So, nachdem wir hier auf den vergangenen 1 1/2 Seiten wieder festgestellt haben, dass große Festivals nix für Leute sind, die keine großen Festivals mögen und dass wir hier User haben haben, die eigentlich gerne sinnvolles Beitragen, aber eigenartiger Weise im Kontext bestimmter anderer Nutzer zu fiesen Trollen mutieren, versuch ich mich mal wieder an was Inhaltlichem.
Kleines Vorwort zum Thema "Warum fährt man da eigentlich noch hin?" Frag ich mich jedes Jahr auch immer mal wieder. Meistens bei der Ticketbestellung, bei der Anreise, mehrfach während des Festivals und hinterher sowieso nochmal. Auf der "Bleib zuhause, verdammt nochmal"-Seite der Liste stehen immer erschreckend viele Punkte: Zu viele Menschen, davon zu viele Idioten (wobei eigentlich anteilig doch ausreichend wenige) und davon wiederum zu viele in weirden Jumpsuitkostümen. Dieses Jahr waren übrigens Einhörner augenscheinlich der heiße Scheiss. So für die Leute, die im Freundeskreis lästern wollen, ohne da gewesen zu sein
. Ansonsten ist die Nummer Unterhalt doch recht teuer (4€ für nen Bier, das sind Stuttgarter Verhältnisse...), die Sanitärsituation war dieses Jahr, nachdem es die letzten beiden Jahre doch mal bergauf ging, doch eher wieder eine mittelschwere Katastrophe. So, warum da hin? Für mich recht einfach: Menschen. Nicht die vielen nervigen, sondern die deutlich wenigeren, aber immernoch erschreckend vielen Tollen. Angefangen mit den gut 20 Menschen, mit denen ich seit Jahren da hin fahre und zum Teil leider eben nur noch zum Breeze sehe, über die großartigen übrigen Seelen aus diesem Forum, die ich mich einem Pappschild wieder erfolgreich einfangen konnte bis hin zu dem immernoch angenehm großen Teil des Publikums, das wirklich für Musik da ist. Und nicht, um so zu tun, als sein man ein verficktes crowdsurfendes Einhorn. Ganz nebenbei bekommt man für 100€ immernoch erschreckend viel großartige Musik verpackt in eine insgesamt hervorragende Organisation. Recht, um die nervigen Punkte mit einem Lächeln bei Seite wischen zu können.
So, aber jetzt mal Fische bei die Butter:
Anreise war schon
Dienstag angesagt, es gab schließlich Gesprächsbedarf mit vielen Leuten und außerdem den einzigen Tag mit der Garantie, keine potentiell großartige Mucke zu verpassen, wenn man saufend mit Menschen versackt. Anreise wie inzwischen gewohnt zügig und unkompliziert, ich durfte zu meiner persönlichen Irritation lediglich meinen für Reifenpannen angedachten Drehmomentschlüssel bei der Autokontrolle abgeben. Damit könne man Zäune aus einander schrauben. Aha. Hab ihn gestern morgen immerhin problemlos zurück bekommen. Zelt stand dann gerade rechtzeitig zum ersten dicken Regenguss, war uns aber herzlich egal, habens uns in unseren dicken 5x7m-Zelt gemütlich gemacht und ordentlich gebrabbelt und gepichelt. Irgendwann war ich dann im Bett.
Der
Mittwoch ging dann mit Besuch von
@Late Metal los und irgendwann gings dann auch Richtung Musik:
Erkenntnis Nummer 1:
VOMITORY sind immernoch nicht meine Baustelle. Aber Leute dies mögen, haben versichert, dass es gut war. Mir isses zu stumpf. Erste für mich relevante Band waren dann
KONTINUUM aus dem schönen Island, die landestypische Gitarrensounds in irgendeine Form von Postmetal mit einer ordentlichen Prise Gitarrenwave verpacken. Solider Auftritt, gute Mucke, würde wieder gucken. Weiter gings mit
UADA, die bei mir im März auf den HoH mächtig Eindruck hinterlassen haben. Hier wars allerdings im hellen mit durchwachsenem Sound eher so meh. War rein objektiv kein schlechter Auftritt, aber doch enttäuschend. Erwartungshaltung, der Penner.
AMON AMARTH sind, auch wenn sehr wichtiger Teil meiner musikalischen Sozialisation, eigentlich seit so ziemlich exakt drei Alben nicht mehr so meine Baustelle, allerdings haben mich die Kombination aus diversen Dosen feinstem Turmbräu, nen guter Kumpel und das Gemunkel über ein Oldschoolset dann doch vor die Bühne bewegt. Und was soll ich sagen: Weiseste Entscheidung des diesjährigen Breeze. Nur Mucke der Alben 1-6, keinen beschissenen Klimbim auf der Bühne, dafür aber ne Band mit umso mehr Bock. Hier quasi das Gegenstück zu Uada, nix erwartet, viel bekommen. Die Show am Donnerstag war dann wohl das Gegenstück: Fast ausschließlich neuere Songs, mit Plastik auf der Bühne und ich zum Glück nicht davor. Den persönlichen Kehraus haben dann
SCHAMMASCH geliefert. Was soll ich hier groß sagen: Sound super, Atmosphäre top, 45 Minuten zu kurz. Aber egal, war geil.
Der
Donnerstag ging schlag 12 mit dem illustren Forentreffen los. Machen wirs kurz, denn alle, die nicht da waren, langweilts eh: Es war wundervoll, euch alle (wieder) zu sehen, freu mich jetzt schon aufs nächste mal
Musik gabs übrigens auch:
LONG DISTANCE CALLING funktionieren in der Nachmittagssonne besser als ich gedacht hätte. Setlist war im Vorfeld vom Internet bestimmt worden und eine angenehme Reise durch das Schaffen der Münsteraner. Angenehmes Detail: Nur Songs ohne Vocals, steht den Jungs auch einfach besser zu Gesicht. Und 'Black Paper Planes' gabs auch. Sehr beglückend. Weiter gings dann zu
MOONSPELL, Teil 1: Akustikspaß im Zirkuszelt und was soll ich groß sagen: Funktioniert. Angenehm überschaubares Publikum, vor allem nur solche, die was mit der Band anfangen konnten (Gab seprate Tickets im Vorfeld zu gewinnen). Dadurch atmosphärisch sehr dicht und einfach schön. Nach einer Runde Dinner und noch zwei Runden an Menschen festquatschen gings dann auch endlich weiter zu
MOONSPELL, Runde zwei, dieses Mal mit Strom und ohne Dach. Eine Stunde gabs die komplette 'Irreligious' plus 'Vampiria' und 'Alma Mater' vom Vorgänger bei schwer gutem Sound auf die Ohren, während sich auf der Hauptbühne bei Amon Amarth wohl Plastikwikinger mit Gummischwertern verhauen haben und es Pappmacheriesenseeungeheuer gab. Weiter gings dann mit den
ARCHITECTS ebenfalls auf der T-Stage. Metalcore find ich ja eigentlich eher so kacke, eine Ausnahme bilden besagte Herren mit ihren letzten beiden Alben. Intelligente Mucke, tolle Gitarrenarbeit und dazu Texte mit Inhalt. So auch hier: Kurzweilige, emotional berührende, tolle Stunde, auch wenn die von der Band überbrachte Nachricht der Anschläge in Barcelona einen erstmal nen ordentlichem Klos im Hals verpasst hat. Man merkt das Fehlen von Tom Searle der Band nach wie vor extrem an, aber ich nehm denen ihre "wir wollen sein musikalisches Erbe hoch halten"-Nummer aber tatsächlich auch ab. Anschließend gings für mich dann das erste mal vor die neue Riesenbühne, auf der
WARDRUNA die sicherlich nicht einfache Aufgabe hatten, den Abend zu beenden. Was die Norweger da machen, holt mich auf Platte ja so gar nicht ab, aber meine Vermutung, dass das Live ganz anders laufen könnte, haben sich dann doch mehr als bewahrheitet: Verpackt in den besten Sound, den ich dieses Jahr in Dinkelsbühl erleben durfte, gab es von 6 Menschen ohne irgendeinen Schnickschnack auf der Bühne die atmosphärische Vollbedienung zum Tagesausklang. Die haben, obwohl das riesige Ding quasi leer war, dieses Monster von Bühne mit einer Leichtigkeit ausgefüllt, dass ich da immernoch Entenpelle krieg. Lange nicht mehr so ein intensives Konzert erlebt, völlig groß. Meine persönliche Überraschung des Festivals. Da sowohl Amon Amarth als auch In Extremo wohl solide Verspätung produziert haben, fiel dann der Plan, noch bei Firtan reinzuschauen flach, da die schlicht schon fertig waren, als Wardruna verstummt sind. Dementsprachend mich ich dann mit dem lieblichen Gegurgel von Cryptopsy im Hintergrund immernoch geflasht von Wardruna ins Bett geschwebt.
Freitag ging es bei mir zunächst erstmal sehr entspannt zur Sache. Nochmal jede Menge Menschen getroffen und einfach gediegen ein wenig rumgehangen und Dosenbier geschlürft. Erster Programmpunkt wäre dann wohl eigentlich Crowbar gewesen, aber die gefährliche Mischung aus einem hervorragendem Gespräch und einem ersten Regenschauer haben mich dann doch im meinem Stuhl sitzen lassen. Anschließend war dann eigentlich gediegenes Alexi-Laiho-Fuck-Saufen mit den Bodomkindern angedacht, aber nachdem mit aufkommendem Weltuntergang der Einlass zwischenzeitlich gestoppt worden ist, haben wir uns taktisch klug in das komische Zirkuszelt verkrümelt, wo es dann
DARKNESS, BLACKSMITH & KERKER gab, was mich als fiesen End of Green Fanboy auch nicht unglücklich gemacht hat. Erkenntnisse dieser überaus feinen Akustikrunde: Man kann ja von End of Green und Underpaid halten was man will, aber Geschmack haben deren Musiker allemal. Es gab ein buntes Unplugged-Potpourri und das befremdliche Wissen, dass der Huber 10 Zigaretten in unter ner Stunde rauchen kann. Weiter gings zu
INSOMNIUM, um die Gewissheit, dass man sogar so etwas wie Melodeath dermaßen weich kochen kann, dass jeder Mensakoch neidisch wird, aufzufrischen. War dann auch wieder so. Die Finnen und ich werden keine Freunde mehr. Weil ich eh nix besseres zu tun hatte, hab ich mir dann noch mein Dasein als Gesellschaft bei
EISREGEN mit Bier erkaufen lassen. Meine Fresse, das ist ja noch schlimmere pseudoclevere Kacke als früher. Ganz schlimm. Anschließen dann noch eine Runde Hauptbühne mit
AMORPHIS, die ihren völlig beschissenen 'Tales'-Gig von 2015 wieder gutzumachen hatten. Und: Ja haben sie. Sound beeindruckend, Joutsen hatte Bock, Set war leider wegen ner Verzögerung nur 45 Minuten lang, hat der Sache aber keinen Abbruch getan. Anschließend noch bei
WALDGEFLÜSTER vorbei geguckt und mal wieder festgestellt, dass das ziemlich coole Mucke sein könnte, wenns denn nen Tacken weniger Cheesy wäre. Aber jenseits dieses grundlegenden Problem nen guter Auftritt. Ich hab dann noch zwei Songs
1349 geguckt, aber die Kombination aus Suff, Müdigkeit und schon wieder einsetzendem Regen haben mich dann ins Zelt getrieben. Wäre ich wacher gewesen, hätte ich das aber glaube extrem gut gefunden.
Zu guter letzt war dann am
Samstag Großkampftag angesagt: Abflug gabs bei inzwischen wieder strahlendem Sonnenschein mit
DER WEG EINER FREIHEIT mit einem Set quer durchs Schaffen, von jeder Platte, samt EP ein Song. Geiler Sound, arschtight, hat das Mäulchen wässrig für die Tour im Herbst gemacht. Im Anschluss bin ich dann hoch zur großen Bühne zu
KNORKATOR geschliffen worden. Ich mag die Kapelle an sich total gerne total gerne, das Publikum leider nicht. Hier bewahrheiteten sich dann meine Befürchtungen: Einhornkostümträger aller Länder vereinigt euch. Das nächste mal dann aber bitte woanders. Im Gegensatz zu den ganzen Spackos waren Knorke aber wieder höchst unterhaltsam und belustigend, dieses mal dank partiellem Set mit Damenorchester sogar einen Hauch seriös. An sich nen toller Gig, wären da nicht die Einhörner gewesen. Und nen Panda. Und ne Banane. Und ne Kuh. Und keine Ahnung was alles. Aber Schwamm drüber. Anschließend flott altes Bier in die Alurinne gestellt und nen Neues besorgt und fliegender Wechsel zurück auf die T-Stage, auf der meine liebste Jugendsünde
END OF GREEN zum 10. Breeze-Auftritt auf dem 20. Summer Breeze bat. Hab bekommen was ich wollte: Gruftigen Poprock der Erinnerungen hochspült, meine Exfreundin hab ich auch getroffen. Wie passend. Dann gings direkt wieder bergauf, die nächste grundsätzlich liefernde Inventarband des Breeze war angesagt, auf zu
DARK TRANQUILLITY. Die deutlich besseren In Flames haben mal wieder gezeigt, dass sie Live besser können, als jede andere Melodeathband da draußen und das übrigens auch kinderleicht im hellen. Die Songs von der 'Atoma' fügens ich wunderbar ins Set ein und Grinsebacke Stanne lieferte eine interessante wissenschaftliche Erkenntnis: Die Sender des Funkmikros reichen bis zum FOH und man surft als Fronter einer Band in rund 6 Minuten zu besagtem Techniktürmchen und zurück zur Bühne. Der Gute war übrigens da, um seinem Tonmann zum Geburtstag zu gratulieren. Schräge Nummer, aber sehr cool. Nach einer Runde Luft holen und Abendessen gabs dann Jugendliebe, Teil 2:
KORN! Kurz und knapp: Jonathan Davis nicht nur stimmlich bestens drauf, Songauswahl in Ordnung, Sound leider etwas arg basslastig aber noch ok. Lag vielleicht auch daran, dass ich tatsächlich relativ weit vorne unterwegs war, Publikum hier aber sehr angenehm. Alterstechnisch überraschend durchmischt, aber alle abgegangen wie Zäpfchen. War seit Urzeiten mal wieder in nem Moshpit, auch wenn nur zwei Songs lang. Anschließend bei
HAGGARD nochmal drei Gänge runter geschaltet. Auch hier das erwartet schlicht Schöne bekommen, top Sound gabs frei raus, leider wehten Finntroll von der Hauptbühne immer mal wieder in die ruhigen Passagen rein, was eher so blöd war, aber Schwamm drüber. Es hätten Eis folgen sollen, die wohl relativ spontan wegen Kranheit ausgefallen sind, stattdessen gab es die Arschbombe des Festivals namens
TOTENGEFLÜSTER. Scheinen so ne Art hochnotpeinliche Jugendhauskopie von Craddle of Filth zu sein. Musste mich allerdings bestimmt zehn Minuten daran ergötzen, weil es so umfassbar kacke war. Bin dann zügigst wieder zurück zur T-Stage geflüchtet, da sich das Tageshighlight ankündigte:
MGLA. War. Das. Unfassbar. Geil. Keine Ahnung, welche Rolle es gespielt hat, dass es inzwischen halb drei morgens und ich physisch völlig am Ende war. Hat sicher geholfen. Aber sowas von atmosphärisch dicht, erstklassiker Sound und passendes Licht. Zu den Songs muss ich hier im Forum glaube nix sagen. In jedem Fall ein perfekter Abschluss.
So, das isses dann auch doch mal gewesen. Auch wenn nen paar Sachen nerven, fahr ich wohl wieder hin, wenn vielleicht auch nicht kommendes Jahr, weil mir da unter Umständen die Verteidigung einer Doktorarbeit dazwischen grätscht. Sollte es dennoch irgendwie klappen, bin ich trotz der eingangs bemängelten Punkte wohl wieder dabei. Alles verkraftbare Dinge und um das Lineup mach ich mir keinerlei Sorgen, das haben se bisher immer hinbekommen.