046. The Alan Parsons Project - Tales of Mystery and Imagination (GB, 1976)
Nicht zuletzt durch sein Mitwirken an Meilensteinen der Beatles ("Abbey Road", "Let it be") und Pink Floyd ("Dark Side of the Moon") war Alan Parsons als Toningenieur schon eine Größe für sich. In Verbindung mit dem kongenialen Songschreiber Eric Woolfson erschien anno 1976 sozusagen seine Vision moderner Rock- oder auch Popmusik - wie immer man mag. "Tales of Mystery and Imagination" vereint zahlreiche Einflüsse (so arbeitete Parsons auch mit John Miles, dessen orchestral-musikalisches bei "The Tell-Tale Heart" auftaucht), und verbindet diese zu einem großen Ganzen: sowohl der Opner "A Dream within a Dream" als auch das grandiose "The Raven" tragen durchaus Querverweise an Pink Floyd in sich, Parsons und Woolfson bringen aber eine andere Form der Dramatik ein, als dies bei Floyd der Fall ist: beide Songs wirken gleichermaßen leicht, tragen aber auch eine düstere Komponente in sich. Das angesprochene "The Tell-Tale-Heart" hat einen nahezu musicalähnlichen Charakter, bombastisch mit klassischen Elementen, die das Stück ein wenig in die Nähe einer Steinmann (oder eben John Miles) Komposition rücken. "The Cask of Amontillado" verfolgt diesen Ansatz weiter, auch hier verweist nicht wenig an Miles, der Einstieg indes gemahnt mit seinen beatles-ähnlichen Chören an eben, genau, die Pilzköpfe. Ab Minute 3:15 wird es hier noch einmal arg neoklassisch mit einer schlicht phantastischen Melodielinie, die Bläser verleihen dem Stück letztlich gar eine echte Erhabenheit. "(The System of) Doctor Tarr and Professor Fether" greift eingangs auf Motive der 2 Opener zurück, eher reduziert, mit kirchenorgelähnlich anmutenden Keys untermalt, darauf hin entwickelt sich ein eingängiger anmutender Titel, dessen "eigentlicher" Chorus auf bizarre Weise gar nonkonform wirkt und letztlich die Kirsche auf der Torte darstellt. Das aus 5 Teilen bestehende "The Fall of the House of Usher" ist das Herzstück des Albums bündelt in einem Epos alles, was bislang an Zutaten aufgetischt wurde: das Ding ist für meine Ohren moderne Klassik, gleichermaßen wirkt es an manchen Stellen auch wie ein Soundtrack, Part 2 ("Arrival") ist massiv floydig, "The Fall of the House of Usher" ist quasi die Geburtsstunde des später noch oft von Parsons elektronischen Sounds, ehe es zum Ende hin noch einmal klassisch-noisig wird. "To One in Paradise" ist als Rausschmeißer nach dem Mammutepos von Usher dann ein eher relaxter Rausschmeißer.
Parsons hat auf diesem Album eine Unmenge an Stilistiken zu einer homogenen Masse verschmolzen: Prog, Klassik, Elektronik, 60er Sounds in die "Neuzeit" transportiert - ein richtungsweisendes Album und vielleicht auch gar nicht für Jedermann in die Defintion "Prog" passend, in meiner Welt im Wortsinne definitiv progressiv und - ja, ich erwähnte es schon, richtungsweisend.
045. Aragon - Mouse (AUS, 1995)
Über dieses Album ist schon im Rahmen anderer Listen diskutiert worden: von einer Nummer 1 bis hin zu "geht so gar nicht" ist da alles mit dabei. Beide Ansichten kann man teilen: dieses Album ist zunächst sperrig, unterirdisch produziert und tatsächlich so etwas wie das "Manilla Road" des Prog - und exakt und genau deshalb so wertvoll. Ein Titel, quasi zerhackt in zahlreiche Segmente, ein Wandel nach dem nächsten, dennoch eindeutig dem Neo-Prog zuzuordnen, dazu grandiose Melodien. "Mouse" ist das Meisterstück der Cirith Ungol des Prog, auf unnachahmliche Weise ein Zusammenspiel aus unterschwellig inszenierter, musikalischer Brutalität und Spannung (nicht Härte), andererseits gespickt mit Melodien, die oftmals nur einen Moment verweilen, um sich kurz darauf im teils agressiv wirkenden Gesang von Les Dougan zu verirren. Es gibt kein wirklich vergleichbares Werk und als ich es damals erstmalig in den CD-Schacht packte ließ es mich absolut ratlos zurück. "Mouse" will erarbeitet werden, es ist das Ergebnis der Vision einer dem Undergrund entstammenden australischen Band, Grenzen zu verschieben und neu auszulogen, ohne all zu bewährte Elemente komplett über Bord zu werfen. Aragon waren (sind) einzigartig und werden es immer bleiben, kontrovers - und leider viel zu unbekannt. "Mouse" - egal, zu welcher der eingangs genannten Erkenntnisse man letztlich gelangt - muss gehört werden und ist ein Must-Have für einen jeden Musikliebhaber.
044. Overhead - Metaepitome (FIN, 2005)
Overheads Debut wurzelt zweifelsfrei in den 70ern: allein der rund 20minütige Opener und Titelsong verarbeitet Einflüsse von Pink Floyd bis Genesis und spielt klar auch die Karte der Dramaturgie der 70er Prog-Longtracks. Overhead verstehen es dabei, diesen Sound trotz der zweifelsfrei erkennbaren Basiszutaten eigenständig und spannend zu halten, ihm einen frischen Anstrich zu verleihen, der selbst heute absolut zeitgemäß aus den Boxen tönt. Gleich, ob schräg, psychedelisch, rockig (man beachte im Mittelpart des Openers, so ab Minute 10, gar die offen zitierte Child-in-Time-Sequenz!), kauzig - diese 20 Minuten vergehen wie im Flug. "Warning: Ending without Warning" erweitert den eingangs erwähnten, eher britischen, Zutatenkosmos um krautige Elemente, dieser Song versprüht ein eindeutiges Eloy-Flair, das beim grandiosen "Butterfly's Cry" (eigentlich ein Hit, kann man nicht anders sagen), gar um Novalis oder auch grobschnitt-artige Passagen erweitert wird. Diese gesamte Mixtur gipfelt letztlich im Rausschmeißer "Dawn", der unfassbar relaxt rüber kommt, allein schon durch diese schlicht anmutende Melodie zum Eingang, die sich über den gesamten Aufbau zieht. Das Faszinierende an diesem Album: obwohl es ganz ohne Zweifel metertief im Retro der 70er verankert ist bekommt man schnell Zugang zu den Songs, obwohl diese arg komplex sind. Overhead wissen, wie sie wann welche Akzente setzen müssen, verzichten auf unnötige Frickeleien zum Selbstzweck und stellen den Song als Gesamtkonstrukt in den Vordergrund. "Metaepitome" ist ein echtes Statment, eine Verneigung vor den "Großen" der 70's - und gleichermaßen ein Ausrufezeichen.
Sowohl die 46., als auch die 45 sind so sehr Album, dass sie nur als Komplettverlinkung funktioniert hätten, für die 44 als Anspieltipps:
"Metaepitiome" -
https://www.youtube.com/watch?v=dz3Q210nC1k&list=PLtuiJcwuIZqGquqmub4z3mKUH5CWw59Qg
"Butterfly's Cry" -
https://www.youtube.com/watch?v=yM5be0GDPMk&list=PLtuiJcwuIZqGquqmub4z3mKUH5CWw59Qg&index=4