[Top of the Progs - 100 Meisterwerke] - Acrylators Liste

So, lange hat's gedauert, aber hier kommen endlich die nächsten drei Plätze:

99. COLOSSEUM - Valentyne Suite (1969)
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Nach Procol Harum nun also eine weitere sehr frühe Prog-Band, die häufig eher dem Jazzrock zugeordnet wird, mit ihrer Mischung aus Rock, Jazz, Blues und Klassik-Elementen in den späten 60ern aber das noch sehr junge Genre des Prog Rock zumindest mit wichtigen Impulsen bereichert und es sicher mitgeprägt hat.
Gegründet 1968 von Saxofonist Dick Heckstall-Smith und Schlagzeuger Jon Hiseman veröffentlichte die Band bereits 1969 mit ihrem zweiten Album ihr Meisterwerk, gerade was die Suite-artige, seitenfüllende Komposition auf der B-Seite angeht. Die A-Seite besteht aus 4 kürzeren Stücken, die allesamt eine groovige Mischung aus Rock, Jazz und Blues (letzteres vor allem beim passend benannten, zusätzlich mit Streichern ergänzten „Butty‘s Blues“ prägend, sowie, etwas dezenter, noch bei „Elegy“).
Aber die dreiteilige „Valentyne Suite“ ist Kernstück dieses Albums, größtenteils ist das fast 17-minütige Stück rein instrumental, nur im zweiten Teil gibt es lautmalerischen Chorgesang.
Musikalisch über weite Strecken getragen von Dave Greenslades Orgel und Jon Hisemans Schlagzeug, während Heckstall-Smith mit seinem Saxofon Akzente setzt (und auch das immer wiederkehrende Hauptthema mitträgt). Der Bass begleitet dabei meist recht unauffällig, und die Gitarre ist lange Zeit kaum (gar nicht?) zu hören, soliert dann aber um so wilder im sich langsam aber stetig steigernden letzten Teil (in dem auch mehr Bläser zu hören sind). Wer den (späten) 60ern gegenüber nicht ganz abgeneigt ist, sollte dieses Album zumindest kennen.

98. HEAVEN‘S CRY - Primal Power Addiction (2002)
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Ich weiß, für andere (gefühlt alle) ist das Debüt der Band ihr Meisterwerk. Dennoch wird dieses Album das einzige der Kanadier in meiner Liste bleiben, denn ich habe das schon immer anders gesehen.
So gut ich "Food For Thought Substitute" auch finde, die Produktion wirkt extrem kraftlos/dünn, die Keyboard-Sounds klingen für mich teilweise billig bis nervig und selbst kompositorisch hat bei mir der Nachfolger (wenn auch knapp) die Nase vorn.
Beim Zweitling hat die Band in meiner Wahrnehmung keine der eben genannten Defizite mehr, der Sound ist druckvoll und transparent und auch der Gesang klingt irgendwie kraftvoller (das Coverartwork sieht außerdem auch sehr viel weniger billig als das des Debüts aus). Die manchmal leicht funkigen Elemente des Erstlings treten hier noch mehr in den Vordergrund, ohne der Musik ihre metallische Power zu nehmen.
Mit „Primal Power Addiction“ ist der Band damals wirklich ein eigenständiges Werk gelungen, das trotz vieler vertrackter Rhythmen auf seine Art irgendwie merkwürdig eingängig ist und zu dem mir irgendwie keine direkten Vergleiche einfallen (großer Pluspunkt). Ich hatte es viele Jahre nicht mehr gehört, aber im Zuge dieses Threads mal wieder rausgekramt und wurde tatsächlich positiv überrascht (obwohl ich es eine Weile wirklich recht oft gehört habe, aber wenn man das über 10 Jahre nicht mehr macht, kann man ein Album schon mal wieder vergessen, sofern es nicht zu den absoluten Alltime-Faves seit der Jugend gehört).
"Komma" ist wohl mein Lieblingssong des Albums (dieser Rhythmus im härteren Teil macht mich wahnsinnig):
https://www.youtube.com/watch?v=GTIA2sTaT3k

97. DREAM THEATER - Metropolis pt. 2: Scenes From A Memory (1999)
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Euch muss ich wahrscheinlich nicht viel über dieses Album erzählen.
Interessant ist vielleicht, dass ich seit 1994 Fan der Band war (bzw. bereits spätestens 1993 durch MTV, wo häufig Musikvideos zu „Pull Me Under“ und „Take The Time“ liefen, auf Dream Theater aufmerksam gemacht wurde und die Sachen auch bereits irgendwie sehr geil fand, wegen der dominanten Keyboards allerdings erstmal noch nicht gleich einen Kaufreiz verspürte. 1994 kamen dann aber endlich erst das Debüt und dann auch "Images And Words" in die Sammlung). Auf „Awake“ mochte ich dann bei Erscheinen nur etwa die Hälfte der Songs und hatte später (vor allem durch „Falling To Infinity“) das Interesse an der Band fast komplett verloren.
Umso überraschter war ich, als mir im Januar 2000 ein Kumpel das aktuelle Album „Metropolis Pt. 2“ vorspielte. Das waren wieder die Dream Theater, die ich kennen- und lieben gelernt hatte!
Wobei es hier auch (zum Glück) einige für mich unerwartete Neuerungen gab, wie z.B. die Gospel-Elemente, das irgendwie punkige Anfangsriff von „Beyond This Life“ oder auch der extrem orientalisch anmutende Anfang von „Home“ inklusive Sitarklängen (?).
Ich habe diese Scheibe übrigens vielleicht nur wegen dieses Listenwahns mal wieder aufgelegt - insgesamt sind Dream Theater nämlich in meiner Gunst schon sehr lange nicht mehr so hoch angesiedelt, war viele Jahre regelrecht übersättigt von ihrem Stil (wobei ich die recht schroffen Alben „Six Degrees Of Inner Turbulence“ und „Train Of Thought“ damals noch sehr frisch fand und viel gehört habe. Danach ging es mit meiner Leidenschaft für die Band aber bergab und die letzten 5 Alben habe ich gar nicht mehr gekauft).
Bin froh, angeregt durchs Forum auch dieses großartige Album mal wieder gehört zu haben!
Für mich nach dem grandiosen Debüt ziemlich eindeutig das zweitbeste DT-Album (ja, vor „Images And Words“, dass mir, trotz aller Klasse, inzwischen zu steril klingt)!

Krass! Halbes Jahr Funkstille und dann Metropolis Pt. 2 auf Platz 97! Das scheint ne weitere spannende Liste zu werden. :jubel:
 
Oh cool, mit der Colosseum mal ein Album was ich in der Sammlung habe und im Gegensatz zum guten Vauxdvihl bin ich großer Freund davon wenn Prog Rock weit im Jazz wildert.
 
Die Liste scheint ein bischen vom "Standart" abzuweichen. Das finde ich sehr gut :)

100: Die Klassiker von Procol Harum stehen hier im Regal sind aber sehr eingestaubt. Hab ich so vor 10-12 Jahren in meiner ersten 60s/70s Prog Phase gekauft und seitdem nicht mehr gehört. Ich nutze das jetzt mal um die Erinnerung aufzufrischen

99: Bei der Coloseum könnte ich meinen Text von PH im Grunde übernehmen aber an die erinnere ich mich deutlich mehr und das Album habe ich damals sehr gefeiert. Wird heute Abend angehört. Ich sollte mich eh dringend mehr mit dem Thema Jazz Rock / Fusion beschäftigen. Höre ich alles viel zu selten und frag mich ständig warum eigentlich

98: Komplette Bildungslücke was die Band angeht

97: Tja Dreamt Theater.... Da geht es hier wohl vielen ähnlich. Für mich war das einige Jahre DIE Band schlechthin und auch bei mir hat sich das ganze Thema irgendwie abgenutzt (Ausnahme: Das Debüt, dass ich damals gar nicht so sehr mochte). Das Album an sich ist natürlich eine klare 10 und gehört theoretisch in jede Liste bei mir wäre es dann aber auch ziemlich weit hinten weil ich einfach keine Lust mehr darauf habe
 
So, es geht tatsächlich weiter und das nächste Mal müsst ihr nicht so lange warten!

96. MR. BUNGLE - Disco Volante (1995)
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Das zweite Album der Band um Mike Patton (u.a. Faith No More) ist noch eine Ecke verrückter und fordernder als das schon irre, aber im direkten Vergleich wirklich gut hörbare Debüt. Progressive-Avant-Garde-Crossover könnte man sagen.
Oft dissonante, mal jazzige, mal thrashige Metal-Parts wechseln sich ab mit Latin-Rhythmen, 60er Psychedelic Rock, Surf-Rock, soundtrackartigen, atmosphärischen Momenten, Saxophon-Soli in Free-Jazz-Manier, moderner Klassik, elektronischer Musik, experimentellem Krautrock und reinen Geräuschkulissen, die einem verrückten, auf Drogen produzierten Cartoon entsprungen zu sein scheinen.
Stimmbandwunder Mike Patton kann sich dazu komplett austoben und die ganze Bandbreite seines Könnens präsentieren, von poppig-eingängigen Melodien über beschwörend-atmospährische Lautmalerei, jazzige Gesangslinien und Erzählparts mit auf verschiedene Arten verstellter Stimme bis hin zu extremstem Geschrei bekommt man hier eine Mischung, die klingt, wie von einem Mann mit schwersten Persönlichkeitsstörungen (oder einem wahnsinnig guten Schauspieler).
Mal abgesehen davon, dass das Album musikalisch ein sehr innovativer, interessanter, aber eh schon schwer zu schluckender Brocken ist, sind leider auch noch die Lautstärkeschwankungen etxtrem. Ich mag ja Laut-/Leise-Dynamik an sich gerne, aber hier ist es manchmal doch arg übertrieben - vor allem, wenn einige Metalparts im Vergleich zu elektronischen Parts oder manchen Geräuschen irgendwie zu leise und dadurch drucklos wirken. Einige Schreie, Feedbacks und andere Störgeräusche sind zudem noch Ohrenbetäubend laut, wenn man das Album in einer eigentlich angemessenen Lautstärke hört.
Darum hab mich mir mal die Mühe gemacht, und die lautesten Ohrenschmerz-Passagen leiser gemacht, sowie noch andere Passagen lautstärkemäßig etwas angepasst (ohne dabei die Dynamik zu vernachlässigen oder totzukomprimieren) und das Ganze auf CD gebrannt. Es wirkt immer noch nicht ganz stimmig oder durchgehend angenehm, aber nun kann ich das Album zumindest genießen (wenn das überhaupt der richtige Ausdruck für diese krasse akustische Erfahrung ist).
Definitiv nichts zum regelmäßig hören, aber wer neue musikalische Erfahrungen abseits aller (!) Konventionen sucht, die trotzdem nicht reiner Krach oder pure Zufallsgeräusche sind (passagenweise ist es aber genau das), könnte hier eine interessante Herausforderung finden.


95. IGORRR - Spirituality And Distortion (2020)
CD-Igorrr-Spirituality-And-Distortion

Gestartet als Soloprojekt mit überwiegend elektronischer (und sehr eklektischer) Musik, die von Beginn an z.B. auch Barock- und Black-Metal-Elemente enthielt, entwickelten sich IGORRR zu einer Band und wechselten zu Metal-Blade, wo erstmals 2017 ein Album erschien (das dritte offizielle) - aber dazu später mehr.
Jetzt soll es erstmal um das vierte und bisher neueste Album gehen.
Eins vorweg - man muss wohl mit Humor in Musik klarkommen, um Igorrr zu mögen - und damit meine ich jetzt nicht alberne Texte wie bei J.B.O., sondern in erster Linie musikalischen Humor: völlig unerwartete, oft komisch/absurd/dadaistisch anmutende Wendungen. Lustige Texte gibt es allerdings auch (meist entweder auf Französisch, oft aber auch in Fantasiesprache oder rein lautmalerisch).
Es ist kein Wunder, dass IGORRR-Mastermind Gautier Serre unter anderem auch Mr. BUNGLE als großen Einfluss nennt (allerdings finde ich die Musik von Igorrr deutlich eingängiger und weniger sperrig als die auf "Disco Volante").
Die Linie vom Vorgänger wird fortgesetzt, also mehr "echte" Instrumente und höherer Metal-Anteil als früher, aber immer noch ist dies nur einer von vielen Stilen, die hier Verwendung finden. Soundtrack-artige, oft orientalisch anmutende, atmosphärische Passagen sind hier etwas häufiger als in der Vergangenheit, aber es gibt immer noch genügend Humor und Wahnsinn.
Mit "Pairpaing" ist sogar fast reinrassiger Midtempo-Death-Metal enthalten - wäre nicht diese irre Mittelteil, in dem die Musik auf einmal wie aus einem Gameboy-Spiel klingt und dann in Drum'n'Bass/Breakcore übergeht, bevor man wieder zum Death Metal zurückkehrt.
Völlig irre und ich muss jedes Mal lachen - dabei ist das noch einer der normalsten/einheitlichsten Songs auf dem Album!
Der opernhafte, aber manchmal auch meisterhaft kurz ins rockig-rauhe, aggressivere (und wieder zurück) wechselnde Gesang von Laure (die leider seit 3 Jahren nicht mehr dabei ist) z.B. am Ende von "Overweight Overture" oder "Paranoid Bulldozer Italiano" erzeugt bei mir tatsächlich Gänsehaut.
Zum Abschluss werden in "Kung-Fu Chèvre" noch mal alle Register des Wahnsinns gezogen und sogar Balkan-Pop, Metal und Drum 'n' Bass mit einem kurzen Western-/Ennio-Morricone-Part, einer Ziege, plötzlichen, irrsinnigen Schreien, einem wahnsinnigen Akkordeon-Solo und einem groovigen Funk-Part vermischt. So muss das!


94. BEYOND TWILIGHT - For The Love Of Art And The Making (2006)
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Für die meisten ist wohl entweder der Vorgänger "Section X", oder das Quasi-Debüt (die Band hatte ja vorher bereits CDs unter dem Namen Twilight veröffentlicht) das beste Album der Band, für mich ist es aber dieses, das wohl komplexeste und dennoch nicht weniger mitreißende dritte Werk, auf dem es ihnen gelang, nach den Wahnsinnssängern Jorn Lande und Kelly Carpenter mit Björn Jansson tatsächlich zum dritten Mal ein abolutes Ausnahmetalent am Mikro zu verpflichten - welche (nach kommerziellem Erfolg betrachtet) zweite oder dritte Reihe Prog-Metal-Band kann das sonst schon von sich behaupten?
Dabei klingt der Sänger sogar ein wenig wie eine Mischung aus seinen beiden Vorgängern!
Aber das soll hier gar nicht so sehr das Thema sein, ich finde das Album einfach wahnsinnig kreativ und kurzweilig - es geht auch keine 40 Minuten und ist dabei aufgebaut wie eine Suite, die einzelnen Stücke gehen oft nahtlos ineinander über und manches musikalische Thema wiederholt sich in Variationen, sodass sich ein roter Faden durch das Album zieht, das ansonsten wohl den Standard-Prog-Metal-Hörer überfordern könnte.
Neben abgefahrenen Keyboard-Sounds und Prog-Metal-Riffgewalt gibt es hier auch atmosphärische und sogar leicht jazzige Passagen zu hören.
Auch wenn es nach Genre-Definitionen das "gewöhnlichste" Album in diesem Post ist, hat man es hier also nicht mit Standard-Kost zu tun.
Unterbewertet, selbst unter Fans der Band!
Nur der von Mastermind Finn Zierler gemachten Behauptung, man könne das Album auch auf Shuffle hören, sollte man keinen Glauben schenken, da eben viele Übergänge zwischen den einzelnen Stücken keine Pause haben und die Reihenfolge auf der CD für mich außerdem total logisch, wie eine große Komposition wirkt.
Mag sein, dass es auch andere, mögliche Reihenfolgen ohne störende Brüche gibt (es gehen nicht alle Stücke nahtlos ineinander über), aber ich habe sie noch nicht gefunden und hab auch keine Lust mehr, es weiter zu versuchen. Das Konzept ist also etwas überambitioniert - die Musik meiner Meinung nach allerdings nicht. Ich finde sogar viele emotional packende Momente auf der Scheibe.
Falls noch nicht bekannt, unbedingt reinhören!
(Fragt mich nicht, warum sich da auch fremde Videos in der Playlist befinden)
 
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6. MR. BUNGLE - Disco Volante (1995)
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Das zweite Album der Band um Mike Patton (u.a. Faith No More) ist noch eine Ecke verrückter und fordernder als das schon irre, aber im direkten Vergleich wirklich gut hörbare Debüt. Progressive-Avant-Garde-Crossover könnte man sagen.
Oft dissonante, mal jazzige, mal thrashige Metal-Parts wechseln sich ab mit Latin-Rhythmen, 60er Psychedelic Rock, Surf-Rock, soundtrackartigen, atmosphärischen Momenten, Saxophon-Soli in Free-Jazz-Manier, moderner Klassik, elektronischer Musik, experimentellem Krautrock und reinen Geräuschkulissen, die einem verrückten, auf Drogen produzierten Cartoon entsprungen zu sein scheinen.
Stimmbandwunder Mike Patton kann sich dazu komplett austoben und die ganze Bandbreite seines Könnens präsentieren, von poppig-eingängigen Melodien über beschwörend-atmospährische Lautmalerei, jazzige Gesangslinien und Erzählparts mit auf verschiedene Arten verstellter Stimme bis hin zu extremstem Geschrei bekommt man hier eine Mischung, die klingt, wie von einem Mann mit schwersten Persönlichkeitsstörungen (oder einem wahnsinnig guten Schauspieler).
Mal abgesehen davon, dass das Album musikalisch ein sehr innovativer, interessanter, aber eh schon schwer zu schluckender Brocken ist, sind leider auch noch die Lautstärkeschwankungen etxtrem. Ich mag ja Laut-/Leise-Dynamik an sich gerne, aber hier ist es manchmal doch arg übertrieben - vor allem, wenn einige Metalparts im Vergleich zu elektronischen Parts oder manchen Geräuschen irgendwie zu leise und dadurch drucklos wirken. Einige Schreie, Feedbacks und andere Störgeräusche sind zudem noch Ohrenbetäubend laut, wenn man das Album in einer eigentlich angemessenen Lautstärke hört.
Darum hab mich mir mal die Mühe gemacht, und die lautesten Ohrenschmerz-Passagen leiser gemacht, sowie noch andere Passagen lautstärkemäßig etwas angepasst (ohne dabei die Dynamik zu vernachlässigen oder totzukomprimieren) und das Ganze auf CD gebrannt. Es wirkt immer noch nicht ganz stimmig oder durchgehend angenehm, aber nun kann ich das Album zumindest genießen (wenn das überhaupt der richtige Ausdruck für diese krasse akustische Erfahrung ist).
Definitiv nichts zum regelmäßig hören, aber wer neue musikalische Erfahrungen abseits aller (!) Konventionen sucht, die trotzdem nicht reiner Krach oder pure Zufallsgeräusche sind (passagenweise ist es aber genau das), könnte hier eine interessante Herausforderung finden.

95. IGORRR - Spirituality And Distortion (2020)
CD-Igorrr-Spirituality-And-Distortion

Gestartet als Soloprojekt mit überwiegend elektronischer (und sehr eklektischer) Musik, die von Beginn an z.B. auch Barock- und Black-Metal-Elemente enthielt, entwickelten sich IGORRR zu einer Band und wechselten zu Metal-Blade, wo erstmals 2017 ein Album erschien (das dritte offizielle) - aber dazu später mehr.
Jetzt soll es erstmal um das vierte und bisher neueste Album gehen.
Eins vorweg - man muss wohl mit Humor in Musik klarkommen, um Igorrr zu mögen - und damit meine ich jetzt nicht alberne Texte wie bei J.B.O., sondern in erster Linie musikalischen Humor: völlig unerwartete, oft komisch/absurd/dadaistisch anmutende Wendungen. Lustige Texte gibt es allerdings auch (meist entweder auf Französisch, oft aber auch in Fantasiesprache oder rein lautmalerisch).
Es ist kein Wunder, dass IGORRR-Mastermind Gautier Serre unter anderem auch Mr. BUNGLE als großen Einfluss nennt.
Die Linie vom Vorgänger wird fortgesetzt, also mehr "echte" Instrumente und höherer Metal-Anteil als früher, aber immer noch ist dies nur einer von vielen Stilen, die hier Verwendung finden. Soundtrack-artige, oft orientalisch anmutende, atmosphärische Passagen sind hier etwas häufiger als in der Vergangenheit, aber es gibt immer noch genügend Humor und Wahnsinn.
Mit "Pairpaing" ist sogar fast reinrassiger Midtempo-Death-Metal enthalten - wäre nicht diese irre Mittelteil, in dem die Musik auf einmal wie aus einem Gameboy-Spiel klingt und dann in Drum'n'Bass/Breakcore übergeht, bevor man wieder zum Death Metal zurückkehrt.
Völlig irre und ich muss jedes Mal lachen - dabei ist das einer der normalsten/einheitlichsten Songs auf dem Album.
Der opernhafte, aber manchmal auch meisterhaft kurz ins rockig-rauhe, aggressivere (und wieder zurück) wechselnde Gesang von Laure (die leider seit 3 Jahren nicht mehr dabei ist) z.B. am Ende von "Overweight Overture" oder "Paranoid Bulldozer Italiano" erzeugt bei mir tatsächlich Gänsehaut.
Zum Abschluss werden in "Kung-Fu Chèvre" noch mal alle Register des Wahnsinns gezogen und sogar Balkan-Pop, Metal und Drum 'n' Bass mit einem kurzen Western-/Ennio-Morricone-Part, einer Ziege, plötzlichen, irrsinnigen Schreien, einem wahnsinnigen Akkordeon-Solo und einem groovigen Funk-Part vermischt. So muss das!
Beides Bands mit denen ich mich immer befassen wollte, da das die Art von progressiver Musik ist, die ich mir gerne gebe, wahrscheinlich weil ich halt eh nen Faible für experimentelles, weirdes und kaputtes habe. Bei Mr. Bungle weiß ich dass das das Album ist womit man sich befassen sollte, ist es das bei Igorr auch so oder würdest du zum Einstieg was anderes empfehlen?
 
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Beides Bands mit denen ich mich immer befassen wollte, da das die Art von progressiver Musik ist, die ich mir gerne gebe, wahrscheinlich weil ich halt eh nen Faible für experimentelles, weirdes und kaputtes habe. Bei Mr. Bungle weiß ich dass das das Album ist woit man sich befassen sollte, ist es das bei Igorr auch oder würdest du zum EInstieg was anderes empfehlen?
Bei Mr. Bungle wäre als Einstieg sogar am ehesten das Debüt zu nennen, da trotz aller Verrücktheit noch etwas zugänglicher. (Und dann gibt es noch das fast schon Easy-Listening-Album "California", aber selbst das ist nicht gewöhnlich).
Bei Igorrr hängt es von den Präferenzen ab. Wenn man auch gerne elektronische Musik hört, ist "Nostril" auch ein guter Einstieg, wer einen höheren Metal-Anteil und allgemein mehr "echte" Instrumente wünscht, für den ist das letzte Album und der Vorgänger die bessere Wahl (das neueste finde ich von den beiden einen Tick eingängiger, daher vielleicht wirklich ein gutes Einstiegsalbum).
 
Bei Mr. Bungle wäre als Einstieg sogar am ehesten das Debüt zu nennen, da trotz aller Verrücktheit noch etwas zugänglicher. (Und dann gibt es noch das fast schon Easy-Listening-Album "California", aber selbst das ist nicht gewöhnlich).
Bei Igorrr hängt es von den Präferenzen ab. Wenn man auch gerne elektronische Musik hört, ist "Nostril" auch ein guter Einstieg, wer einen höheren Metal-Anteil und allgemein mehr "echte" Instrumente wünscht, für den ist das letzte Album und der Vorgänger die bessere Wahl (das neueste finde ich von den beiden einen Tick eingängiger, daher vielleicht wirklich ein gutes Einstiegsalbum).
Danke dir, das klingt doch brauchbar, wobei man mir zum Einstieg nichts zugängliches empfehlen brauch, ich höre ja auch zum Vergnügen DsO, BaN, Imperial Triumphant, Frank Zappa, Swans oder auch Free Jazz.
 
Mr. Bungle kannte ich nur namentlich und Igorrr überhaupt nicht. Höchstwahrscheinlich gefällt mir beides nicht, aber das liest sich so als sollte man die Erfahrung zumindest inmal machen. Kommt also auf die Reinhör-Liste.

Beyond Twilight kommt sogar auf die Einkaufsliste. Da hab ich grade mal kurz reingehört und war sofort on fire. Danke für den Tipp
 
Mr. Bungle kannte ich nur namentlich und Igorrr überhaupt nicht. Höchstwahrscheinlich gefällt mir beides nicht, aber das liest sich so als sollte man die Erfahrung zumindest inmal machen. Kommt also auf die Reinhör-Liste.

Beyond Twilight kommt sogar auf die Einkaufsliste. Da hab ich grade mal kurz reingehört und war sofort on fire. Danke für den Tipp
Das freut mich doch, dass ich dir Beyond Twilight nahebringen konnte!
Die anderen beiden Bands sind schon eher was für Durchgeknallte oder Leute mit seeehr großer Toleranz, selbst nach Prog-Maßstäben...:D
 
Danke dir, das klingt doch brauchbar, wobei man mir zum Einstieg nichts zugängliches empfehlen brauch, ich höre ja auch zum Vergnügen DsO, BaN, Imperial Triumphant, Frank Zappa, Swans oder auch Free Jazz.
Wo du Zappa erwähnst - ich sehe tatsächlich eine Art Kontinuum von Zappa über Mr. Bungle zu Igorrr - auf jeden Fall sind das Brüder im Geiste und haben alle einen ähnlich scheuklappenbefreiten Ansatz, was Musik angeht. Und die haben alle Humor!:D
 
Das freut mich doch, dass ich dir Beyond Twilight nahebringen konnte!
Die anderen beiden Bands sind schon eher was für Durchgeknallte oder Leute mit seeehr großer Toleranz, selbst nach Prog-Maßstäben...:D

Ist übrigens total Kurios, dass du das ausgerechnet heute postest. Habe ganz zufällig heute Mittag ein YT Video von Mike Portnoy gesehen wo er über Mister Bungle spricht. Das Debüt ist wohl in seiner All Time Top Ten und die Disco Volante liebt er auch kann sie aber nicht oft hören weil sie so strange ist.

Schon ein witziger Zufall oder das Universum will mir damit was sagen :D
 
Tolle Texte, tolles aus einem Paralleluniversum für mich.

"Disco Volante" hat mich daran erinnert, dass ich es das letzte Mal so im Erscheinungsjahr gehört habe. Das mag innovativ oder ungewöhnlich geklungen haben, es mag virtuos oder genial sein: es ist für mich leider ein Haufen zusammenhanglos aneinander gekleisterter Schrott.

Igorr finde ich indes um Längen spannender, das wirkt bei aller Stilistikvielfalt um Längen homogener und einfach durchdachter. Tolle Platte, läuft gerade das 2. Mal und macht wirklich Freude. Ein wenig erinnert das an das Diablo Swing Orchestra in härter und noch einen Step weiter gedacht.

Beyond Twilight muss ich wohl doch noch mal einer intensiveren Prüfung unterziehen, ich habe nur das Debut...Asche auf mein Haupt...

Coloseum ist einer der zahlreichen blinden Flecken aus der 70er Abteilung...muss ich auch beizeiten mal ein Ohr riskieren.
 
Tolle Texte, tolles aus einem Paralleluniversum für mich.

"Disco Volante" hat mich daran erinnert, dass ich es das letzte Mal so im Erscheinungsjahr gehört habe. Das mag innovativ oder ungewöhnlich geklungen haben, es mag virtuos oder genial sein: es ist für mich leider ein Haufen zusammenhanglos aneinander gekleisterter Schrott.

Igorr finde ich indes um Längen spannender, das wirkt bei aller Stilistikvielfalt um Längen homogener und einfach durchdachter. Tolle Platte, läuft gerade das 2. Mal und macht wirklich Freude. Ein wenig erinnert das an das Diablo Swing Orchestra in härter und noch einen Step weiter gedacht.

Beyond Twilight muss ich wohl doch noch mal einer intensiveren Prüfung unterziehen, ich habe nur das Debut...Asche auf mein Haupt...

Coloseum ist einer der zahlreichen blinden Flecken aus der 70er Abteilung...muss ich auch beizeiten mal ein Ohr riskieren.
Danke!
"Disco Volante" ist auf jeden Fall eines der anstrengendsten Alben in meiner Sammlung. IGORRR sind da, trotz allen Wahnsinns, definitiv deutlich eingängiger. Aber ohne MR. BUNGLE hätte es IGORRR in der Form wohl auch nicht gegeben...
Von BEYOND TWILIGHT solltest du dir unbedingt auch die beiden Nachfolger holen, wenn du das Debüt magst (wobei letzteres noch etwas doomiger und weniger komplex war)!
COLOSSEUM waren ja eigentlich eher ne (Spät-)60er Band - Anfang der 70er haben die nur noch ein Album rausgebracht, und dann war (von Live-Scheiben und Compilations mal abgesehen) bis in die späten 90er erstmal Pause (bzw. hat Drummer Jon Hiseman in der zweiten Hälfte der 70er mit anderer Besetzung unter COLOSSEUM II ja noch drei Alben veröffentlicht, stilistisch allerding doch recht anders und überwiegend instrumental - aber auch empfehlenswert).
 
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Und weiter geht's!

93. IGORRR - Savage Sinusoid (2017)
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Eigentlich könnte ich hier fast das Gleiche schreiben, wie schon zu, „Spirituality And Distortion“. Aber ein paar Unterschiede gibt es dann doch, gerade im Detail. Wie schon im Review zum Nachfolger angedeutet, sind hier nicht so viele rein instrumentale, atmosphärische, orientalisch anmutende Momente zu finden, das Tempo ist insgesamt etwas höher. Vielleicht mein Fave ist hierbei das vom Akkordeon getragene, dabei aber mit heftigst ballerndem Schlagzeug ergänzte „Houmous“, das phasenweise in Verbindung mit Laures Opernhaftem Gesang auch in Symphonic-Black-Metal-Gefilde abdriftet (auf diesem Album ein recht häufig eingesetztes Stilmittel) unterbrochen durch krass virtuose, folkloristisch anmutende Saxophon-Soli, wie auch einen recht dramatsichen Part danach. Nach drei Minuten (ähnlich wie „Pairpaing“ auf dem Nachfolger) wird dann auf einmal die Hauptmelodie statt mit Akkordeon in einem 8-Bit-Sound wiedergegeben (dazu gesellt sich noch ein ziemlich cool slappender E-Bass). Herrlich!
Mit „Problème D‘Émotion“ gibt es auch einen überwiegend sehr ruhigen, erst nur von Klavier und Laures Stimme getragenen Song auf diesem Album, der im letzten Drittel noch mit synthethischen Drums und Cello ergänzt wird und ausnahmsweise mal gänzlich ironie-/humorfrei klingt. Einfach schön!
Die Barock-Elemente kommen vor allem auf „ieuD“ und dem durchgehend ballernden „Va Te Foutre“ zu tragen, während „Robert“ was für Freunde experimenteller, elektronischer Sounds bietet. Zum Abschluss wird es mit „Au Revoir“ noch einmal dramatisch.
Hm, jetzt im direkten Vergleich hätte ich die Platzierung der beiden Igorrr-Alben vielleicht doch genau anders herum wählen sollen...
Egal, hier, hört euch das an:


92. UNIVERS ZÉRO - Clivages (2010)
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Es kommt nicht oft vor, dass ich von 70er-Jahre-Prog-Bands so späte Alben als irgendwie relevant oder auch nur gut ansehe, aber die Mitte der 70er gegründete belgische Band UNIVERS ZÉRO ist eine der wenigen Ausnahmen (neben MAGMA und KING CRIMSON). Nie haben sie sich allzusehr irgendeinem Zeitgeist unterworfen, auch wenn sie ihren ungewöhnlichen (und rein instrumentalen) Stil über die Jahre immer wieder mal etwas modifiziert und durchaus auch unterschiedliche Instrumente verwendet haben.
Jetzt aber mal zur Musik auf diesem Album: allein die Instrumentierung zeigt schon, dass es hier selbst für Progrock-Verhältnisse alles andere als alltäglich zugeht: Prägend sind auf diesem Album Fagott, Klarinette, Oboe, E-Bass, Violine, Schlagzeug, Klavier und Keyboard, sowie (wenige) Industrial-artige Intros und Zwischenspiele - E-Gitarre hingegen gibt es nur bei zwei Stücken zu hören! Außerdem noch gelegentlich Cello, Glockenspiel, Saxophon, Horn und Akkordeon.
Stilistisch fällt mir nichts Vergleichbares ein, da die Musik stark durch moderne Klassik (Béla Bartok, Igor Strawinsky) und etwas Jazz geprägt ist. Dabei sind die einzelnen Stücke wirklich sehr unterschiedlich einige haben einen Kammermusik-artigen Charakter, andere klingen wie ein (meist düsterer) Filmsoundtrack, wieder andere erinnern zumindest teilweise an MAGMA (vor allem das Fretless-Bassspiel in „Soubresauts“).
Ich hätte hier auch noch andere Alben nennen können (eines kommt auf jeden Fall noch), für die Spätphase ist dies aber mein Favorit (zusammen mit dem Nachfolger)
Als Anspieltipp nenne ich hier mal, das über 12-minütige „Warrior“, eine der Ausnahmen mit E-Gitarre. Da die aber nicht dominierend ist, repräsentiert das Stück trotzdem recht gut den Stil der Band:


91. CONCEPTION - In Your Multitude (1995)
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Viele finden ja „Parallel Minds“, das zweite Album der norwegischen Prog-Power-Metal-Band mit Goldkehlchen Roy Khan (später bei KAMELOT) am besten, für mich waren aber sowohl das noch recht thrashige Debüt, als auch der 1995er Nachfolger aus mehreren Gründen schon immer die bessere Wahl.
Die Stimmeffekte/zig Gesangsspuren einiger Parts, gerade bei den Refrains auf "Parallel Minds" haben mich schon immer gestört (die Live-Versionen der Songs, z.B. vom "Power Of Metal" Sampler, fand ich daher schon immer viel besser, emotionaler). Da kommt Roys Stimme auf "In Your Multitude" besser zur Geltung. Und auch sonst gefällt mir die Produktion auf diesem Album besser als beim Vorgänger. Außerdem sind die Songs einerseits nochmal atmosphärischer (vor allem "Some Wounds", "Carnal Comprehension", "Solar Serpent" und der fast balladeske Titelsong), andererseits auch noch progressiver/komplexer ("Under A Morning Star", "A Million Gods", ebenfalls "Carnal Comprehension").
Mit "Sanctuary" gibt es auch eine wunderschöne, ergreifende Ballade, die aber vom abschließenden Titelsong an emotionaler Wucht noch übertroffen wird.
Lediglich das harsche "Guilt" fällt für mich etwas ab, aber das hat mich nicht davon abgehalten, "In Your Multitude" in meine Prog-Top-100 mit aufzunehmen.
Seit fast 30 Jahren liebe ich dieses Album nun schon und höre es immer noch sehr gerne - zumal der Stil der Band, mit den atmosphärischen Synthies und den kontrastierenden, harten (aber manchmal fast schon minimalistischen) Rhythmusgitarren (sowie den teils Pink-Floyd-artigen Gitarrensoli) eigentlich nach wie vor ziemlich einzigartig ist.
Wer die Band noch nicht kennt:
 
Zuletzt bearbeitet:
Schon wieder dieser Igor und wieder hört es sich sauspannend an.
Wenn die Opeth gleich durch ist hör ich da wirklich mal rein.

UNIVERS ZÉRO
klingt auch spannend und kommt auf die reinhör Liste. Spätestens bei der Erwähnung von Magma hattest du mich.

CONCEPTION
peinliche Lücke. Nicht das Album sondern die Band insgesamt. Ich weiß das wird mir gefallen und ich will da auch schon seit Jahren einsteigen aber so ist das manchmal...


Ich seh schon diese Liste wird teuer für mich :)
 
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