Ich finde die Diskussion hier ziemlich spannend. In der Tat konnte auch für mich keine Band, egal ob "alte Hasen" oder Neugründungen, an die tollen Alben in den neunziger Jahren ansticken. Dass diese Musikrichtung "auserzählt" ist, dieser Gedanke kam mir bislang nicht. Halte ihn aber für nachvollziehbar.
Die drei neuen Naglfar-Songs finde ich nun aber gar nicht schlecht. Ich werde mir die LP kaufen und bin gespannt auf das Endprodukt. Dabei hoffe ich auf mehr Langzeitwirkung als bei der letzten Necrophobic, die ich als als ziemlich langweilig einsortiert habe. Gestern nochmal versucht, Urteil bleibt gleich. Die letzte wirklich gute Necrophobic war die Hrimthursum, die drigend mal ein LP-Re-Release braucht.
In die Dark Funeral höre ich bei Gelegenheit rein.
Das mit dem "auserzählten Genre" des schwedischen Black Metals ist provokant aber doch liebevoll gemeint. Ich mag die genannten Bands alle sehr gerne, auch heute noch, auch mit ihren neuesten Werken noch, aber der traditionelle Black Metal der schwedischen Schule hat sich einfach von Anfang an ein wahnsinnig enges stilistisches Korsett angelegt, das im Prinzip aus zwei schnell riffenden und hochmelodische Moll-Leads zockenden Gitarristen besteht, einem selten hörbaren Bass und meist apokalyptisch schnellem aber technisch anspruchsvollem Drumming mit viel Blasts und Doublebass, worüber ein heißer aber meist recht verständlich kreischender Ghoul seine diabolischen Weisen rezitiert und sich dabei weitgehend darauf beschränkt, eben wie ein typischer Black-Metal-Shouter zu klingen und nicht allzu viel Abgedrehtheit, Individualität, Skurrilität etc... in seine Bühnenpersona einzubringen. Wir haben dazu früher gerne mal "Black Metal im olympischen Sinne" gesagt, Motto: "schneller, härter, diabolischer".
Das ist jetzt natürlich ein bisschen polemisch, und natürlich weiß ich, dass all die großen Schwedenbands auch langsamere Songs haben, auch mal ungewöhnliche Songs, und dass sie natürlich ebenso wenig "immer gleich" klingen, wie dies Motörhead, WASP, AC/DC und Running Wild tun. Trotzdem ist es sicher so, dass diese Bands eher nach dem selben "Typ Fan" suchen wie die genannten Metal-Klassiker, der es zu schätzen weiß, wenn man Trademarks treu bleibt, wenn man sich nicht über Gebühr weiter entwickelt, wenn man keine Stilbrüche begeht etc...
Wer Bands gerne unvorhersehbar, spannend, überraschend, Grenzen überschreitend, evolutiv mag, der wird vom schwedischen Black Metal sicher gerne mal ein bisschen gelangweilt sein, wenn er bei Dark Funeral halt auf die roten Phasen (diabolisch, rasend, hackend, geifernd) und die blauen Phasen (okkult, finster, beschwörend) kommt, die sich bereits an der Farbe der Artworks verraten, und sonst eben immer klingen, wie erwartet. Ich LIEBE die letzte Dark Funeral, das ist also nicht böse gemeint, aber ja, wenn du halt eine neue MAYHEM kriegst, dann weißt du NULL, was dich erwartet. Die erzählen gerne mal ganz neue Geschichten, während Dark Funeral halt immer wieder die besten Kapitel alter Geschichten zu schönen neuen Storys arrangiert.
Das war der Hintergrund des "Auserzählten".
Ich mag übrigens beide Herangehensweisen, Stiltreue und Weiterentwicklung, am liebsten einen packenden Spagat aus beiden Philosophien, aber wichtig ist für mich, dass es gut gemacht ist, und das sehe ich sowohl bei Dark Funeral als auch bei Naglfar und Necrophobic als gegeben.
Bei Mayhem sowieso.