Wie angekündigt geht's weiter mit der #123 von
@Danzig
AYREON - Into The Electric Castle-A Space Opera
Ich muss zu diesem Album etwas ausholen und werde vermutlich zwischendrin auch hier und da immer mal wieder etwas abschweifen, da ich "frei Schnauze" schreibe.
Meine erste Berührung mit AYREON war der Song "Beyond The Black Hole" mit Bruce Dickinson am Gesang auf einem RockHard-Sampler. Auch wenn genau dieser Song in dieser Version mittlerweile einer der wenigen AYREON-Stücke ist, an dem ich mich sattgehört habe, hat es mich damals (vermutlich im Jahr 2000) instantly gepackt und ich bin mehr oder weniger auf direktem Wege zum Frankfurter Musikladen (RIP) gefahren und habe mir alles geholt, was ich von AYREON in die Finger bekam und was mein Budget hergab. Unter anderem war dieses Album, "Into The Electric Castle" mit dabei, und ich habe es etwa genau so abgefeiert wie die ersten beiden AYREON-Alben und wie auch die beiden "Universal Migrator"-CDs, auf denen mir zwar die einzelnen Songs etwas besser gefallen, aber in seiner Gesamtheit ist "ITEC" eigentlich unschlagbar.
Kurz danach kam ja auch das erste Album unter dem STAR ONE-Banner raus, was ich ähnlich abgefeiert habe, und ich erinnere mich noch gut an die Tour im Oktober 2002, als ich die Ehre hatte, Arjen und Co. im Aschaffenburger Colos-Saal zu sehen. Als Autogrammjäger damals wartete ich nach der Show geduldig auf die Künstler und wurde mit Autogrammen belohnt. Unter anderem mit einem von Russel Allen (Symphony X) quer über das Booklet vom Doppel-Digi vom "Electric Castle", der meine Frage, ob er überhaupt auf dem Album zu hören sei, gekonnt ignorierte. Einerseits schon etwas ärgerlich, andererseits lache ich heute drüber und freue mich über diese Erinnerung.
Jetzt aber zu dem Album: Es beginnt mit dem epischen und einzigartigen Intro "Welcome To The New Dimension", dem meiner Meinung nach besten Intro der Musikgeschichte!!! Zum einen passt die Stimme von Peter Daltrey als "Forever" einfach perfekt (!!!), zum anderen bekomme ich immer, wenn die E-Gitarre einsetzt, eine etwa ein Meter dicke Gänsehaut!
Der erste richtige Song ist dann "Isis And Osiris", ein wahres Prog-Meisterwerk! Wer progressive Metal mag, muss eigentlich diesen Song mögen. Zum einen wirken Fish (ex-Marillion), Damian Wilson (ex-Threshold) und Anneke van Giersbergen (ex-The Gathering) mit, und dann noch diese Songstrukturen, Tempowechsel, einfach unfassbar gut.
Und mit "Amazing Flight" geht es direkt weiter, hier hat sich Arjen Lucassen aus meiner Sicht ein unsterbliches Denkmal gesetzt (kann man das so sagen?)! Der Song beginnt eher groovig, aber wird nach und nach "besser". Nicht dass er vorher nicht gut war, aber es passiert einfach mehr. Jay van Feggelen (als "Barbarian") und Arjen (als "Hippie") duellieren sich gesanglich, ehe es in die nächsten Parts geht; erst 'Stardust' und dann 'Flying Colours'; alles noch im Song "Amazing Flight" wohlgemerkt. Und nun kommt mein absoluter Lieblingspart im AYREON-Kosmos, ach was sag ich, im ganzen Musik-Kosmos: die 'Flying Colours'! Flötist Thijs van Leer, Keyboarder Clive Nolan (Arena u.a.) und Arjen Himself an der Gitarre bilden hier einfach das Nonplusultra an progressiver Musik, Melodie und Abgeh-Faktor, das ist einfach so unfassbar geil, anders kann ich es nicht sagen! Dazu noch das perfekte Drumming von ex-Gorefest- und AYREON-Haus-und-Hof-Drummer Ed Warby - es ist einfach PERFEKT! Die Gänsehaut vom Intro wird hier mindestens mal egalisiert, einfach UN-FASS-BAR !!!
Puh, anschließend folgt "Time Beyond Time", welches das unfassbar hohe Niveau zwar nicht halten kann, es aber auch gar nicht versucht. Der Song beginnt ruhig mit Edward Reekers (ex-Kayak), Damian Wilson steigt ein, und der Klimax ist natürlich ebenfalls exzellent! Die Perfektion des Songwritings von Arjen, nach den beiden vorigen Songs das Level der Ekstase wieder ein paar Stufen runterzufahren, zeigt sich hier sehr gut.
Es folgt "The Decision Tree (We're Alive)", ein wieder bodenständigerer Rocker, in dem abermals van Feggelen und Fish in seinem unnachahmlichen Akzent die Hauptrollen spielen. Am Ende des Songs darf sich Ed Warby am Schlagzeug mal so richtig austoben.
Der (leider) letzte Auftritt von Highlander Fish im "Electric Castle" ist der Song "Tunnel Of Light", der aber mehr von der betörenden Stimme von Anneke (<3) lebt als von Fish. Das Lied ist eher ruhig und balladesk gehalten und beschreibt wie gesagt das Ende des Charakters "Highlander".
Ein weiterer Geheimtipp ist der letzte Song auf CD1 des Doppelalbums, "Across The Rainbow Bridge". Das Stück beginnt akustisch und mündet in einem tollen, weil ungewöhnlichen Refrain, der erst nur kurz angespielt wird und vor allem später durch seine ungewöhnliche Struktur punktet und den Hörer (zumindest mich) nicht mehr loslässt. Hauptdarsteller sind übrigens der "Roman" Edwin Balogh, Damian Wilson als "Knight" und mal wieder Hippie Arjen. Der Song und damit die erste CD endet in einem furiosen Finale ("run, run...").
Der zweite Silberling beginnt mit "The Garden Of Emotions", einem fast zehnminütugen Song, der eher ruhig und verhalten beginnt. Arjen und Anneke sind zu Beginn die Protagonisten, später stoßen Edwin und Jay dazu, und auch die Indianerin, gesungen von Sharon den Adel (Within Temptation) bekommt ein paar Solo-Zeilen. der Mittelteil 'Voices In The Sky' beginnt rockig und wandelt sich in Richtung Fusion-Prog und wieder zurück. Einmal mehr eine unfassbar tolle kompositorische Leistung von Arjen! Mittendrin kommt wieder ein leichter 'Flying Colours'-Vibe auf, der vom Trio-Gesang von Indianerin, Futureman (Edward Reekers) und Knight Damian durchkreuzt wird.
Anschließend kommt das heimliche Highlight des Albums, die Ballade "Valley Of The Queens", der letzte Auftritt von der Ägypterin Anneke. Vor allem live, egal ob beim "Ayreon Universe" oder bei der "Into The Electric Castle"-Show, wurde dieses Lied sehr bejubelt, Gänsehaut ist eh klar, so wunderschön, egal ob live oder in dieser Version. Leider ist nach nicht mal zweieinhalb Minuten alles wieder vorbei...
"The Castle Hall" beginnt arg düster, dramaturgisch einmal mehr perfekt inszeniert. Einziges Manko meiner Meinung nach sind die Gitarrenakkorde, die hier deutlich heavier hätten sein können oder dürfen. Der Song ist ein Duett von van Feggelen und Wilson und lebt eben von jenem Riff, welches glücklicherweise im Song auch härter dargeboten wird.
Weiter geht's in den "Tower Of Hope", in dem sich gesanglich Futureman und Hippie duellieren. Der Song ist für mich nicht unbedingt einer der besten auf dem Album, aber es können ja nicht alle Lieder superdupertoll sein, oder?
Trotzdem gehört er dazu und ist unverzichtbar, auf seine ganz eigene, hypnotisierende Weise. Der Wechselgesang im sogenannten Refrain ist nichtsdestotrotz toll!
Der Song endet recht abrupt, und weiter geht's in die "Cosmic Fusion", dem Solo-Song von Indianerin Sharon, ihre letzte Rolle im "Electric Castle". Teil 1, 'Soar On The Breeze' ist schön balladesk und betont ihre schöne Stimme. Kurz unterbrochen von Futureman und Roman wird Sharon später in Teil 2 ('Death's Grunt') vom Tod (vertont durch "light Grunts" von Robert Westerholt und George Oosthoek) geholt. Teil 3 ('The Passing Of An Eagle') geht nochmals in die Prog-Fusion-Ecke, das Synth-Solo wird von Tom Scherpenzeel (u.a. ex-Kayak) beigesteuert, Arjen hält mittels E-Gitarre dagegen, ein weiteres tolles Duell!
Die verbleibenden vier (Hippie, Futureman, Roman und Knight) kämpfen sich anschließend durch das "Mirror Maze". Thematisch werden die Charaktere mit ihrer Vergangenheit konfrontiert und begegnen sich selbst im Spiegelkabinett; primär der Hippie. Musikalisch ist der Song eher balladesk einzuordnen, zumindest in Teil 1 ('Inside The Mirror'). Teil 2 ('Through The Mirror') ist deutlich rockiger und progressiver.
"Evil Devolution" läutet die Schlussphase ein und ist ein Solo von Futureman Edward Reekers. Erst recht ruhig gehalten explodiert der Song förmlich nach dem zweiten Chorus und mündet einmal mehr in einem Prog-Fusion-Mix.
Zu "The Two Gates" muss ich wieder etwas abschweifen, der Song zündete erst, als ich ihn auf der eingangs erwähnten STAR ONE-Tour gesehen habe, wo er als Finale fungierte. Seitdem gehört er zu meinen Lieblingsliedern auf "Into The Electric Castle"! Ein toller Song mit wunderbarem Klimax, mehr Rock als Prog, aber trotzdem super!
Anschließend geht's schon an das Outro, in "Forever Of The Stars" erzählt Peter Daltrey die Story des Aliens mit dem Namen "Forever". Hierbei handelt es sich mehr oder weniger um einen Spoken Word-Track, in dem Daltreys Stimme durch Computereffekte verfremdet wurde.
Das Finale ist "Another Time, Another Space", in dem die Charaktere nochmal zusammenkommen und über das erlebte (oder geträumte) nachdenken. Musikalisch geht es einmal mehr in Richtung Rock mit leichten Prog-Elementen.
"Remember - Forever ..."
Insgesamt ohne Frage ein Album, das mindestens 9,5, wenn nicht sogar 10 Punkte verdient hat.
Die Aufführung in Gänze in Tilburg 2019 war ein einmaliges Erlebnis, welches ich nicht missen möchte.
Ob "Into The Electric Castle" mein liebstes AYREON-Album ist, kann ich beim besten Willen nicht sagen, da ich alle Alben von Arjen sehr gerne mag, mal das eine mehr und am nächsten Tag ein anderes vielleicht etwas mehr.
Trotzdem ist es für alle Progrock und Progmetal-Fans aber ein Must-have, da sind wir uns glaub ich alle einig.
So, ich wär dann durch
Wer bis hierhin alles gelesen hat, darf mir gerne eine neue Zahl um die Ohren hauen