neuer Systeme oder Editionen aktiv mit einbezogen (so bei den neuen Editionen von 40K und AoS )
- der "White Dwarf" ist wieder ein echtes Hobbymagazin und keine kostenpflichtige Werbebroschüre
- die "Nebenspiele" (Necromunda, Space Hulk, Blood Bowl etc.) werden nach und nach wiederbelebt und durch neue Systeme ergänzt
- Bei AoS wurde aus der Not eine Tugend gemacht und durch Regelergänzungen ein halbwegs spielbares System geschaffen (das aber immer noch nicht ansatzweise an WHF herankommt)
- Grundspielboxen enthalten wieder echten Mehrwert und vor allem alle benötigten Regeln)
- es gibt Communityportale und Kritik wird ernstgenommen und auch (im WD) veröffentlicht und diskutiert
- das Farb- und Werkzeugsortiment ist tatsächlich hochwertig und nicht (wie einst) Billigschrott zu überteuerten Preisen
-Failcast wurde abgeschafft
Abschließend nochmal zum Thema AoS: Ich bin sicher, dass das ganze mittlerweile spielbar ist und für Neueinsteiger sicherlich auch Spaß macht, wenn man sich nicht an der Lore stört. GW hat alles versucht, zu retten, was zu reten ist - deshalb fahren sie jetzt zur neuen Edition ja auch eine gigantische Marketingkampagne, weil es definitiv nicht nochmal schiefgehen DARF. GW ist sich auch bewusst, dass sie die alten Veteranen verloren haben und diese nicht aufhören werden, über AoS angwidert die Nase zu rümpfen. Für mich persönlich verhält sich das Thema AoS analog zu folgender Lebensweisheit:
"You can't polish a turd, but you can roll it in glitter"...
Es würde mich jedenfalls nicht wundern, wenn in ca. vier Jahren WHF plötzlich wie der Phönix aus der Asche wieder aufersteht - z.B. als "Warhammer Classic" oder "Warhammer Old World", parallel und teilkompatibel zu AoS...