Wie wäre es mit einer schönen Charakterstudie, z.B. DS9 4x19 "Hard Time" ("Strafzyklen") oder 4x24 "The Quickening" ("Hoffnung")?
Warum eigentlich nicht...?
Die Episode "Hard Time" (dt. Strafzyklen) aus der 4. Staffel von Deep Space Nine steht inhaltlich in keinem Zusammenhang mit einer anderen Episode aus Star Trek, man kann sie also vollkommen ohne Vorwissen genießen. Keine Klingonen, keine Cardassianer, kein Dominion.
Dafür eine herrliche und unfassbar tief zu Herzen gehende Charakterschau von Chief O'Brien, wundervoll dargestellt von Colm Meaney.
Statt jemanden für ein Verbrechen hinzurichten oder jahrelang wegzusperren, hat das ausgebuffte und paranoide Volk der Agrathi aus dem Gammaquadranten die Methode entwickelt, künstliche Erinnerungen einer jahrelangen und entbehrungsreichen Haft im Zuchthaus in das Gedächtnis des Delinquenten zu implantieren. Das ist ressourcenschonend und genauso effizient.
Dummerweise kann das schon für lächerliche Vergehen passieren, wie etwa zu viele technische Fragen stellen, wie unser neugieriger Chefingenieur O'Brien.
Für den Zuschauer sind nur einige Tage vergangen, für O'Brien aber mehrere Jahrzehnte eingesperrt in einem dunklen Loch ohne Nahrung oder Möglichkeiten, sich zu waschen. Dazu ein etwas exzentrischer, aber grundsätzlich liebenswerter Zellengenosse, über dessen weiteres Schicksal ich hier nicht zu viel verraten möchte.
Vom Stil erinnert diese unfassbar traurige und düstere Episode an "The Inner Light" (dt. "Das zweite Leben") aus der 5. Staffel von Next Generation, nur mit einem sehr dunklen Unterton.
An den künstlichen Erinnerungen an seine Haft droht O'Brien zu zerbrechen, schläft statt im Bett seiner Frau eingekauert auf dem Boden, schnappt sich Fragmente des Mittagessens vom Teller und wickelt sie in eine Serviette, blafft seine Frau und seine Tochter an und ist generell vollkommen am Boden zerstört über Dinge, die er eigentlich nie wirklich erlebt hat, für ihn aber vollkommen real waren.
Die Handlung findet auf zwei Ebenen statt: Im verranzten Drecksloch von Knast ohne Nahrung und Zerstreuung und in der "Wiedereingliederung" in den Alltag auf der Station mit den resultierenden Konflikten eines seelisch zerbrochenen Mannes.
Jede Sekunde dieser Episode nimmt einen Gefangen und zieht einen in seinen Bann, O'Brien scheint bei Deep Space Nine wirklich der Charakter zu sein, der am meisten Scheiße fressen musste (siehe die vorangegangenen Episoden "Das Harvester Desaster", "Das Tribunal", "O'Briens Identität", "Das Paradiesexperiment", "Der Visionär") und psychisch und physisch wirklich mehr einstecken musste, als jeder andere zentrale Charakter der Serie.
Das Ende ist wirklich herzzerreißend und man hat einen Klos im Hals.
Die musikalische Untermalung ist ergreifend, Spezialeffekte absolut Mangelware (braucht es hier auch gar nicht) und die Schauspielerische Leistung von Colm Meaney überragend.
10/10