OK, nun ein paar längere Ausführungen zum gestrigen Abend:
Mit Mystery Blue eröffnete klassischer Heavy-Metal den Abend. Die Band aus Strasburg existiert nach Angaben des Bassisten seit 1978 (!) in wechselnden Besetzungen und dürfte somit das Prädikat "Überzeugungstäter" zweifelsfrei verdient haben. Metal gab es (gottlob!) aus dem (Old-)Accept und Priest-Baukasten, ab und an ein wenig Speed und gelegentlich ein paar thrashige Momente - fertig! Ich frage mich immer wieder, warum ich so wenig dieser Musik höre, obgleich sie mich speziell live einfach abzuholen vermag, auch ein Verdienst der großartigen Sängerin Natalie (seit 1999 an Bord!), die mit Gesang und Entertainment eine grundsolide Leistung ihrer instrumentalen Mitstreiter abrundete. Eigentlich ist diese Band für das DF ein Muss: klischee- und gänzlich europowermetalresistenter Metal mit Fistraisinggarantie. Heißer Tipp für die Zielgruppe, zumal wohl in Kürze ein neues Album am Start sein dürfte.
Mit "Baukästen" indes hatte der Headlinder des Abends so überhaupt nichts am Hut: Witherfall betraten die Bühne und nahmen die Anwesenden ab dem ersten Ton gefangen. Die ersten 3 Songs hatten einen fast schon hypnotischen Sog, dem man sich kaum entziehen konnte, was in einer Granatenversion von "They will let us down" gipfelte: vertrackt, heavy, fusionig, jazzig - und mit einem Mal erblüht aus diesem Massaker an Musikstilen ein unwiderstehlicher Chorus, vorgetragen von einem Joseph Michael, dessen Gesang (wie
@Shriek schon trefflich bemerkte) regelrecht überdisch wirkte. Überhaupt: Outfit und Optik des Barden ließen an einen Latino-Schurken in einem Tarantino-Film denken (spitze Cowboytreter inklusive!) - und exakt so gebärdete sich Michael bisweilen, gab sich diabolisch-böse, sympathisch offen, nachdenklich - vor allem aber, genau wie seine Mitstreiter motiviert bis in die Haarspitzen. Diese Band hatte Spaß an diesem Gig und das war von Anfang bis Ende ersichtlich, unfassbar, wie die ihre komplexen Granaten ins Publikum gejagt haben.
Krönung des Ganzen war für mich persönlich "Insidious": Michael gab den Leibhaftigen persönlich und - wie schon gestern kurz angeteasert - das war gottverdammt
böse, dabei musikalisch derart perfekt auf den Punkt gebracht, dass mir schlicht die Spucke weggeblieben ist (ok, ging mir des Öfteren so....). Weitere Highlights wie das gänsehautige "Where do I begin" dürften ebenso wenig unterschlagen werden wie "Prelude-of-Sorrows"-Großtat "Shadows (!!)" und "Portrait" vom Debut, welches mit "Nobody sleeps here" gleich zweifach bedacht wurde. Wer dann als eigentlichen Showcloser mit "Vintage" einen der besten (!!!) Metal-Longracks der vergangenen Jahre im Köcher hat, der kann nichts falsch machen - und Witherfall lieferten auch hier, ehe es mit "Ceremony of Fire" (Hammer!) noch in Verlängerung ging.
Fazit: keine Band klingt wie Witherfall. Elemente von Death über Thrash, US-Metal und Prog (ja, auch Jazz und Fusion in wohldosierter Form) gehen eine absolut schlüssige Symbiose ein und machen aus den Amis nicht nur auf Konserve eine Ausnahmeerscheinung. Die Vorstellulng gestern in Bochum hat unterstrichen, wie gnadenlos gut diese Band auch auf den Brettern funktioniert - und es versteht, mit einfachsten Mitteln ohne überflüssiges Gehabe ihre Musik an den Mann/die Frau zu bringen. "Beeindruckend" wäre jetzt aus meiner Sicht für diese Kombi noch massiv untertrieben, das war regelrecht erhaben, was da geboten wurde. Die Überzeugung der Musiker für ihr Schaffen, die Leidenschaft für die Songs, all das war greifbar und bedurfte keiner zusätzlichen Theatralik. "Authentisch" ist ja ein streitbarer Begriff, für mich hat er gestern den Nagel auf den Kopf getroffen.
Es ist so traurig. Wieso spielen die nicht vor Dream Theater? Oder nach ihnen? :(
Diese Frage stelle ich mir regelmäßig auch bei Threshold, Vanden Plas und so vielen anderen Bands. Wobei VP ja mal als Vorband von DT unterwegs waren. Leider hat es sie nicht so richtig weiter gebracht.
Vorprogramm von DT, OPETH, HAKEN
Fragen über Fragen....nach dem eher "eingängigeren" Vorgängeralbum hätte ich eigentlich erwartet, dass man mit "Sounds of the Forgotten" ein wenig "zugänglicher" wird, doch letztlich bleibt eigentlich nur "When it all falls away" als (vermeintlich) kommerzielles Zugeständnis im Fahrwasser des Vorgängers übrig. Der Rest des gesamten Albums tobt sich zwischen den Spielwiesen aus und die "härteren" Elemente wurden ja teils hier sogar als "zu hart" (ähm) in Frage gestellt - ich sage nur: "INSIDIOUS!" Mann. So.
Dieses Vorgehen (ergo: neues Album eher vielfältiger und breiter aufgestellt, wenn auch natürlich mit ausreichenden Melodien, aber auch einer ordentlichen Portion "auf die Fresse" versehen) spricht gefühlt dafür, dass man sich tatsächlich eher auf künstlerischer denn auf kommerzieller Ebene verwirklichen möchte. Ist natürlich Spekulation, denn die VÖ-Politik mit den ganzen Vorab-Tracks könnte in eine andere Richtung deuten.
Manche Bands kommen mit dieser "So-wie-wir-wollen"-Geschichte zum Ziel (Haken wurden schon genannt, TessaracT wären ein weiteres Beispiel, Tool das wohl "Größte"), warum das so ist bleibt offen, denn am Ende ist das jetzt nichts, was zu erklären wäre. Um speziell den Gedanken "Vorband für Opeth" noch mal aufzugreifen: wäre eine entschieden schlüssigere Wahl gewesen als Grand Magus (obwohl ich mich auf die durchaus freue - sie Eingangspost zum Thema "klassischer Heavy Metal"). Threshold und VP sind für ihre Verhältnisse durchaus "groß", obgleich "wir" Fans das natürlich völlig anders sehen in Sachen "Hallenkapazitäten" und Publikumsanzahl (zurecht, versteht sich ja von selbst...).
Jetzt habe ich mir einen Wolf getippt - egal, war einfach nötig. Meinen Nerv treffen Witherfall absolut, für mich eine ebenso faszinierende, wie auch innovativ und eigenständig agierende Kapelle, die uns hoffentlich noch lange erhalten bleiben wird.